Wenn die Liebe hinfällt.... Christian Friedrich Schultze

Wenn die Liebe hinfällt... - Christian Friedrich Schultze


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von diesem Land am Hindukusch, in welchem gerade die westliche Kultur verteidigt wurde, zu vermitteln. Sie interessiert sich also für sowas, dachte er erstaunt.

      Es war inzwischen hoher Mittag geworden. Sie lag mit geschlossen Augen da und hörte seinen Mozart. Er packte seine Brote und seine umfunktionierte Colaflasche aus. Sie bemerkte es.

      „Ich hab auch was mit. Wollen wir picknicken?“, fragte sie.

      „Haben sie ein Trinkgefäß, ich gebe ihnen was ab“, sagte er.

      „Also, Cola trinke ich bestimmt nicht“, entgegnete sie. Sie ging zu ihrem Platz und kam mit zwei Brötchen, verschiedenem Obst, einer Flasche Mineralwasser und einem Plastikbecher zurück.

      „Kosten sie mal!“, sagte er und goss ihr den Becher halb voll mit seinem Rotwein. „Schmeckt bestimmt gut zu ´ner Käsesemmel.“

      „Ziemlich früh am Tag“, sagte sie, nachdem sie festgestellt hatte, dass es sich nicht um Cola handelte.

      „Rotwein geht immer. Beim südlichen Nachbarn bekommt man ihn schon früh am Morgen“, erwiderte er ohne jegliches Schuldbewusstsein.

      „Ist schon gut“, sagte sie und stieß mit ihm an. „Ist ja ein guter.“

      „Verstehen sie was davon?“, fragte er.

      „Eigentlich nicht, aber trockenen Rotwein trinke ich auch ganz gern.“

      Er sagte ihr nicht, wo er ihn her hatte und wie preiswert er war. Teuren leistete er sich eher selten. Sie trank den Becher ziemlich schnell aus und legte sich, mit seinem Mozart im Ohr und geschlossenen Augen, wieder hin. Ihre Wimpern waren gepflegt und die Lider leicht grünlich getönt. Er blätterte in ihrem Buch und las das erste Kapitel. War schon merkwürdig, dass sie sich für sowas interessierte. Dann schaute er wieder in die Berge.

      Sein Gleichgewicht war im Arsch. Soweit er sich erinnerte, war es das erste Mal in seinem Leben, dass ihn eine Frau so direkt angesprochen hatte. Welchen Wahn sein Zombie aber auch erzeugen mochte, es war offensichtlich, dass sie nicht zusammen passten. Was mochte sie angetrieben haben, auf seine Decke, also - genauer gesagt, an seine Decke, zu kommen und ihm seinen Mozart abzuluchsen? Wahrscheinlich wollte sie nur seinen Platz. Es war der Beste.

      „Also, ich kann nicht einschlafen bei solcher Musik. Ist einfach zu schön“, sagte sie nach vielleicht einer dreiviertel Stunde und richtete sich dabei halb auf. Sie gab ihm den Player zurück. Er schaltete ihn aus, packte ihn in die Hülle und steckte ihn in seinen Rucksack.

      „Ich muss jetzt los. Ich bin auf ´ne Feuerwehrparty in Steinbach eingeladen. Wollen sie nicht vielleicht auch hinkommen. Ist ja nicht weit von hier“, sagte sie. Das Dorf war ungefähr fünfzehn Kilometer von Unterbach, wo er wohnte, entfernt, und gehörte zur Verwaltungsgemeinschaft.

      Er sagte: „Glaub nicht, dass mich Feuerwehrfeste interessieren.“

      „Na ja, ist schon klar. Kann ich aber ihre Nummer haben? Sie könnten mich ja mal durch die Gegend fahren. Ich bin noch nicht sehr lange hier. Sie sehen so aus, als ob sie sich auskennen.“

      „Ich hab kein Auto, ich fahre Fahrrad oder wandere“, knurrte er.

      „Mountainbike und Bergwandern sind okay, mache ich auch manchmal“, sagte sie. „Kriege ich nun ihre Nummer?“

      „Nur, wenn sie mir ihre auch geben“, sagte er.

      Sie schnappte sich ihr Badetuch und ihr Buch und ging zu ihrem Platz. Dann rannte sie runter zum See, tauchte kurz unter und schwamm eine Weile herum. Danach ging sie zu ihrem Platz, frottierte sich und zog sich an. Sie machte dabei wenig Umstände, stellte sich dicht an die junge Lärche und er sah sie kurz nackt von hinten. Der Zombie war zufrieden. Nachdem sie ihre Sachen in ihre Umhängetasche gepackt hatte, kam sie mit einem Zettel zu ihm herüber. Sie gab ihm das Papierstück mit der Telefonnummer und hielt ihm ein kleines Notizbuch hin, in das er seine hineinschrieb. Dann verabschiedete sie sich, ohne ihm die Hand zu geben.

      „Na, dann tschüs, vielleicht kommen sie doch noch nach Steinbach, es ist im Saal des Bürgerhauses.“

      Er steckte den Zettel in die Seitentasche seines Rucksacks. Als sie verschwunden war, ging er ohne Hast hinunter zum See, schwamm eine große Runde, bis ihm kalt wurde und setzte sich dann, nachdem er sich abgetrocknet und seine Shorts angezogen hatte, auf seine Decke. Wieder schaute er lange in die Berge, die inzwischen deutliche Schatten in die Schluchten warfen, und versuchte, den Zombie anzuketten, der in ihm rumorte. Was mochte diese Sue geritten haben, dass sie einfach so auf seine Decke - okay, es war nur bis an seine Decke gewesen – gekommen war?

      Früh um drei wachte er auf. Er hatte geträumt, dass er mit Claire geschlafen hatte. Er hatte ins Bett ejakuliert und hatte immer noch einen Steifen. Das war ihm lange nicht mehr passiert. Im Allgemeinen masturbierte er, wenn er merkte, dass es notwendig wurde, seine Sexualhygiene zu steuern. Dabei half es ihm, wenn er an heiße Szenen dachte, die er mit einer seiner Verflossenen erlebt hatte. Oder er legte sich einen Porno in den Videoplayer.

      Er konnte sich über sein vergangenes Liebesleben nicht beschweren. Es hatte wilde Zeiten gegeben! Und er hatte erfahren, dass die Frauen, mit denen er liiert gewesen war, stets auch selber ihre Höhepunkte gesucht hatten. Mit der Zeit hatte der Drang bei ihm aber nachgelassen. Ob das nun am zunehmenden Alter lag oder an abnehmender Neugier, konnte er sich nicht richtig beantworten. Bis zur zölibaten Enthaltsamkeit hatte er es freilich noch nicht geschafft. Aber er war gottseidank doch viel ruhiger geworden in den letzten Jahren. Die Leidenschaft hatte deutlich nachgelassen! Wie machten das die katholischen Würdenträger, die Eremiten und solche? Und nun das! Er säuberte sich und das Bett. Pheremone, die geheimen Düfte?, dachte er.

      Am Montag erschien eine SMS auf seinem Handy: „schade dass du nicht da warst, wollen wir mal radfahren? lb gr sue.“ Der Zombie knallte aus der Kette. Oskar wusste, dass es nur Chemie war. Er hatte sich mit Neurologie beschäftigt. Er kannte einiges über die Zusammenhänge zwischen Bewusstsein, Instinkten, Trieben, Gefühl und Verstand. Und den noch unbewussteren Tiefen des Gehirns. Neuerdings fürchtete er sich vor diesen Gefühlen.

      Er schrieb eine SMS zurück, in der er einen Treffpunkt vorschlug. Sie funkte Einverständnis zurück.

      Er war mit dem Bus rüber nach Steinbach gefahren und hatte sein altes Fahrrad mitgenommen, mit dem er schon mit Lina, der Nachzüglertochter, die er mit Claire hatte, durch die Welt kutschiert war. Der Kindersattel befand sich immer noch auf der Querstange und die Fußrasten und Fußschützer zierten unbebutzt die Vorderradgabel. Nur eine bessere Gangschaltung hatte er sich einbauen lassen. Sue hatte ein ziemlich neues Mountainbike. Sie sah absolut geil aus auf diesem Teil in ihren engen Pantalons und mit der hellen Schirmmütze, aus der hinten ihr blonder Pferdeschwanz herauswehte.

      Er hängte sie auf dem neu angelegten, hoch ins Höllengebirge führenden Radweg locker ab und musste ab und zu auf sie warten. Es sah schön aus, wenn sie ein paar Minuten nach ihm ganz erhitzt den Weg hochkam. Ihre Kondition war schlecht. Wer weiß, wann sie das letzte Mal Rad gefahren war. Sie fuhr wahrscheinlich nur wegen ihm mit! Als sie am Hürtlerhof angekommen waren und er ihr gerade eine Stelle fürs Picknick vorschlagen wollte, klingelte ihr Handy.

      „Ich bin mal mit dem Rad los. Nein, ohne Marc. Du fährst ja nie mit“, sagte sie. Nach einer kurzen Pause: „Okay, wir können uns in Steinbach an der Feuerwehr treffen, so in einer halben Stunde.“

      „Ich muss weg“, sagte sie, nachdem sie das Handy wieder verstaut hatte. „Tut mir leid, ich erklär´s dir später. Ich melde mich. Sei nicht böse.“

      Sie sagte kurz tschüs und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die linke Wange. Den Weg hinab würde es schnell und von alleine gehen. Das war am Mittwoch gewesen. Zum Reden waren sie nicht gekommen. Er würde sie nicht anrufen, schwor er sich. Er war sauer und das ärgerte ihn noch mehr. Aber wenn sie ein Abenteuer suchte, warum nicht. Wäre sogar einigermaßen ideal, eine verheiratete Frau, die ab und zu mit ihm schlief und ihn sonst nicht weiter beanspruchte. Am Freitag kam eine neue SMS an: „am sonnabend ist wieder schwof im bürgerhaus. würde mich wahnsinnig freuen, wenn du kämst. lb


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