Die Millionengeschichte. Edgar Wallace

Die Millionengeschichte - Edgar Wallace


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Mr. Harry Leman war nicht zu Hause gewesen, und in der Zwischenzeit hatte sie ihn unterhalten. Später hatten sie sich noch häufig getroffen. Sie wußte allerdings nicht, daß er es jedesmal so geschickt einrichtete, daß er ihr auf der Straße begegnete, aber sie empfand diese neue Freundschaft wie den Sonnenschein nach langen Regentagen. Und jetzt, da sie wußte, daß er England bald wieder verlassen würde, fühlte sie sich bekümmert und bedrückt.

      »Ich beneide Sie direkt, daß Sie wieder nach unserem lieben, alten New York zurückkehren können. Wissen Sie, was ich am liebsten möchte?«

      »Ich weiß es«, erwiderte er eifrig.

      »Nun, was denn?« fragte sie überrascht.

      »Ich möchte es Ihnen nicht sagen, aber das schließt nicht aus, daß ich es nicht gern aus Ihrem Mund hören möchte.«

      »Ich möchte zu gerne in New York einen Ausflug im Auto nach Coney Island machen, einmal wieder mitten in einer großen Menschenmenge sein, all die einzelnen Buden und Sehenswürdigkeiten betrachten und eine ganze Menge heißer Würstchen essen –«

      »Dann wären Sie am nächsten Morgen sicher todkrank«, entgegnete er nüchtern und praktisch. »Nein, da könnte ich Ihnen doch etwas Schöneres vorschlagen, wenn Sie wieder einmal nach New York fahren.«

      Sie kamen jetzt am Berkeley Square an. Zuletzt waren sie langsamer und langsamer gegangen. Er mußte ihr noch etwas anvertrauen, aber sosehr er sich auch in Gedanken abmühte, er konnte nicht die richtige Einleitung finden.

      »Miss Leman«, begann er schließlich, »ich möchte Ihnen etwas sagen, das ich schon seit einiger Zeit auf dem Herzen habe.«

      Er machte eine Pause.

      »Ja, und was ist das?« fragte sie ermutigend.

      »Sie wissen, ich bin nur ein Zeitungsberichterstatter...« Wieder blieb er stecken.

      »Ja, das weiß ich. Sie sind doch bei der ›New York Mail‹?«

      Er nickte.

      »Das wollte ich Ihnen eigentlich nicht erzählen. Ich fahre morgen ab, und es mag vielleicht ein Jahr oder länger dauern, bis ich Sie wiedersehen kann, wenn Sie nicht inzwischen nach New York zurückkehren sollten.«

      »Aber Sie werden mir doch sicherlich schreiben?« fragte sie und sah ihn voll an. »Sie haben doch versprochen, das zu tun.«

      Er schluckte.

      »Ja, ich werde Ihnen schreiben, wenn Sie es gestatten. Und Sie sollen auch wissen, daß ich Ihr bester Freund bin.«

      »Das sind Sie«, entgegnete sie lächelnd. »Ich habe keinen anderen Freund, und ich werde immer sehr gern an Sie denken, Mr. Cassidy.«

      »Das freut mich«, entgegnete Jimmy, »aber ich möchte Ihnen nur dies eine sagen: vielleicht sind Sie eines Tages doch eine Millionärin, und dann werde ich Sie nicht mehr behelligen. Wenn Sie aber das Vermögen nicht erben, wenn dieser alte Geizhals – ach, entschuldigen Sie –, wenn Ihr Onkel sein Vermögen irgendwelchen anderen Leuten vermacht – also, wenn das der Fall sein sollte –«

      Was er auch noch sagen wollte, er äußerte es jedenfalls nicht, denn in dem Augenblick wurde er plötzlich angerufen, wandte sich um und sah Harry Leman.

      »Hallo, hallo, was machen Sie denn?« rief der Millionär freundlich. »Ich dachte, Sie wären schon abgefahren?«

      »Mein Dampfer fährt erst morgen, Mr. Leman.«

      »Sehen Sie, das ist ja glänzend. Kommen Sie mal her, Jimmy, ich habe eine Geschichte für Sie, mit der Sie mindestens eine ganze Seite in Ihrer Zeitung füllen können. Schreiben Sie für Ihr Leserpublikum, daß ich mich zwar verheiraten wollte, daß aber nichts aus der Sache wurde, weil ich mich mit meiner Braut zankte. Keiner von uns wollte nämlich die Kosten für die Trauung bezahlen. Haben Sie die Sache auch richtig verstanden? Und dann habe ich noch eine andere feine Sache. Schreiben Sie, daß ich, bevor es zur Kirche ging, mir vom Juwelier den Trauring für fünfzig Cent geliehen habe. Ist die Geschichte nicht Gold wert?«

      Faith wandte sich mit einem leisen Seufzer von den beiden ab, nachdem sie Jimmy zum Abschied noch einmal zugenickt hatte.

      »Ich erzähle Ihnen nächstens die Geschichte zu Ende, Miss Leman«, sagte er.

      »Was ist das für eine Geschichte?« fragte der Onkel, als sie fortging. »Handelt sie auch von mir? Aber ich kann Ihnen eine noch viel bessere erzählen. Neulich hat mich doch jemand gefragt, ob ich ihm nicht eine Briefmarke leihen könnte –«

      Aber Jimmy Cassidy hörte nicht hin, obwohl die Geschichte sehr gut erfunden war. Er sah noch immer dem jungen Mädchen nach.

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