Die Pueblo-Kulturen. Werner-Wolf Turski

Die Pueblo-Kulturen - Werner-Wolf Turski


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Zeichen der Verbundenheit überbracht, geschenkt, übergeben oder eventuell untereinander ausgetauscht wurden.

       1.8. Die Subsistenzwirtschaft / 1.8.1. Das Klima

      1.8.1. Das Klima

      Die Subsistenzwirtschaft ist unabdingbar mit der natürlichen Umwelt verknüpft, zu der auch alle ihre mehr oder minder wechselnden oder relativ konstanten klimatischen Erscheinungen und ihre Auswirkungen auf das Biotop zählen. In der konkreten Umwelt auftretende Klimazustände und -veränderungen beeinflussen die Tier- und Pflanzenwelt quantitativ und qualitativ und dementsprechend auch deren Wechselwirkung. Sie gedeihen in für sie günstigen Räumen/Gunsträumen, die zumindest die einfache biologische Reproduktion sichern. Wenn dieser Zustand für eine Spezies nicht gewährleistet ist, stirbt sie im konkreten Bereich mehr oder minder schnell aus oder verändert sich und ihre Ansprüche mehr oder minder schnell dahingehend, trotz einer ökologischen Veränderung in der neu angepassten Form weiter existieren zu können.

      Seit „Ende“ der Eiszeit in Nordamerika („Stichtag“: 10.000 v.d.Z.) trat im nordamerikanischen Südwesten eine allmähliche Erwärmung und Austrocknung ein, die zwischenzeitlich wieder durch kühlere und feuchtere Phasen unterbrochen wurde. Das prinzipielle heutige semiaride und aride Klimamuster dieses Raumes hatte sich um ca. 2000 v.d.Z. eingestellt, aber auch danach gab es mit regional unterschiedlicher Ausprägung feuchtere und trocknere, kühlere und wärmere Perioden. Je nach der Topographie gab es Gebiete mit sehr unterschiedlichen Ökozonen, die höhenbedingt ein unterschiedliches Temperatur- und Niederschlagsmilieu mit entsprechenden Biotopen hatten. Es gab aber auch große, relativ einförmige trockene Gebiete, in denen die mäandernden Flüsse oasenhafte Flutebenen schufen.

      Die zögerlich abfließenden und dadurch die Bodenfeuchtigkeit und den Grundwasserstand erhöhenden Winterniederschläge und die reißend herabstürzenden heftigen Sommerstürme und –gewitter mit ihrer extrem erodierenden Kraft konnten ihre Wirksamkeit für die Natur und auch für den nutzenden Menschen nur als langzeitige Tendenzen in Form der Baumringbreiten oder auch im Stalaktitenwachstum für heutige Wissenschaftler unter Vorbehalt „lesbar“ hinterlassen. Aber für einen Baum ausreichende Niederschläge können nicht aussagen, wann und warum Dutzende Maisgenerationen erfroren, vertrockneten und/oder weggespült wurden und welche Temperaturen und Feuchtigkeiten den allgemein vom Menschen genutzten Pflanzen schädliche Ungeziefer und Pflanzenkrankheiten brachten. Deshalb ist die Menschen „vertreibende“, neue Gunsträume zu suchende Auswirkung von ökologisch komplex auftretenden Veränderungen für die prähistorische Zeit des nordamerikanischen Südwestens trotz heute gut ausgefeilter und statistisch gesicherter Baumring- und Holzanalysen in ihren unmittelbaren Detailauswirkungen auf Mensch, Tier und Pflanze nicht greifbar und bietet Raum für weitgehend fruchtlose Spekulationen.

      Bestimmte klimatische Großereignisse wie die von 1276 bis 1299 u.Z. auf dem nördlichen Colorado Plateau wirkende Dürre und die in diesem Zeitraum bis 1300 u.Z. erfolgte Preisgabe dieses Gebietes durch die Northern San Juan Anasazi sind sehr offensichtlich miteinander verknüpft, aber die Details, wer, wann, wo etwas aufgab und wohin zog, sind nicht zu belegen. Die Dürre und die Preisgabe dieses Gebietes sind ein Fakt. Fakt ist aber auch, dass nach dieser Preisgabe Num-sprachige Menschengruppen in dieses Gebiet zogen und offensichtlich für ihre Bedingungen und ihre Populationsgröße ausreichend Nahrungsstoffe fanden. Ihre Ansprüche waren anders und die registrierte Dürre war auch wieder vorbei. Die Anasazi wussten aber (wie auch unsere heutigen Klimaexperten) nicht, wann eine Dürre vorbei ist. Sie wussten nur, wann die Nahrungsstoffressourcen und –vorräte zum Überleben nicht mehr ausreichen. Sie hatten das Glück und die Freiheit, neue Lebens- und Gunsträume - sicher nicht stressfrei - zu suchen und zu finden. (Heute wären sie Wirtschaftsflüchtlinge!)

      Auch in kleinräumigeren Bereichen steht das „Klima“ mit für „Gunstraum“, aber trotzdem ist nicht belegbar, warum das Pajarito Plateau unmittelbar westlich des Rio Grande von 1100 bis 1500 u.Z. ein von Bodenbauern geschätzter Gunstraum war und die Flüsse in diesem Bereich inklusive Rio Grande von den Bodenbauern weitgehend gemieden wurden, während danach der menschlich genutzte Gunstraum vom Plateau zum Flussbereich wechselte. Es muss dafür also etwas mehr als nur von Baumringbreiten abschätzbare Niederschlagstendenzen gegeben haben. Nicht das „Klima“ primär vertreibt den Menschen, sondern die Möglichkeit und Fähigkeit zur ausreichend schnellen Anpassung an die sich verändernden ökologischen Bedingungen – in letzter Konsequenz war die „Flucht“/Abwanderung die einzig mögliche Chance zum Überleben. Mit mehr oder minder großer Ursachenhärte war der Gunstraumwechsel im nordamerikanischen Südwesten mit mehr oder minder starken „Völkerwanderungserscheinungen“ eine völlig normale Lebenserscheinung. (Sie ist es auch heute in der Industriegesellschaft. Der Mensch zieht dorthin, wo er mit Arbeit seinen Lebensunterhalt sichern kann.)

      Über klimatisch initiierte Ursachen für den Kollaps einer regionalen Kultur wird in der Literatur viel und auch sachlich diskutiert. Polemisch wird dagegen die Diskussion oft, wenn es um die vereinzelt durchaus mögliche Überlastung des Ökosystems durch den Menschen geht, meist gekoppelt mit einer auf die allgemeinen biologischen Wachstumsbedingungen negativ wirkenden Klimaveränderung, wie z.B. im Gebiet des in der Wüste versickernden Mimbres River.

      Man trifft in einschlägiger Literatur immer wieder auf die sinngemäße Bemerkung: Die Chaco Kultur hat praktisch in ihrem erweiterten Einflussbereich für die Errichtung ihrer 13 (!) Großhäuser die Wälder abgeholzt (man spricht von 200.000 Bäumen) und damit selbst die Dürre/Verwüstung verursacht, die zum Kollaps ihrer Kultur führte.

      Ich weiß nicht, wie diese Zahl entstanden ist. Stamm ist auch nicht gleich Dachbalken. Wurden die vielen Kleinhäuser, die zeitgleich bestanden, mit berücksichtigt? Wurde beachtet, dass die Anasazi Baumaterial (dazu zählten auch die Dachbalken) von nicht mehr genutzten Räumen für neue Bauten wiederverwendeten? Was bleibt von der beeindruckenden Zahl von 200.000 Bäumen übrig, wenn man sie auf die Dauer der Kultur von 200 Jahren und auch der Bauzeiten aufteilt? Wie groß war der Wald- und Baumbestand im Chaco-Gebiet in der niederschlagsreicheren Zeit nach 900 u.Z.? Diese Fragen sollen einfach mal im Raum stehen, wenn anstelle einer möglichen sachlichen Diskussion (mit sehr viel offenen Fragen!) aus irgendwelchen Gründen Polemik entsteht.

      Fast völlig außer Acht gelassen wird eine gerade in semiariden Gebieten häufige Naturerscheinung – der Waldbrand. Ein Waldbrand kann vernichtend bis lebenserneuernd wirken. Wenn er auf die Feldflächen eines Pueblos übergreift, geht es an die Lebenssubstanz der Menschen, selbst wenn in der Pueblo-Umgebung alles brennbare Material schon für die Hausfeuer aufgesammelt worden war und das Pueblo durch einen solchen Brand evtl. nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. Waldbrände archäologisch nachzuweisen ist natürlich problematisch. Es gibt jedoch ein sehr gutes und auch gut untersuchtes Beispiel dafür im Mesa Verde N.P. Dieses sogenannte Morefield Reservoir war ein 4,9 m hoher, fremdartig erscheinender Erdhügel mit einem Volumen von ca. 12.000 m³. Dieser Mound hat einen Basisdurchmesser von 67 m und einen Kuppendurchmesser von 39,5 m. Der Hügel und eine zu ihm führende „Rampe“ von 433 m sind wie eine umgekehrte Bratpfanne mit Handgriff geformt. Diese scheinbaren Erdbauwerke sind die sedimentativen Aufhäufungen über 350 Jahre eines ursprünglich in den Canyonboden eingetieften Wasserreservoirs der ortsansässigen Anasazi aus der Zeit ab 750 u.Z. Das Reservoir war von der flussauf in mehreren Wohnstätten lebenden Anasazi-Gemeinschaft von ca. 500 Personen erbaut und über 350 Jahre unterhalten und genutzt worden. Diese Menschen waren Bodenbauer, die in ihrem Gebiet ca. 51 ha Boden bewirtschafteten (1000 m²/Person).

      Durch die Sedimentationsuntersuchung an diesem Hügel ermittelte man für die 350 Jahre seiner Nutzungsdauer 14 große Waldbrände (14 Holzkohleschichten im Hügelsediment) in seinem 10 km² großen Wassereinzugsgebiet, das entspricht einem Waldbrand aller 25 Jahre. Es gab auch durchschnittlich alle 17 Jahre ein besonders schweres Hochwasser. Die Waldbrände initiierten ein sehr starkes Ansteigen der Regenwasserabflüsse auf das 5- bis 6-fache und ein Ansteigen der Sedimentationsrate. Die Walddichten schwankten. Der Niederschlag betrug in der Zeit von 750 bis 1100 u.Z. ca. 457 mm/a. Dieses Beispiel illustriert für ein kleines Gebiet die Erscheinung von


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