Milly Darrell. Мэри Элизабет Брэддон
Ihre Krankheit erweckte indeß keine Besorgniß; auch hielt man sie nur unter gewissen Umständen für ansteckend. Mr. Hale, der Arzt von Thornleigh, nahm die Sache sehr leicht und versicherte uns, daß Milly in einer Woche wieder vollkommen gesund sein werde. Mittlerweile aber hütete mein liebes Mädchen das Zimmer und ich pflegte sie mit Beihilfe ihrer ergebenen kleinen Zofe.
Mr. Egerton kam täglich, gewöhnlich zweimal des Tags, um sich nach dem Befinden der Kranken zu erkundigen. Er blieb gewöhnlich eine halbe Stunde oder länger da, um sich mit Mrs. Darrell oder mir zu besprechen. Diese Krankheit ging ihm sehr nahe und er konnte die Wiederherstellung seiner Verlobten kaum erwarten. Es war ihm nicht gestattet, sie zu besuchen, da vollkommene Ruhe die Haupterforderniß für ihre Genesung war.
Die Woche war fast vorüber und Milly bedeutend besser, Sie konnte jetzt täglich einige Stunden das Bett verlassen und der Arzt versprach Mr. Egerton, daß sie zu Anfang der nächsten Woche in das Wohnzimmer hinuntergehen dürfe. Das Wetter war diese ganze Zeit über ohne Unterbrechung regnerisch gewesen. Endlich aber kam ein schöner Abend und ich ging hinunter auf die Terrasse, um mir nach der langen Gefangenschaft einige Bewegung zu machen. Es war zwischen sechs und sieben Uhr; Milly schlief und es war nicht wahrscheinlich, daß man meiner in der nächsten halben Stunde bedürfen werde.
Es herrschte bereits Dämmerung, als ich ins Freie trat und Alles war ungewöhnlich ruhig, kein Blättchen regte sich in der stillen Luft. Trotz der späten Stunde war der Abend mild und warm. Ich schritt etwa zehn Minuten lang auf der Terrasse an der westlichen Seite auf und ab und ging dann nach der andern Seite, wo sich die Fenster des Besuchs und Wohnzimmers befanden. Ehe ich das erste dieser Fenster ganz erreichte, traf ein so eigenthümlicher Ton mein Ohr, daß ich unwillkürlich stehen blieb, um zu horchen. Während des ganzen Vorgangs, der jetzt folgte, hatte ich keine Zeit zu erwägen, ob ich Recht oder Unrecht thue, wenn ich, was ich vernahm, anhörte; aber ich glaube, daß ich, wenn ich auch hinlängliche Muße zum Nachdenken gehabt hätte, zu dem- selben Entschluß gekommen wäre — ich würde gehorcht haben. Was ich hörte war von solcher Wichtigkeit für das Mädchen, das ich liebte, daß die Freundschaft für sie jede andere Rücksicht überwog.
Der eigenthümliche Ton, der mich in der Nähe des offenen Fensters zum Stehenbleiben veranlaßte, war das heftige Schluchzen eines Weibes — ein solches stürmisches Weinen, wie man es nicht leicht im Leben hört. Ich wenigstens hatte früher nie etwas Aehnliches vernommen.
Angus Egertons wohltönende Stimme unterbrach fast ärgerlich dieses leidenschaftliche Schluchzen.
»Augusta, dies ist die äußerste Thorheit.«
Das Schluchzen dauerte noch einige Secunden fort, dann hörte ich sie sagen:
»O Angus, ist es so leicht für Dich, die Vergangenheit zu vergessen?«
»Sie war längst vergessen,« antwortete er, »von uns Beiden sollte ich glauben. Als meine Mutter Dich bestach, Ilfracomba zu verlassen, hast Du meine Liebe und mein Glück für den elenden Preis verkauft, den sie zu bezahlen vermochte. Ich war ein schwacher Thor in jenen Tagen und nahm mir die Sache, Gott weiß es, bitter genug zu Herzen; aber die Lection war nützlich und sie erfüllte ihren Zweck. Ich habe mir seit jenem Tage niemals getraut, wieder ein Weib zu lieben, bis ich das reine junge Wesen fand, das meine Frau werden soll. Ihre Treue steht über allem Zweifel. Sie wird ihre Erstgeburt nicht für ein Linsengericht verkaufen.«
»Das Linsengericht war nicht für mich, Angus. Es war der Handel meines Vaters, nicht der meinige. Man hatte mir gesagt, daß Du nichts mehr von mir wissen wolltest, daß Du niemals daran gedacht habest, mich zu heirathen. Ja, Angus, Deine Mutter hat mir das mit ihren eigenen Lippen gesagt — hat mir gesagt, daß sie sich ins Mittel lege, um euch vor Elend und Schande zu retten. Und dann brachte man mich eiligst in ein wohlfeiles französisches Erziehungsinstitut, um dort zu lernen, für mich selbst zu sorgen. Ein paar Jahre Unterricht war der Preis, den ich für mein gebrochenes Herz erhielt. Das nannte Deine Mutter eine Dame aus mir machen. Ich glaube, ich würde in diesen beiden Jahren wahnsinnig geworden sein, wenn meine leidenschaftliche Liebe zur Musik nicht gewesen wäre. Dieser gab ich mich mit ganzer Seele hin, und man sagte mir, ich habe in zwei Jahren mehr gelernt, als andere Mädchen in sechs. Ich hatte nichts Anderes, um dafür zu leben.«
»Ausgenommen die Hoffnung auf einen reichen Gatten,« sagte Mr. Egerton mit spöttischem Lachen.
»O Gott, wie grausam kann ein Mann gegen eine Frau sein, die er einst geliebt hat!« rief Mrs. Darrell leidenschaftlich aus. »Ja, ich heirathete einen reichen Mann,« aber ich habe nicht das Geringste gethan, um ihn anzulocken oder zu gewinnen. Die Gelegenheit bot sich mir ohne eine Hoffnung oder einen Gedanken von meiner Seite. Es war die Gelegenheit der Erlösung von dem traurigsten Leben eines armen abhängigen Wesens, wie es nur jemals ein solches gab, und ich ergriff sie. Aber ich habe Dich niemals vergessen, Angus, keine Stunde meines Lebens.«
»Es thut mir leid, daß Du Dir die Mühe genommen hast, Dich meiner zu erinnern,« antwortete er kalt. »Mehrere Jahre meines Lebens habe ich es zu meinem Hanptgeschäft gemacht, Dich und all den Schmerz, der mit Deiner Bekanntschaft verknüpft war, zu vergessen, und da mir dies auch gelungen ist, kann ich es nicht für angemessen halten, die stehenden Gewässer jenes todten Sees, den die Menschen Vergangenheit nennen, wieder aufzuregen.«
»Wollte Gott, daß wir uns nie mehr wieder getroffen hätten,« sagte sie.
»Ich kann diesen Wunsch nur theilen, besonders wenn wir vielleicht mehrere solche Szenen haben sollten.«
»Grausam — grausam!« murmelte sie. »O Angus, ich war so geduldig gewesen! Ich habe mich selbst angesichts der Verzweiflung immer noch an die Hoffnung angeklammert. Als mein Gatte starb, glaubte ich, unsere alte Liebe würde wieder erwachen. Wie können solche Dinge sterben? Ich glaubte, Du würdest zu mir zurückkommen — zu mir, die Du einst so sehr geliebt — nicht zu diesem Mädchen. Du kamst zu ihr zurück und noch immer war ich geduldig. Ich glaubte noch immer, Deine Liebe zurückgewinnen zu können. Ja, Augus, ich hoffte noch bis ganz zuletzt. Erst denn begann ich einzusehen, daß Alles nutzlos sei. Sie ist jünger und schöner als ich.«
»Sie ist besser als Du, Augusta. Es war nicht ihre Schönheit, die mich bestochen hat, sondern etwas Edleres und Selteneres als Schönheit: es war ihr trefflicher Charakter. Je fehlerhafter wir selbst sind, desto höher verehren wir ein wahrhaft edles Weib. Aber ich will Dir nichts Hartes sagen, Augusta. Laß uns lieber diese Thorheit jetzt und für immer bei Seite setzen. Du bist Deinen Weg gegangen und hast, was weltliche Güter anlangt, Dein Ziel erreicht; laß mich jetzt auch den meinigen gehen und uns, wenn möglich, Freunde sein.«
»Du weißt sehr wohl« daß Dies nicht möglich ist. Wir müssen uns entweder Alles, oder die bittersten Feinde sein.«
»Ich werde nie Ihr Feind sein, Mrs. Darrell.«
»Aber ich werde von diesem Abend an Ihre Feindin und auch die Feindin jenes Mädchens sein. Sie glauben, ich könne ruhig zusehen, wie Sie ihr Ihre Huldigungen darbringen? Ich habe bisher nur eine Rolle gespielt. Ich glaubte, daß es in meiner Macht liege, Sie wieder zu gewinnen.«
Alles dies wurde mit einer Art leidenschaftlicher Offenheit gesprochen, als ob die Sprecherin, nachdem sie einmal die Maske abgeworfen, sich kaum darum kümmerte, wie sehr sie sich erniedrigte.
»Gute Nacht, Mrs. Darrell. Sie werden morgen über diese Dinge ruhiger nachdenken. Lassen Sie uns wenigstens höflich gegen einander sein, wenn uns die Umstände zusammenführen und, um Gottes willen, seien Sie freundlich gegen Ihre Stieftochter. Sehen Sie dieselbe nicht als Ihre Nebenbuhlerin an; meine Liebe für Sie war längst erloschen, ehe ich sie erblickte Sie brauchen ihr deshalb nicht zu grollen. Guten Abend.«
»Guten Abend.«
Ich hörte die Thüre des Zimmers öffnen und schließen und wußte, daß er fort war. Ich ging au den offenen Fenstern vorüber, da es mir gleichgültig war, ob mich Mrs. Darrell wahrnähme. Ich dachte, es möchte vielleicht besser für Milly sein, wenn ihre Stiefmutter wüßte, daß ich ihr Geheimniß kannte und gegen sie gewarnt war. Aber ich glaube nicht, daß sie mich gesehen hatte.
Ein Viertelstunde darauf kehrte ich