Krakatit. Karel Čapek
sah nur das Mädchen vor sich, wie es verzweifelt den Umschlag in den bebenden Fingern hält; jetzt, jetzt blickt sie wieder auf . . . Er roch an dem Päckchen; ein zarter, ferner Duft entströmte ihm.
Er legte das Päckchen auf den Tisch und umkreiste es. Er wüßte für sein Leben gern, was sich unter diesen fünf Siegeln verbarg; sicherlich ein Geheimnis, eine wichtige, schicksalhafte Sache. Sie hatte zwar gesagt, sie tue es . . . für jemand andern, aber dabei war sie so aufgeregt gewesen . . . Trotzdem, daß sie, sie, Tomeschs Geliebte sein könnte, war fast unglaublich. Tomesch ist ein Lump, stellte Prokop mit dunkler Wut fest, ein Zyniker, der immer Glück bei den Weibern hatte. Gut, ich werde ihn finden und ihm das Liebespäckchen überbringen; aber dann Schluß damit –
Plötzlich dämmerte es ihm: Zwischen Tomesch und diesem wie hieß er denn nur, diesem verdammten Carson – zwischen den beiden mußte doch eine Verbindung bestehen! Niemand wußte oder weiß etwas von Krakatit. Georg Tomesch muß es auf irgendeine Weise ausspioniert haben. – Ein neues Bild drängte sich von selbst in den verworrenen Film der Erinnerung: Prokop spricht im Fieber (das scheint in Tomeschs Wohnung zu sein), und er, Georg, beugt sich über ihn und vermerkt etwas in seinem Notizbuch. Das war gewiß die Formel! Er hat sie im Fieber verraten, Georg hat sie ihm entlockt, hat sie ihm gestohlen und diesem Carson verkauft! Prokop war wütend über so viel Gemeinheit. Und diesem Menschen war das Mädchen in die Hände gefallen! Sie mußte unbedingt sofort gerettet werden!
Aber erst galt es, Tomesch, den Dieb, ausfindig zu machen. Er wird ihm das Päckchen übergeben und ihm dabei die Zähne einschlagen. Dann muß ihm Tomesch Namen und Wohnung des Mädchens nennen und sich verpflichten – nein: nur keine Versprechen von diesem Schuft! Nachher wird er zu ihr gehen und ihr alles sagen. Und dann wird er für immer ihren Augen entschwinden.
Zufrieden mit dieser ritterlichen Lösung stand Prokop vor dem unglückseligen Umschlag. Wenn man nur wüßte, nur eines wüßte: Ob sie Tomeschs Geliebte war? Wieder sah er sie vor sich stehen; mit keinem Blick hatte sie damals Tomeschs sündhaftes Lager gestreift. War es möglich, mit den Augen, mit diesen Augen zu lügen –
Da erbrach er die Siegel, riß den Bindfaden entzwei und öffnete den Umschlag. Banknoten und ein Brief waren darin.
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