Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig Bechstein

Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch - Ludwig Bechstein


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»an Euerm andern Bein, der muß noch heraus!

       «

       »Ach«, klagte sie fast weinend: »der ist ganz klein,

       der schadet mir nicht zu viel! Helfe mir Gott! der, den

       Ihr schon ausgeschnitten habt, der war an allem Schaden

       Schuld. Ich bin alles Zornes ledig, und will still

       sein, laßt nur den andern ungeschnitten.«

       Da sprach die Tochter heiter zu ihrem Gatten: »Bedenket

       wohl, was Ihr tut; ich fürchte, wenn auch der

       andere Zornbraten nicht herfürkömmt, so ist die große

       Arbeit an dem einen verloren, und am Ende bekommt

       der andere Zombraten Junge, so Ihr den nicht auch

       ausschneidet.«

       »Nein, nein, liebe Tochter!« rief die Mutter,

       »sprich ihm doch zu, daß er mich unversehrt lasse, ich

       will ja gut sein!«

       »Frau Mutter«, antwortete die junge Frau: »Ihr

       gabt mir den Rat, wider meinen Mann zu streiten, ihm

       nicht untertan zu sein; darum, und daß sie meinem

       Vater so übel mitgespielt, schneidet nur ihren Zornbraten

       aus!« Und da griff der Ritter zum andern an,

       jene aber schrie: »Nein, nein! Es ist mehr als genug!

       Tochter, denke, daß ich dich unterm Herzen getragen,

       und gewinne mir Frieden von deinem Manne! Ich will

       beschwören, daß ich gütevoll leben will, und der

       milde und gerechte Gott behüte mich vor Zorn. Den

       großen Zorn hat mir der Ritter schon genommen, und

       der kleine ist keines Eies wert zu achten!«

       »Wohl«, sprach der Ritter, »begehrt sie Friedens,

       so lasse ich ab von ihr, doch gelobe sie zur Hand, daß

       wenn sie den Zorn nicht meidet, sie sich aber will

       schneiden lassen.« Hierauf ward sie aufgehoben und

       ihre Wunde verbunden.

       Und die Frau warf allen Krieg und Hader unter die

       Füße, wurde ein gut sittig Weib, ließ ab von ihrer

       bösen Heftigkeit, und als der andere Tag kam, nahm

       sie Urlaub mit ihrem Mann von dem Schwiegersohn,

       und er wünschte ihr, daß Gott sie bewahren möge vor

       allem Übel.

       Wenn sie nun nach der Hand dennoch noch manchmal

       etwa ein Wörtlein oder mehr zu ihrem Manne

       sprach, das ihm leid und unlieb war, so durfte er nur

       sagen: »Ich kann mir nicht helfen, ich muß nach unserm

       Tochtermann senden«, so wurde sie rot vor

       Furcht und sprach: »Es ist nicht not darum, sein

       Kommen wäre mir nicht zum Heile. Ich habe ja Mut

       und Sinn, zu tun, was Euch lieb ist, und rate auch

       allen Frauen, daß sie ihren Männern das entbieten,

       was ich jetzt dem meinen, so sie nämlich in Frieden

       bestehen wollen.«

       Damit hat diese Mär ein Ende, und kann davon

       eine beliebige Nutzanwendung jeder Mann und jede

       Frau sich selbst machen. Der alte Dichter aber, der

       diese Mär erzählt, gibt noch folgenden Rat:

       Wenn wer ein übel Weib hat,

       Der tu sich ihr'r in Zeit ab,

       Empfehl sie dem Ritter,

       Und leg sie auf ein'n Schlitten,

       Und kauf ihr ein Bästchen,

       Und henk sie an ein Ästchen.

       Und henk dabei

       Zwei Wölf oder drei.

       Wer sah dann ein'n Galgen

       Mit böseren Balgen?

       Es sei denn, daß wer den Teufel fing,

       Und ihn auch dazwischen hing.

       Das Nußzweiglein

       Es war einmal ein reicher Kaufmann, der mußte in

       seinen Geschäften in fremde Länder reisen. Da er nun

       Abschied nahm, sprach er zu seinen drei Töchtern:

       »Liebe Töchter, ich möchte euch gerne bei meiner

       Rückkehr eine Freude bereiten, sagt mir daher, was

       ich euch mitbringen soll?« Die Älteste sprach: »Lieber

       Vater, mir eine schöne Perlenhalskette!« Die andere

       sprach: »Ich wünschte mir einen Fingerring mit

       einem Demantstein.« Die Jüngste schmiegte sich an

       des Vaters Herz und flüsterte: »Mir ein schönes, grünes

       Nußzweiglein, Väterchen.« – »Gut, meine lieben

       Töchter!« sprach der Kaufmann, »ich will mir's aufmerken

       und dann lebet wohl.«

       Weit fort reisete der Kaufmann, und machte große

       Einkäufe, gedachte aber auch treulich der Wünsche

       seiner Töchter. Eine kostbare Perlenhalskette hatte er

       bereits in seinen Reisekofier gepackt, um seine Älteste

       damit zu erfreuen, und einen gleich wertvollen Demantring

       hatte er für die mittlere Tochter eingekauft.

       Einen grünen Nußzweig aber konnte er nirgends gewahren,

       wie er sich auch darum bemühte. Auf der

       Heimreise ging er deshalb große Strecken zu Fuß, und

       hoffte, da sein Weg ihn vielfach durch Wälder führte,

       endlich einen Nußbaum anzutreffen; doch dies war

       lange vergeblich, und der gute Vater fing an betrübt

       zu werden, daß er die harmlose Bitte seines jüngsten

       und liebsten Kindes nicht zu erfüllen vermochte.

       Endlich, als er so betrübt seines Weges dahinzog,

       der ihn just durch einen dunkeln Wald, und an dichtem

       Gebüsch vorüberführte, stieß er mit seinem Hut

       an einen Zweig, und es raschelte, als fielen Schlossen

       darauf; wie er aufsah, war's ein schöner, grüner Nußzweig,

       daran eine Traube goldner Nüsse hing. Da war

       der Mann sehr erfreut, langte mit der Hand empor und

       brach den herrlichen Zweig ab. Aber in demselben

       Augenblicke schoß ein wilder Bär aus dem Dickicht

       und stellte sich grimmig brummend auf die Hintertatzen,

       als wollte er den Kaufmann gleich zerreißen. Und

       mit furchtbarer Stimme brüllte er: »Warum hast du

       meinen Nußzweig abgebrochen, du? warum? ich

       werde dich auffressen.« Bebend vor Schreck und zitternd

       sprach der Kaufmann: »O lieber Bär, friß mich

       nicht, und laß mich mit dem Nußzweiglein meines

      


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