SPUK. Howard Phillips Lovecraft

SPUK - Howard Phillips Lovecraft


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Nein! - es konnte nicht sein! Es musste ein böser Geist sein, der ihre Gestalt angenommen hatte.

      Doch obgleich Alizon so versuchte, nicht zu glauben, was die Sinne ihr sagten, und alles, was sie sah, für Täuschung zu halten, konnte sie sich nicht völlig überzeugen, sondern erinnerte sich bruchstückhaft an den furchterregenden Anblick, dessen Zeugin sie in ihrem totenähnlichen Schlaf geworden war, und begann ihn mit dem jetzt abrollenden Schauspiel zu verbinden. Der Sturm hatte ganz aufgehört, und die Sterne blitzten wieder durch das zerbrochene Dach. Es herrschte tiefes Schweigen, das nur durch das Zischen und Brodeln des Kessels unterbrochen wurde. Alizons Blicke waren fest auf ihre Mutter gerichtet, deren leichteste Bewegungen sie beobachtete. Nachdem sie die Versammelten dreimal abgezählt hatte, erhob Mrs. Nutter sich majestätisch und winkte die alte Vettel, die die Zeremonie geleitet hatte, zu sich heran, worauf sie einige Worte tauschten, deren Ton nicht an das Ohr der Lauscherin drangen. Abschließend rief Mrs. Nutter jedoch laut und befehlend aus: »Geh, bring es sofort her, das Opfer muss gebracht werden.« Und darauf humpelte die alte Frau zu einer der Seitenkapellen.

      Ein Todesschrecken ergriff Alizon, und sie konnte kaum Atem holen. Unheimliche Geschichten hatten ihr berichtet, dass Hexen manchmal ungetaufte Kinder opferten und ihr Fleisch kochten und bei ihren frevelhaften Banketten verzehrten, und aus Furcht, eine derartige Missetat werde gleich begangen, nahm sie all ihre Willenskraft zusammen, entschlossen, auf jede Gefahr hin einzugreifen und diese zu verhindern, wenn es möglich war.

      Einen Augenblick später kehrte die Hexe zurück, etwas Lebendes, in ein weißes Tuch Gewickeltes tragend, das schwach kämpfte, um sich zu befreien, und Alizons Verdacht offenbar bestätigte, und sie wollte gerade vorstürzen, als Mrs. Nutter, das Bündel von der alten Hexe entgegennehmend, es öffnete und einen wunderschönen Vogel freigab, dessen Kleid aus schneeweißen Federn bestand und dessen Beine zusammengebunden waren, damit er nicht entkommen konnte. Das Folgende ahnend, blickte Alizon fort, und als sie wieder hinsah, war der Vogel schon geschlachtet worden. Mrs. Nutter hielt das blutige Messer empor und verkündete, einige rote Tropfen auf die glühende Asche werfend, als diese zischten und rauchten, die folgende Beschwörung:

      Deine Hilfe erfleh ich, Höllenmacht!

      Dein Wort schicke zu Malkins Turm,

      Dass die alte Hexe erfahre,

      Wo ich will, da muss sie hingehen -

      Was ich will, das muss sie tun!

      Sofort ertönte die Antwort einer fürchterlichen Stimme, die offenbar aus den tiefsten Schlünden der Erde drang.

      Die du rufst nach Satans Hilfe

      Du kennst den Preis, der gezahlt werden muss.

      Die Hexenkönigin erwiderte:

      Ja. Doch gib die Hilfe, die ich erflehe,

      Und du sollst haben, was du willst.

      Eine neue Anbeterin ist gewonnen

      Und dein, wenn alles vollbracht ist.

      Einen Augenblick darauf fügte die Stimme hinzu:

      Ich hab getan, was du gewollt -

      Nun gehe deinen Weg, und nichts hindere dich.

      »So soll es sein«, antwortete Mrs. Nutter, deren Züge in wildem Frohlocken glühten. »Bringt die neue Anbeterin herbei!«, rief sie. Und bei diesen Worten kam ihr dunkelhäutiger Diener Blackadder, ein Mädchen an der Hand führend, aus der Sakristei.

      Beim Anblick des Mädchens brach ein lauter Schrei der Wut und Überraschung aus Elizabeth Device hervor, und sie stürzte nach vorn.

      »Das ist mein Kind!«, schrie Elizabeth. »Ohne meine Zustimmung kann sie nicht getauft werden, und ich weigere mich. Ich will nicht, dass sie eine Hexe wird - wenigstens jetzt noch nicht. Wie kommt es, dass du hier bist, du ungeratenes Ding?«

      »Ich wurde hergebracht, Mutter«, antwortete das Mädchen, das Jennet hieß.

      »Dann geh sofort wieder nach Haus, und bleib da«, erwiderte Elizabeth rasend vor Zorn.

      »Nein, ich will noch nicht nach Haus«, antwortete Jennet. »Ich möchte auch so eine Hexe sein wie du.«

      »Ho! Ho! Ho!«, lachte die Stimme von unten.

      »Nein, nein - ich verbiete es!«, kreischte Elizabeth; »du sollst nicht getauft werden. Warum hat man sie hergebracht, Madam?« fugte sie, an Mrs. Nutter gewandt, hinzu. »Ihr habt sie mir geraubt. Ich verbiete, dass sie getauft wird.«

      »Deine Zustimmung-ist nicht erforderlich«, erwiderte Mrs. Nutter, sie fortwinkend. »Deine Tochter will unbedingt Hexe werden. Das reicht.«

      »Sie ist nicht alt genug, um allein zu entscheiden«, sagte Elizabeth. »Auf das Alter kommt es nicht an«, erwiderte Mrs. Nutter.

      »Was muss ich tun, um eine Hexe zu werden?«, fragte Jennet.

      »Du musst jede Hoffnung auf den Himmel fahrenlassen«, erwiderte Mrs. Nutter, »und dich Satan weihen. Dann wirst du in seinem Namen getauft und wirst eine seiner Anbeterinnen. Du wirst die Macht haben, alle Menschen mit körperlichen Leiden zu schlagen - das Kom zu vernichten - Häuser zu verbrennen - und, so du willst, alle zu töten, die dich hassen oder dich belästigen. Möchtest du all dieses tun?«

      »Ja, das möchte ich«, antwortete Jennet. »Das Böse gefallt mir mehr als das Gute, und ich sehe die Menschen lieber weinen als lachen; und wenn ich könnte, würde ich sie bestrafen, wenn sie über mich lachen, dass sie es bereuen werden bis an ihren Tod.«

      »All das sollst du tun, und noch mehr«, antwortete Mrs. Nutter. »Du lässt also jede Hoffnung auf Erlösung fahren und weihst dich mit Körper und Seele den Mächten der Finsternis?«

      Elizabeth, die immer noch von einer anderen Hexe im Seitenschiff festgehalten wurde, schüttelte in ohnmächtiger Wut die Arme und knirschte mit den Zähnen, stöhnte dann laut auf; doch ehe Jennet antworten konnte, vernahm man einen durchdringenden Schrei, der wie tausend Nadeln durch Mrs. Nutters Busen drang, und Alizon, die aus ihrem Versteck hervorgestürzt war, drängte sich durch den schrecklichen Kreis und stand neben der Gruppe in seiner Mitte.

      »Lass sein, Jennet!«, rief sie. »Lass sein! Sprich die schändlichen Worte nicht aus, oder du bist für immer verloren. Komm mit mir, und ich werde dich retten.«

      »Schwester Alizon!«, rief Jennet, sie überrascht anstarrend, »was tust du hier?«

      »Frag nicht - komm«, rief Alizon und versuchte, ihre Hand zu ergreifen.

      »Oh! Was ist das?«, rief Mrs. Nutter, die sich inzwischen teilweise von dem Schreck und der Überraschung erholt hatte, in die sie durch Alizons unerwartetes Erscheinen geworfen worden war. »Warum bist du hier? Wie hast du die Fesseln des Schlummers gelöst, mit denen ich dich band? Fort - fort - unverzüglich fort, du kannst diesem Mädchen nicht mehr helfen. Du kannst sie nicht retten. Sie ist bereits geweiht. Fort. Ich kann dich hier nicht schützen.«

      »Ho! Ho! Ho!«, lachte die Stimme.

      »Hörst du jenes Lachen nicht?«, rief Mrs. Nutter mit verstörten Blicken. »Geh!«

      »Nicht ohne Jennet«, antwortete Alizon bestimmt.

      »Mein Kind... mein Kind... auf meinen Knien flehe ich dich an, flieh«, rief Mrs. Nutter, sich vor ihr auf die Knie werfend... »Du weißt nicht, in welcher Gefahr du schwebst... oh, flieh, flieh!« Aber Alizon blieb fest.

      »Ihr seid in Eurer eigenen Schlinge gefangen, Madam«, rief Elizabeth Device mit einem höhnischen Lachen. »Da Jennet eine Hexe werden muss, kann Alizon gleich mitgetauft werden. Eure Zustimmung ist nicht erforderlich, und auf das Alter kommt es nicht an - ha! Ha!«

      »Fluch über das Böse«, rief Mrs. Nutter mit zitternder Stimme. »Was ist zu tun in dieser Not?«

      »Nichts«, erwiderte die Stimme. »Jennet ist bereits mein. Wenn du oder ihre Mutter sie nicht gebracht hätte, wäre sie aus eigenem Antrieb gekommen. Ich habe sie beobachtet und ausgesucht.


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