Das Universum in Rätseln. Cumrun Vafa
Keyon und Neekon,
die meine Inspiration für das Schreiben dieses Buches waren,
sowie meine lieben Eltern,
Simeen und Javad,
die meine Neugierde gefördert haben.
Vorwort
Das Universum in Rätseln gibt einen wunderbaren Überblick über zentrale Konzepte der modernen Physik und Mathematik, die mithilfe von Rätseln erkundet werden. Dies ist eine der ungewöhnlichsten und fesselndsten Herangehensweisen an dieses Thema, die mir je begegnet ist. Sie ermöglicht es dem Leser – gleich ob Anfänger oder Experte –, aus Freude am Lösen von Rätseln zu lernen. Was für eine unterhaltsame und zielführende Weise, von einem der bedeutendsten Physiker der Welt in grundlegende und hochaktuelle Konzepte eingeführt zu werden!
Brian Greene
Dieses Buch ist ein faszinierender und ungewöhnlicher Rundgang durch die Gedankenwelt von Physik und Mathematik, illustriert durch elementare und unterhaltsame Rätsel. Die Leserinnen und Leser werden viel Spaß haben und dabei eine Menge lernen!
Edward Witten
Wir haben ein angeborenes Interesse daran, zu verstehen, wie die Welt um uns herum funktioniert. Wir hoffen stets, dass wir in unserer Umwelt Muster erkennen können, die uns helfen können, die unmittelbare Zukunft vorauszusehen. Der Versuch, diese Muster zu quantifizieren, hat die Menschen im Laufe der Zeit zur Entwicklung der Mathematik geführt. Es kann daher kaum überraschen, dass die Mathematik die natürliche Sprache zur Beschreibung der inneren Zusammenhänge der Natur ist. In diesem Sinn ist die Mathematik das Rückgrat der Physik, deren Ziel es ist, zu verstehen, wie das Universum auf seiner grundlegendsten Ebene funktioniert. Je tiefgreifender wir die Naturgesetze verstehen, desto fortgeschrittenere Methoden der Mathematik benötigen wir – was einer der Gründe ist, weshalb die Physik heute oft im Ruf steht, aufgrund ihrer mathematischen Komplexität für Uneingeweihte undurchdringlich zu sein.
Diese Wahrnehmung übersieht jedoch die grundlegende Einfachheit der physikalischen Gesetze und die Eleganz der Mathematik, die das innere Wesen der physikalischen Realität beschreibt. Als Physiker mit einem ausgeprägten Interesse an Mathematik habe ich aus erster Hand erlebt, wie unter all den komplexen und beeindruckend wirkenden mathematischen Strukturen, die wir zur Formulierung physikalischer Gesetze verwenden, letztlich einfache und tiefe Kleinodien der Wahrheit verborgen liegen. Diese Wahrheiten sind es, die viele Wissenschaftler herauszudestillieren versuchen, wenn sich die erste Aufregung nach einer grundlegenden Entdeckung wieder gelegt hat. Diese ,,Kleinodien“ sind eine Art ,,Zusammenfassung“, eine Essenz, die Wissenschaftler als Lektionen aus den neu entdeckten Naturgesetzen mitnehmen. Glücklicherweise lassen sich diese zentralen Gedanken oft durch einfache mathematische Rätsel veranschaulichen. Diese Rätsel sind so weit vereinfacht, dass sie ohne umfangreichen Hintergrund in Physik oder Mathematik zu knacken und zu verstehen sind. Sie machen Spaß und können darüber hinaus auch eine tiefe Befriedigung vermitteln, weil sie grundlegende Eigenschaften der physikalischen Realität aufdecken, die weit über die bloße Lösung des Rätsels hinausgehen. Mein Ziel ist es in diesem Buch, meine Leserinnen und Leser auf eine Reise mitzunehmen, auf der sie mithilfe von unterhaltsamen Rätseln einige Aspekte der Gesetze unseres Universums entdecken und verstehen können.
Der rote Faden in diesem Buch ist der Gedanke, dass es in der physikalischen Realität nicht die zentrale allumfassende Idee gibt, sondern vielmehr eine große Ansammlung von manchmal geradezu gegensätzlichen Konzepten, die gemeinsam einen Rahmen für die physikalische Realität schaffen. Das Hauptanliegen des Buches ist es, zu verstehen, wie diese gegensätzlichen Konzepte miteinander verwoben sind und gemeinsam auf ein Ziel hinwirken. Ich hoffe, dass ich manche dieser Konzepte verdeutlichen kann, indem ich einige der wichtigsten Spielregeln der Natur, die wir kennen, durch das Kaleidoskop der Rätsel betrachte.
Nach einem kurzen Rückblick auf die Geschichte der Wissenschaft und das jahrhundertealte Wechselspiel zwischen Mathematik und Physik wende ich mich nacheinander den einzelnen Hauptthemen zu. Jedes Kapitel des Buches beginnt mit einem Gedanken zu einem Thema und erörtert dann die Bedeutung des entgegengesetzten Gedankens. Anschließend wird dasselbe Spiel wiederholt, wobei Physik und Mathematik vertauscht werden. Und all das passiert mithilfe von unterhaltsamen Rätseln.
Das erste Thema ist Symmetrie. Einerseits lernen wir die Bedeutung der Symmetrieerhaltung in Mathematik und Physik kennen, andererseits sprechen wir darüber, wie wichtig die Symmetriebrechung in vielen Fällen ist. Ein schönes Beispiel für diese Prinzipien in Form eines Rätsels ist die Aufgabe, die kürzeste Autobahnverbindung zwischen vier Städten an den Ecken eines Quadrates zu finden. Wir werden sehen, wie Symmetrien Erhaltungssätze wie z. B. die Energieerhaltung erklären können, aber auch, warum das Brechen von Symmetrien für unsere Existenz noch wichtiger ist. Dabei werden wir sehen, dass und wie dies mit dem erst vor kurzem entdeckten Higgs-Teilchen zusammenhängt. Wir werden lernen, dass unsere Augen und ihre Lage in unserem Gesicht eine Symmetriebrechung belegen. Wir diskutieren die Bedeutung sowohl intuitiver als auch nicht intuitiver Ideen in Physik und Mathematik. Intuitive Ideen (wie die der Stetigkeit, die in verschiedenen Aspekten von physikalischen Gesetzen eine wichtige Rolle spielt) sind ebenso wie nicht intuitive Abstraktionen (wie die, die Zeit als eine zusätzliche Dimension analog zum Raum aufzufassen) notwendig, um die Realität grundlegend zu verstehen. Wir werden zeigen, dass das Konzept der Stetigkeit, so einfach es auch sein mag, zu weitreichenden Schlussfolgerungen führt. Das wird durch ein Rätsel illustriert, das offenbart, warum es auf dem Äquator immer diametral entgegengesetzte Punkte mit der gleichen Temperatur geben muss. Wir zeigen auch, wie die Stetigkeit der physikalischen Gesetze erklären kann, warum Einsteins allgemeine Relativitätstheorie voraussagt, dass es immer eine ungerade Anzahl von Gravitationsbildern eines Sterns geben muss.
Als Nächstes wenden wir uns dem Gedanken der Natürlichkeit zu – der Frage, wie man auf der Basis von sehr wenigen Informationen grobe Abschätzungen über die Funktionsweise der Natur machen kann. Zum Beispiel werden wir eine einfache Abschätzung dafür demonstrieren, um wie viel wir die Sonne schrumpfen müssten, damit sie zu einem schwarzen Loch würde. Dann wenden wir uns dem gegenteiligen Gedanken zu und diskutieren, weshalb unnatürlich große oder kleine Zahlen in den grundlegenden Naturgesetzen erscheinen, die nur schwer vorhersehbar sind. Warum ist die Gravitationskraft zwischen Protonen beispielsweise eine Billion Billion Billion mal kleiner als die elektrische Abstoßung zwischen ihnen? Wir veranschaulichen das Auftreten unerwartet großer Zahlen in der Physik anhand des alten Rinderproblems des Archimedes, dessen Lösung eine Zahl mit mehreren Hunderttausend Stellen ist! Ich wage es in diesem Zusammenhang auch, kurz auf einige Verbindungen zwischen Wissenschaft und Religion einzugehen, aber im Gegensatz zu der üblichen Herangehensweise an dieses Thema werden wir selbst diesen Punkt in Form von unterhaltsamen Rätseln angehen. Ein Beispiel dafür ist ein Rechteck aus kleineren Rechtecken – wenn jede Seite der kleinen Rechtecke eine ganzzahlige Länge hat, dann muss auch das größere Rechteck dieselbe Eigenschaft besitzen.
Abschließend werden wir im Zusammenhang mit der Stringtheorie einige der aufregendsten Entwicklungen der modernen Grundlagenphysik kennenlernen. Die Stringtheorie hat sich in der letzten Zeit zu einer einheitlichen Quantentheorie entwickelt, die alle fundamentalen Kräfte umfasst. Ich konzentriere mich bei der Diskussion auf die Idee der Dualität in der Stringtheorie, die Stringtheoretiker schon seit einigen Jahrzehnten fasziniert und die eine Schlüsselrolle bei ihrer Entwicklung gespielt hat. Wir werden sehen, wie die Dualität beispielsweise zu einem besseren Verständnis von schwarzen Löchern und der Natur von Raum und Zeit führt. Ein Rätsel zur Veranschaulichung der Dualität sind kollidierende Ameisen auf einem Stab, wobei jede Ameise so lange wie möglich verhindern soll, dass sie von den Enden des Stabes fällt. Es wird sich zeigen, dass der Gedanke der Dualität in der Stringtheorie den roten Faden dieses Buches widerspiegelt: die Vorstellung, dass gegensätzliche Prinzipien nahtlos auf konsistente und machtvolle Weise zusammenwirken können, um zu beschreiben, wie die Natur funktioniert. Nichts ist mächtiger als gegensätzliche Gedanken, die gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten. Aus diesem Grund ist