Insel des Todes. Anton Schaller

Insel des Todes - Anton Schaller


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Fahrer schaltete in den ersten Gang und gab Gas. Der Lieferwagen preschte in einer dichten Staubwolke davon ...

      Mark und Tom kamen zögernd aus ihren Verstecken. Die Knie der beiden Freunde waren weich wie Pudding. Misstrauisch blickten sie sich um. Doch der Lieferwagen entfernte sich immer mehr.

      ”Hast du das gesehen!”, stöhnte Mark und blickte mit zusammengebissenen Zähnen auf den Haufen Metall zu ihren Füßen. Voller Zorn ballte Tom die Hände und schüttelte sie drohend.

      ”Irgendjemand wollte uns einen Denkzettel verpassen!”, presste Mark mit grimmiger Miene hervor. "Ich kann mir nur einen einzigen Grund vorstellen, warum jemand schlecht auf uns zu sprechen ist ...”

      ”Du meinst, weil wir den Toten im Meer entdeckt haben?”

      ”Hast du eine andere Erklärung? Jemand wollte sich offensichtlich an uns rächen. Und ich verwette meinen Kopf, dass dieser Jemand der Mörder von Simon Winslow ist ...”

      Kapitel 3

      Wolken zogen am Himmel auf, der eine stahlgraue Färbung angenommen hatte. Sie verdichteten sich immer mehr und erzeugten finstere, drohende Gebilde. In der Ferne leuchteten grelle Zickzackbänder auf, und die Luft schien vor Elektrizität direkt zu knistern. Der Wind nahm an Heftigkeit zu, das Meer wurde unruhig und bildete kräuselnde, schnappende Wellen.

      Mark und Tom saßen im gemütlich eingerichteten Wohnzimmer von Tante Margaret und berichteten von ihren abenteuerlichen Erlebnissen. Monoton drehte sich der riesige Ventilator an der Decke und spendete etwas Kühlung. Durch die große Panoramascheibe hindurch konnte man das aufziehende Gewitter gut beobachten.

      Bäume und Sträucher bogen sich unter der Gewalt des Sturmes, wurden herumgerissen und gebeutelt. Ein paar Palmenzweige schlugen immer wieder gegen das Fenster. Das Brausen des Windes wurde immer lauter, erfüllte die ganze Atmosphäre. Tante Margaret lauschte gespannt, was die beiden Freunde berichteten.

      ”Das ist ja unglaublich!”, stöhnte die alte Dame dann entsetzt und fuhr sich über ihre langen weißen Haare. ”Wenn man bedenkt, in welcher Gefahr ihr beide euch befunden habt ...”

      ”Halb so schlimm!”, grinste Tom, der sein seelisches Gleichgewicht längst wiedergefunden hatte.

      Rotglühende Blitze sausten nun in kurzen Abständen über den inzwischen schwarz gewordenen Himmel, und der prasselnde Regen hämmerte auf die Erde herab. Krachende Donnerschläge ließen das kleine Haus erzittern, sodass Tante Margaret erschrocken zusammenfuhr. Die beiden Jungs grinsten nur. Ihnen machte dieses Unwetter nicht das Geringste aus. Im Gegenteil. Sie liebten diese schaurige Atmosphäre und fanden sie richtig toll. ”Ich werde mich wohl nie richtig an diese Tropengewitter gewöhnen”, sagte die alte Dame mit entschuldigendem Lächeln. ”Obwohl ich schon so lange hier lebe. Aber zurück zu unserem eigentlichen Problem: Euer Bericht macht mir große Sorgen. Ich kann mir nicht erklären, wieso auf dieser friedlichen Insel auf einmal die Hölle los ist. Und vor allem verstehe ich nicht, wieso euch jemand nach dem Leben trachtet. Ihr seid doch noch Kinder und habt keinem Menschen etwas getan ...” Die alte Dame wischte sich über das Gesicht, stand auf und ging unruhig hin und her. Wiederum peitschte der Wind einige Palmwedel gegen die Scheibe, und Tante Margaret fuhr erschrocken zusammen. ”Meine Nerven sind nicht mehr die besten, und daher kann ich keine Ruhe finden, solange ihr in so großer Gefahr seid.“

      ”Halb so schlimm!”, verkündete Mark überlegen. ”Wir beide wissen uns schon zu wehren, wenn's darauf ankommt ...”

      Tante Margaret lachte bitter auf und starrte durch das große Fenster hinaus ins tosende Unwetter. Der Sturm wühlte das Meer auf, und riesig hohe schaumige Wellen spülten ans Ufer.

      ”Glaubt ihr wirklich, dass ihr gegen ein paar eiskalte Verbrecher nur die geringste Chance habt?”

      ”Die Kerle wollten uns nicht töten”, versuchte Mark, seine Tante zu beruhigen. ”Die Sache mit den Fahrrädern sollte doch bloß eine Warnung sein.”

      ”Das meint ihr! Auf jeden Fall werde ich Ramiro um Rat fragen, denn er ist schließlich für die Sicherheit der Inselbewohner zuständig.”

      ”Ich glaube aber nicht, dass uns dieser Zigarren rauchende Dorfpolizist eine große Hilfe sein wird!”, vermutete Tom und ließ seine strahlend weißen Zähne blitzen. ”Der Mann hat auf uns den Eindruck gemacht, als würde er am liebsten seine Ruhe haben. Ich möchte wetten, dass er nie im Leben den Mörder von Simon Winslow findet ...”

      ”Schon weil er nicht lange nach ihm suchen wird!”, warf Mark mit kratziger Stimme ein. ”Ramiro wird den Fall als unerledigt zu den Akten legen. Das ist auch meine Meinung!”

      In diesem Moment zuckte wieder ein schwefelgelber Blitz über den Himmel, und der berstende Donnerschlag folgte Sekundenbruchteile später.

      Und da ging plötzlich das Licht aus ...

      Von einem Augenblick auf den anderen saßen die drei Hausbewohner im Dunkeln. Der Blitz musste die elektrische Leitung zerstört haben. Auch der Ventilator an der Decke kam zum Stillstand.

      Es war stockfinster bis auf das sekundenlange Aufleuchten der gleißenden Blitze.

      ”Das hat uns jetzt gerade noch gefehlt!”, stieß Tante Margaret mit flatternder Stimme hervor und tastete sich durch den Raum. ”Irgendwo habe ich ein paar Taschenlampen verstaut. Mal sehen, ob ich sie noch finde.”

      Und wiederum fauchte eine Sturmbö vom Meer herüber, erfasste die Palmen mit brutaler Gewalt und peitschte sie gegen das Fenster. Der Regen trommelte wie wahnsinnig aufs Dach, klatschte gegen die Scheiben und verwandelte das Erdreich draußen vor der Tür in eine einzige Schlamm-Masse.

      Stühle wurden gerückt. Tante Margaret schrie leise auf, als sie gegen irgendein Hindernis stieß, und dann rief sie erfreut: ”Ich hab' sie gefunden! Hier!”

      Eine Taschenlampe flammte auf. Ihr Licht geisterte durch die Dunkelheit. ”Die könnt ihr nehmen!”, sagte die alte Dame, während sie für sich eine zweite Lampe hervorholte. ”So, damit sitzen wir wenigstens nicht in absoluter Finsternis!” Mark hielt die Lampe fest an ihrem metallenen Bügel und erkundigte sich: ”Wo sind denn hier die Sicherungen?”

      Tante Margaret trippelte voran. Im Vorraum wies sie mit dem Lichtstrahl auf ein kleines Kästchen, das in der Ecke angebracht war.

      Mark schaute hinein und stieß schnaubend die Luft aus. ”Sieht nicht gut aus. Da hat der Blitz ganze Arbeit geleistet. Die Leitungen sind alle verschmort. Heute lässt sich da nichts mehr machen.”

      Die alte Dame seufzte: ”Ausgerechnet jetzt muss das passieren, wo ihr bei mir auf Besuch seid. Es ist zum Verrücktwerden!”

      ”Beruhige dich doch, Tante Margaret!”, seufzte Mark und legte seine rechte Hand auf die Schulter der alten Dame. ”Das macht uns beiden doch nicht das Geringste aus. Im Gegenteil! So ist alles viel romantischer ...”

      ”Und gefährlicher!”, ergänzte die alte Dame mit zittriger Stimme, während ein neuerlicher Donnerschlag das Haus erbeben ließ. ”Ich werde sehen, ob ich Ramiro erreichen kann.”

      ”Nicht nötig! Den brauchen wir nicht!”, wehrte Mark ab, doch Margaret Milford war schon ins Wohnzimmer geeilt und hob den Telefonhörer von der Gabel. Das Gesicht der alten Dame zerfiel. Angst leuchtete aus ihren großen Augen. Kein Laut drang aus der Muschel. Die Leitung war tot.

      Und wiederum flammte ein feuriger Blitz übers Firmament und schlug weit draußen ins brodelnde Meer.

      Verzweifelt ließ die alte Dame den Hörer sinken.

      In diesem Moment klirrte eine Scheibe ...

      Mark und Tom zuckten zusammen. Tante Margaret schrie auf.

      ”Wird der Wind gewesen sein!”, stieß der junge Schwarze zwischen den zusammengepressten Zähnen hervor.

      ”Oder die Mörder!”, hauchte die alte Dame und schwenkte die Taschenlampe ganz aufgeregt hin und her.

      ”Komm.


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