Kannst Du lieben?. Alice Zumbé

Kannst Du lieben? - Alice Zumbé


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nach Hause einzuladen, denn wir wollten beide diese Nacht nicht getrennt voneinander verbringen. Ohne ins Detail gehen zu wollen, möchte ich nur soviel verraten. Nach ungefähr neun Monaten ohne Sexualität, war es der perfekte Mann und der perfekte Moment des körperlichen Austauschs. Er zeigte sich einfühlsam und ließ mir den Raum und die Zeit, die ich brauchte, um mich frei zu entfalten. Wir verbrachten eine wunderschöne Nacht mit viel Nähe und ich erlangte mein körperliches und seelisches Gleichgewicht wieder.

      Am nächste Morgen wachten wir gemeinsam auf, machten uns fertig, verließen das Haus und begaben uns zum Café, um uns mit Nina zu treffen. Ich fühlte mich berauscht und noch verknallter, als zwei Tage zuvor. Gleichzeitig spürte ich das Verlangen, die Sehnsucht in mir, das Vergangene wieder erleben zu wollen. Die Leichtigkeit unseres Umgangs miteinander und das Wissen um die Abreise verstärkten dieses Gefühl. Plötzlich war er da. Dieser Hauch von Angst nicht loslassen zu wollen. Um dem zu entfliehen, fragte ich ihn, ob er auch den kommenden Abend mit mir verbringen wollte und weil er auch diese Frage bejahte, fühlte ich mich wieder sicher und verließ Nina und ihn, um noch ein paar Dinge zu erledigen. Doch der Moment der Leichtigkeit war verloren und wich einer leichten Anspannung, die ich jedoch nicht wahr haben wollte. So verlor ich mich immer mehr in die Illusion der Zukunft und verließ ein Stück die gegenwärtige Realität.

      Am Abend machte ich mich zur verabredeten Zeit auf den Weg zu Nina, um ihn abzuholen. Nach einem kurzen Gespräch zu dritt verließen wir Nina und gingen zum Hafen, da er den Wunsch geäußert hatte noch etwas draußen zu verweilen. Wir redeten viel miteinander. Über dies und das, über belangloses, aber auch tiefsinniges. Doch nie über uns und das Geschehene der vergangenen Tage. Ich hatte nicht den Mut es anzusprechen und wollte einfach nur den Moment genießen, wiederholen, was ich mit ihm zuvor erlebt hatte. In meinen Gedanken schwang allerdings auch schon der Abschied mit, der vor uns lag und der mir die Leichtigkeit nahm. Wir machten uns auf den Weg zu mir nach Hause, redeten dort weiter bis zu dem Moment, in dem mich die Sehnsucht nach körperlicher Nähe einholte und ich sie auch bekam.

      In der Nacht erwachte ich aus einem Traum, der die Angst vor dem bevorstehenden Abschied widerspiegelte. Er hatte einen leichten Schlaf, wachte ebenfalls auf und fragte mich, was los sei. Zum ersten Mal sprachen wir über uns, doch hatte ich nicht den Mut zu sagen, dass ich mich verliebt hatte, denn ich hatte Angst vor Zurückweisung, vor dem Ende dieser Geschichte. Er sagte mir, dass unsere gemeinsame Zeit sehr schön für ihn war, er jedoch auch wieder abreisen musste, was bedeutete, dass 650 Kilometer zwischen uns lagen. Für ihn unüberbrückbar. Für mich nur ein Gedanke: Liebe ist doch grenzenlos.

      Der Abschied nahte und ich versuchte es so zu nehmen, wie es war. Am Morgen standen wir auf, jeder machte sich fertig und wir verließen das Haus. Dies war nun der letzte Moment, in dem wir voreinander standen. Die Sonne strahlte. Ein letzter Kuss, eine innige Umarmung und letzte Worte der gegenseitigen Dankbarkeit für das Erlebte. Dann trennten sich unsere Wege. Ich blickte noch ein letztes Mal zurück bevor ich mich auf das Fahrrad schwang und davon fuhr.

      Er ging zurück zu Nina, um seine Sachen zu packen und schließlich den Heimweg anzutreten. Nina begleitete ihn ein Stück auf dieser Fahrt, da sie beruflich in die gleiche Richtung musste. Dies bedeutete für mich, dass ich sie in den nächsten Tagen nicht sah und so auch nicht mit ihr über meine Gefühle und das Erlebte sprechen konnte. Damals fehlte mir dieser Austausch mit ihr, der mir bis heute sehr viel bedeutet, da sie mir aufmerksam zuhört, ich mich ihr mitteilen kann und oft dadurch mehr Klarheit über das bekomme, was mich gerade bewegt. Es ist eine tiefe, freundschaftliche Liebe, die uns verbindet und die vor allem für mich so bedeutungsvoll ist, weil sie bedingungslos ist. Wir lieben uns so, wie wir sind.

      Nun ja, so musste ich mich nun erst einmal selber mit der Situation auseinandersetzen. Zunächst beschwingte mich das schöne Gefühl aus den gemeinsamen Stunden mit ihm so sehr, dass ich meinte ganz gut klar zukommen. Doch dieser Zustand sollte mir nur für kurze Zeit gewährt sein. Ich konnte und wollte einfach nicht loslassen. So kam es, wie es kommen musste. Zum zweiten Mal schlug der Blitz ein. Doch diesmal war es die Sehnsucht, die mich heimsuchte. So gewaltig, dass es schmerzte, ja, weh tat. Ich verlor mich im Rausch des Verliebtseins, verlor meine Selbstsicherheit, versuchte wieder Kontrolle über mich und diese Gefühle zu bekommen und Einfluss auf meine Zukunft zu nehmen.

      Zwei Tage später hielt ich es kaum noch aus und rief ihn schließlich an, nachdem ich mich mit Nina telefonisch ausgetauscht und ihr von meiner Sehnsucht erzählt hatte. Dieses erste Gespräch mit ihm fühlte sich gut an. Es war schön seine Stimme zu hören und er freute sich über meinen Anruf. Wir redeten, lachten, erfreuten uns an dem Gehörten und erzählten uns Geschichten. Die Zeit verging wie im Flug und für mich waren es zwei Stunden voller Hochgefühl. Wir verabschiedeten uns und verabredeten uns für weitere Telefonate in den nächsten Tagen. Meine Sehnsucht war gestillt und ich fühlte mich zufrieden und glücklich.

      Die Zeit zwischen den Anrufen gab ich mich meinem Liebesrausch vollends hin und wies alle Symptome auf, die das Verliebtsein so mit sich brachte. Meine Endorphine tanzten mit dem Dopamin im Sekundentakt, das Adrenalin rief: „Hallo, hier bin ich.“ immer dann, wenn wir telefonierten und es machte sich eine Appetitlosigkeit breit, weil ich mir selbst genug war. Mein Verstand sprudelte über vor Träumen, Wunschvorstellungen und Fantasie. Eine davon war es, ihm zu beweisen, dass Liebe grenzenlos ist und die Kilometer, die zwischen uns lagen, dies beinhaltete. Außerdem hatte ich den unsagbaren Wunsch ihn wiederzusehen.

      In den folgenden Tagen bekam ich ein Angebot nach Berlin zu fahren. Dieser Umstand beflügelte sofort meine Fantasie, da er nicht allzu weit von dort entfernt wohnte. Für mich öffnete sich eine Tür, eine tatsächliche Möglichkeit in Betracht zu ziehen ihn zu besuchen. Ach was... Möglichkeit. Ich tat nun alles dafür meinen Traum wahr werden zu lassen, weil ich es so sehr wollte. Also organisierte ich alles notwendige und schrieb ihm eine Nachricht, dass ich ihn besuchen wollte und fragte ihn, ob er damit einverstanden ist. Er war es und mein Herz sprang vor Freude auf und ab. Ich spürte eine maßlose Energie in mir.

      Die stundenlangen Telefonate mit ihm in dieser Zeit strahlten vor Euphorie, waren beschwingt von interessanten Geschichten rund um unser Leben. Ich lernte viel über ihn und seine Umgebung kennen und saugte jedes Wort wie einen Schwamm auf. Ich fühlte mich wie ein Wellenreiter, der von einer zur nächsten Welle sprang ohne an ein Ende zu denken oder darauf zu achten, wie groß die nächste Welle ist. Ich wollte immer weiter und höher hinaus und der Liebesrausch war unersättlich. Ich fühlte mich süchtig danach.

      Was ich dann auch ignorierte waren die Nebenwirkungen, die jeder Rausch mit sich bringt. In meinem Fall war es das Rauschen in meinem linken Ohr, das sich besonders nach den stundenlangen Telefonanrufen bemerkbar machte. Einige Jahre zuvor hatte ich unter anderen Umständen zwar schon einmal einen Hörsturz erlebt, doch in diesem Moment dachte ich nicht daran und wollte mich auch nicht näher damit auseinandersetzen.

      Mit Nina tauschte ich mich in diesen Tagen viel über die Liebe aus. Wir erzählten uns unsere Lebensgeschichten dazu, redeten über unsere Gefühle und über unsere Gedanken von damals und heute. Alles veränderte sich.

      Ungefähr eine Woche nach unserem ersten Telefonat und ein Paket später, das ich ihm zugeschickt hatte und in dem sich eine Flasche Gingerbier zur Erinnerung an unseren Abend in der Cocktailbar befand, telefonierten wir geschlagene sechs Stunden miteinander. Es war das Wochenende vor „Tanz in den Mai“ und so erzählte er mir, wie er mit Freunden geplant hatte den Dienstagabend zu verbringen und zu feiern. Irgendetwas in mir hörte seinen Worten zu und gab mir ein ungutes Gefühl, ohne zu wissen, warum es so war. In den nächsten zwei Tagen ließ mich dieses Gefühl nicht mehr los, sondern verstärkte sich noch. Es gab mir den Anlass dazu früher als geplant zu ihm zu fahren. Ich wollte herausfinden was mich dort erwartet, wenn ich ihm gegenüber trat und eines wollte ich auf gar keinen Fall mehr: warten. Ich hatte keine Geduld mehr und schon längst keine Kontrolle mehr über diesen Liebesrausch. Und ich musste es jetzt tun. Jetzt oder nie.

      So packte ich meine Sachen für ein paar Tage zusammen – ich wusste nicht, wie lange ich bleiben würde – und war am Dienstagmorgen bereit, um zu ihm zu fahren. Zuvor traf ich mich allerdings noch mit Nina im Café, weil unsere Freundin Carol Geburtstag hatte und wir sie mit Kuchen und Gesang dort überraschen wollten. Sie lieh mir außerdem


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