Winnetou Band 1. Karl May

Winnetou Band 1 - Karl May


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als Bancroft kaum mehr lallen

       konnte. Seine Zechgenossen hatten gleichen Schritt mit ihm gehalten und waren nicht minder betrunken

       als er. Von dem beabsichtigten Ritte konnte für jetzt keine Rede sein. Die Kerls taten, was sie in diesem

       Zustande stets getan hatten: sie krochen hinter die Büsche, um auszuschlafen.

       Was nun tun? Der Bote mußte fort, und diese Menschen schliefen nun jedenfalls bis weit in den

       Nachmittag hinein. Es war am besten, ich unternahm den Ritt; aber konnte ich fort? Ich war überzeugt,

       daß bis zu meiner Rückkehr nach voraussichtlich vier Tagen von Arbeit keine Rede sein werde. Während

       ich mit Sam Hawkens mich darüber beriet, deutete er mit der Hand nach Westen und sagte:

       »Wird nicht nötig sein, daß Ihr reitet, Sir. Könnt die Botschaft den Beiden mitgeben, welche dort

       kommen.«

       Als ich in die angegebene Richtung blickte, sah ich zwei Reiter, welche sich uns näherten. Es waren

       Weiße, und in dem einen erkannte ich einen alten Scout Pfadfinder., welcher schon einige Male bei uns

       gewesen war, um uns von der nächsten Sektion Nachricht zu bringen. Neben ihm ritt ein jüngerer Mann,

       welcher nicht wie ein Westläufer gekleidet war. Den hatte ich noch nicht gesehen. Ich ging ihnen

       entgegen; als ich sie erreichte, hielten sie ihre Pferde an, und der Unbekannte fragte mich nach meinem

       Namen. Als ich ihm denselben genannt hatte, betrachtete er mich mit freundlich forschendem Blicke und

       sagte:

       »So seid Ihr also der junge, deutsche Gentleman, der hier alle Arbeit tut, während die Andern auf der

       faulen Haut liegen. Ihr werdet wissen, wer ich bin, wenn ich Euch meinen Namen sage, Sir. Ich heiße

       White.«

       Das war der Name des Dirigenten der westlich nächsten Sektion, zu welchem der Bote hatte geschickt

       werden sollen. Daß er selbst kam, mußte einen Grund haben. Er stieg vom Pferde, gab mir die Hand und

       ließ sein Auge suchend über unser Lager schweifen. Als er die Schläfer hinter den Büschen und dann

       auch das Branntweinfaß erblickte, ging ein verständnisvolles, aber keineswegs freundliches Lächeln über

       sein Gesicht.

       »Sind wohl betrunken?« fragte er.

       Ich nickte.

       »Alle?«

       »Ja. Mr. Bancroft wollte zu Euch, und da hat es einen kleinen Abschiedstrunk gegeben. Ich werde ihn

       wecken und «

       »Halt!« fiel er mir in die Rede. »Laßt sie schlafen! Es ist mir lieb, daß ich mit Euch reden kann, ohne daß

       sie es hören. Gehen wir zur Seite, und wecken sie nicht auf! Wer sind die drei Männer, die dort bei Euch

       standen?«

       »Sam Hawkens, Will Parker und Dick Stone, unsere drei zuverlässigen Scouts.«

       »Ah, Hawkens, der kleine, sonderbare Jäger. Tüchtiger Kerl; habe von ihm gehört. Die Drei mögen mit

       uns kommen.«

       Ich folgte dieser Aufforderung, indem ich sie zu uns winkte, und erkundigte mich dann:

       »Ihr kommt selbst, Mr. White. Ist's etwas Wichtiges, was Ihr uns bringt?«

       »Nichts weiter, als daß ich hier einmal nach dem Rechten sehen und mit Euch, grad mit Euch reden

       wollte. Wir sind mit unserer Sektion fertig, Ihr mit der Eurigen noch nicht.«

       »Daran tragen die Schwierigkeiten des Terrains die Schuld, und ich will «

       »Weiß, weiß!« unterbrach er mich. »Weiß leider alles. Wenn Ihr Euch nicht dreifach angestrengt hättet,

       so stände Bancroft noch da, wo er angefangen hat.«

       »Das ist keineswegs der Fall, Mr. White. Ich weiß zwar nicht, wie Ihr zu der irrtümlichen Ansicht

       gekommen seid, daß ich allein fleißig gewesen sein soll, doch ist es meine Pflicht «

       »Still, Sir, still! Es sind Boten zwischen Euch und uns hin und her gegangen; die habe ich ausgehorcht,

       ohne daß sie es bemerkten. Es ist sehr edelmütig von Euch, daß Ihr diese Säufer hier in Schutz nehmen

       wollt, aber ich will die Wahrheit hören. Und da ich sehe und höre, daß Ihr zu nobel seid, sie mir zu sagen,

       werde ich nicht Euch, sondern Sam Hawkens fragen. Setzen wir uns hier nieder!«

       Wir waren nach unserm Zelte gegangen. Er setzte sich vor demselben in das Gras und winkte uns,

       dasselbe zu tun. Als wir dieser Aufforderung nachgekommen waren, begann er, Sam Hawkens, Stone und

       Parker auszufragen. Sie erzählten ihm alles, ohne zur Wahrheit ein überflüssiges Wort zu fügen; dennoch

       warf ich hier und da eine Bemerkung ein, um gewisse Härten zu mildern und meine Kollegen zu

       verteidigen, doch verfehlte dies den beabsichtigten Eindruck auf White. Er bat mich im Gegenteil

       wiederholt, diese meine Bemühungen einzustellen, da sie vollständig erfolglos seien.

       Dann, als er alles wußte, forderte er mich auf, ihm unsere Zeichnungen und das Tagebuch zu zeigen. Ich

       brauchte ihm diesen Wunsch nicht zu erfüllen, tat es aber dennoch, weil ich ihn sonst beleidigt hätte, und

       ich sah doch, daß er es gut mit mir meinte. Er sah alles sehr aufmerksam durch, und als er mich danach

       fragte, konnte ich nicht leugnen, daß ich allein der Zeichner und Verfasser war, denn keiner von den

       Andern hatte einen Strich getan oder einen Buchstaben geschrieben.

       »Aber aus diesem Tagebuche ersieht man nicht, wie viel oder wie wenig Arbeit auf den Einzelnen

       kommt,« sagte er. »Ihr seid in Eurer löblichen Kollegialität viel zu weit gegangen.«

       Da bemerkte Hawkens mit pfiffigem Gesichte:

       »Greift ihm doch mal in die Brusttasche, Mr. White! Da steckt ein blechernes Dings, worin Ölsardinen

       gewesen sind. Die Sardinen sind heraus, aber dafür steckt etwas Papiernes drin. Wird wohl sein

       Privattagebuch sein, wenn ich mich nicht irre. In diesem wird es ganz anders lauten als hier in dem

       offiziellen Berichte, in dem er die Faulheit seiner Kollegen vertuscht.«

       Sam wußte, daß ich mir private Aufzeichnungen gemacht hatte und sie in der leer gewordenen

       Sardinenbüchse bei mir trug. Es war mir unangenehm, daß er es sagte. White bat mich, ihm auch das zu

       zeigen. Was sollte ich tun? Verdienten es meine Kollegen, daß ich mich für sie plagte, ohne Dank zu

       finden, und dies dann auch noch verschwieg? Ich wollte ihnen keineswegs schaden, aber auch nicht

       unhöflich gegen White sein. Darum gab ich ihm mein Tagebuch, doch unter der Bedingung, daß er zu

       niemand von dem Inhalte spreche. Er las es durch, gab es mir dann zurück und sagte:

       »Eigentlich sollte ich die Blätter mitnehmen und an der betreffenden Stelle abgeben. Eure Kollegen sind

       ganz unfähige Menschen, denen kein einziger Dollar mehr ausbezahlt werden sollte; Euch aber müßte

       man dreifach bezahlen. Doch, wie Ihr wollt. Nur mache ich Euch darauf aufmerksam, daß es gut für Euch

       sein wird, diese Privatnotizen gut aufzuheben. Sie können Euch später leicht von großem Nutzen sein.

       Und nun wollen wir die famosen Gentlemen


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