Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein

Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen - Ludwig Bechstein


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wo nicht gar den Teufel zum Vater haben.

       Durch Mißhandlungen, die dem Kielkropf angetan

       werden, wird meist die Mutter desselben gezwungen,

       ihn wieder zurückzunehmen und das der Mutter heimlich

       entrissene eigene Kind zurückzugeben.

       Einstmals hat sich eine Frau mit solch einem Kielkropf

       Jahr und Tag gequält; sie hatte wahrscheinlich

       vergessen, während ihrer Wochen bis zur Taufe Tag

       und Nacht Licht zu brennen oder irgendein Kleidungsstück

       von ihrem Manne anzuziehen. Schon

       hatte sie den Balg sieben Jahre; er aß viel, aber wollte

       nicht wachsen, nicht laufen, nicht sprechen lernen,

       hatte einen großen Dickkopf und spinnenbeinige

       Ärmchen und Füßchen. Da kam zu der Bauernfrau

       eine alte Jatrin (Zigeunerin), der klagte die Frau ihr

       Herzeleid, das sie jahraus jahrein mit dem Kinde

       habe, und die gab guten Rat, was die Bäuerin vorneh-

       men sollte, um zu sehen, ob ihr Kind etwa ein Kielkropf

       wäre oder nicht. Diesen Rat befolgte die Frau,

       sie leerte ein Gänsei aus, füllte Bier hinein und kochte

       es über der Lichtflamme. Auf einmal begann der bisher

       stets stumm gebliebene Kielkropf an zu sprechen

       und sagte:

       Ich bin so alt

       Wie Brennholz im Wald,

       So was hab' ich aber doch noch nicht gesehn!

       So? sagte die Bäuerin, bist so alt wie das Brennholz

       im Wald, so bist du mein Kind nicht!, und nahm ein

       Stück Holz und wollte auf das ungestaltete Kind losschlagen,

       aber da kam gleich eine alte Unnereerdsche

       gelaufen und nahm das Kind aus der Wiege und

       sagte: So will ich mein Kind nicht mißhandeln lassen!

       – und da sie weg war mit ihrem Balg, stand ein

       schönes wohlgewachsenes siebenjähriges Kind, das

       rechte der Frau, neben der Wiege.

       Ähnliches widerfuhr einer Frau in Jägerup bei Hadersleben,

       welcher eine kluge Nachbarin riet, den

       Wechselbalg in den geheizten Backofen zu schieben.

       Als sie dies tun wollte, kam schnell die unterirdische

       Mutter, brachte das umgetauschte Kind und sagte: So

       schlecht hätte ich nimmer an deinem Kinde getan!,

       indem sie ihr Kind nahm und verschwand.

       Im Dorfe Böken bei der Stadt Lauenburg war ein

       wundertätiges Marienbild von Holz, das heilte viele

       Kranke. Nun hatte in einem nahen Nachbardorfe ein

       Bauer lange Zeit in kinderloser Ehe gelebt und hielt

       deshalb seine Frau sehr übel. Endlich fühlte die Frau

       sich in Hoffnung, das machte den Bauer ganz glücklich,

       und er trug nun die Frau fast auf den Händen.

       Aber als sie geboren hatte, tauschten die Unterirdischen

       ihr Kind aus und legten einen Kielkropf ein, der

       hatte einen Kopf wie eine Metze und spindeldünne

       Gliedmaßen. Auch wuchs nichts an ihm, als nur der

       Kopf, der wurde größer als beim größten Menschen.

       Nach drei Jahren glich der Kopf des Jungen einem

       Riesenkürbis, und dabei konnte das Kind nicht stehen

       noch gehen noch sprechen, aber quarren und plärren

       den ganzen Tag, das konnte es meisterlich. Eines

       Abends, als die Frau dieses Goldsöhnchen auf dem

       Schoße hatte und sich mit ihm abquälte, sprach sie zu

       ihrem Mann: Du, mir fällt was ein, vielleicht kann

       uns noch geholfen werden; morgen ist Sonntag; nimm

       doch das Kind und die Wiege und geh damit nach

       Böken zur Mutter Maria, stelle die Wiege vor sie hin

       und wiege das Kind eine Zeitlang, vielleicht, daß es

       hilft. – Das will ich wohl tun, sagte der Bauer und

       ging am andern Tage mit dem in die Wiege wohlverpackten

       Kielkropf los. Als er auf die Brücke von

       Böken kam, rief drunten eine Stimme mitten aus dem

       Wasser heraus:

       Kielkropp, wo wullt du hen?

       und da antwortete das Kind in der Wiege:

       Ik wil my laten wegen,

       Dat ik sal gedegen (gedeihen).

       Da war der Bauer vor Verwunderung außer sich,

       daß sein Balg auf einmal sprach, besann sich aber gar

       nicht lange, sondern schmiß Kind und Wiege ins

       Wasser hinab und schrie hinterdrein:

       Kannstu nun spräken, du Undeert,

       Denn ga dorhen, wo du't hast geleert! –

       Da erhob sich unter der Brücke groß Schreiens, als

       riefen eine Menge Leute; und die Kielkröpfe tummelten

       sich lustig im Wasser, der Bauer aber lief, was er

       laufen konnte, heim zu seiner Frau.

       Eine fast gleiche Sage geht in der Gegend um Halberstadt,

       da redet auch der Kielkropf im Korbe:

       Ick well gen Hackelstadt

       (wohin eine Wallfahrt war),

       to unser leven Fruggen, und mi laten wigen,

       dat ick möge gedigen.

       Da warf der Bauer ebenfalls Kind und Korb ins

       Wasser, und die kleinen Teufel puddelten und purzelten

       mit Geschrei lustig im Wasser herum.

       181. Die Nissen und die Wolterkens

       In den nordischen Landen heißen die Wassergeister

       Nissen, auch Klabautermännchen, auch Nesse, Puge,

       Puke, Niskepuke, sind aber doch, wie die Kaboutermannekens

       in Holland, auch zugleich Hausgeister

       hülfreicher Art, und der Glaube an sie ist allverbreitet.

       Neben ihnen bestehen auch noch die Wolterkens,

       ebenfalls Hausgeistchen, Hausknechtchen, was die

       deutschen Heinzchen, Hütchen, Heimchen sind; der

       deutsche Name Heimchen findet sich im Nordischen

       als Chimeken wieder, und sonst haben sie auch noch

       gar verschiedene Eigennamen, wie guter Johann,

       Koome u.a. Zum gleichen Geschlecht werden gezählt

       die Schreckgespenster, der Büsemann, was in

       Deutschland der Butzemann, Pötz, Pöpel, Hullenpöpel,

       der Pulterklaes, der Roppert – in Deutschland der

       Herscheklaes (Nikolaus), Knecht Rupprecht und dgl.

      


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