Der Mösenlecker. Hans-Jürgen Andresen
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Hans-Jürgen Andresen
Der Mösenlecker
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Inhaltsverzeichnis
Ein Bettenproblem in der Großen Bergstraße
Das falsche Foto (Loddar und Ewa)
Der Mösenlecker und die French Suite von Johann Sebastian Bach
Und plötzlich wird man gemocht
Altona, vor vielen tausend Jahren
Ein Bettenproblem in der Großen Bergstraße
„Wahrscheinlich kommt es gar nicht so darauf an“, meinte Tony und pustete in seinen Kaffee hinein, aber nicht der Kaffee brannte auf seiner Zunge, es war das ewig gleiche Thema der Geschlechter. Heidewitzka und solche Dinge, wo man es am besten miteinander tun könnte, ob der Ort letzten Endes nicht egal sei. Sein Damenbesuch hatte sich für den kommenden Tag angekündigt, aber sein Bett machte ihm Sorgen. Ich kannte Tony's Bett, es sah aus wie aus einem Konfirmanden-Jugendzimmer, als erwachsener Mensch sollte man es zu etwas anderem gebracht haben, ehrlich. Er hatte sich ein Gästebett dazu gestellt und ahnte bereits Unfälle und Verletzungen voraus; Quetschungen, den Einsatz von Rettungswagen und Notärzten. Als Neurotiker denkt er sich immer aus, was alles schief gehen kann und übertreibt seine Phantastereien ins Maßlose hinein.
„Zwischen Övelgönne und Teufelsbrück gibt es schöne Bäume“, gab ich ihm den dezenten Hinweis. „Und ganz so kalt ist es auch noch nicht.“ Aber das verstand er nicht, er wusste gar nicht wovon ich überhaupt sprach. „Wieso Bäume?“, fragte er. „Was hast du denn plötzlich mit deinen Bäumen wieder, bist du ein Förster?“ „Na, dafür halt!“ Ich quetschte mir den Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger ein, ließ die Zunge heraushängen und hechelte ein bisschen. „Meine Güte, ist das peinlich mit dir! Also ehrlich, lass das!“ Na, wer hat denn hier kein richtiges Bett? Wer rührt melancholisch im Kaffee und macht sich Sorgen um sein Date?
Wir saßen in einem Café auf der Großen Bergstraße und kamen nicht vom Fleck. „Bei C & A vielleicht, in der Umkleidekabine“, wagte Tony einen Vorstoß. „Nicht übel, aber die Vorhänge reichen nicht ganz hinunter bis auf den Boden“, gab ich zu bedenken. „Ein Hotel ist dagegen zwar naheliegend, aber doch etwas unpersönlich“, erweiterte Tony den Kreis der Möglichkeiten. Begeistert sah er nicht aus, nein, vielmehr begann er zu schwitzen. „Auf dem Küchentisch, in wilder Leidenschaft?“, schlug ich vor. „Hast du mal meinen Küchentisch gesehen, der fällt schon vom Angucken um! Das geht nicht!“
Lisa, unsere Stammtischfreundin, kam von draußen herein und gesellte sich zu uns, nahm Platz und bestellte Cappuccino mit Streusel oben drauf. „Worüber redet ihr gerade?“, wollte sie wissen. „Nu ja, von Heidewitzka.“ Das verstand sie nicht, wie denn Heidewitzka? Tony meinte zu mir: „Mach das Zeichen, Hans, aber lass das Hecheln weg!“ Das wollte ich nun aber nicht mehr, in meinem Stolz gekränkt. „Heidewitzka, Zeichen, Hecheln, was seid ihr bloß für schräge Typen!“, stellte Lisa sehr zu Recht fest. Als wir sie über die Umstände aufklärten, von Tony's Teeny-Schlafzimmer, dass wir nach einer schlichten Lösung für das offensichtliche Problem suchen würden, kam sie auf einen Punkt, den wir Männer bisher ganz außer Acht gelassen hatten. „Will sie denn überhaupt?“ Beide schauten wir den armen Tony an, der sich auf seinem Stuhl wand. „Kann schon sein“, meinte er. „Vielleicht, möglicherweise, ganz ausschließen lässt es sich nicht. Es ist unser erstes Date, im Übrigen haben wir darüber noch gar nicht gesprochen ...“
Wir waren bedient. „Weißt du, Tony, geh' rüber zu Ikea und kauf' dir ein Bett! Wir helfen dir auch tragen!“ Und damit ging mal wieder ein gemütliches Samstag-Nachmittags-Kaffeetrinken zu Ende.
Sexuelle Dysfunktion
Tony wird vom Leben arg geprüft, das lässt sich nicht anders sagen. Als wir uns zum Samstag-Nachmittags-Kaffeetrinken trafen, wieder in diesem Cafè auf der Großen Bergstraße, trug er ein bleiches Gesicht, als hätte ihm jemand das Ende seines Lebens offenbart. Ein Arzt oder der Sensemann, das blieb offen. Lisa und ich wurden angesichts dieser ganz offensichtlichen Trauer ganz still und warteten darauf, dass er heraus mit der Sprache rückte. Für was sind dieseStammtische schließlich gut, nicht wahr? Aber er sagte nichts, kein Wort. Auch trank er nicht den üblichen Kaffee, knabberte nicht an Keksen, sondern schüttete Bier in sich hinein, als gäbe es kein Halten mehr. Der nächste Tag? Egal!
„Wie war denn dein Date?“, fragte ich mit mild-freundlicher Stimme. Er hatte da nämlich ein Bettenproblem, vielleicht auch ein Mann-Frau-Verständigungsproblem der grundsätzlichen Art. „Das Wetter war schön, wir liefen zum Museumshafen, fuhren mit der Fähre rüber nach Finkenwerder; tranken Kaffee, aßen Kuchen, dann ging es in meine Wohnung“, schilderte Tony mit emotionsloser Stimme, als würde er vom Tod erzählen, dass der dunkel und leer sei. „Ist sie denn nett?“, fragte Lisa. „Ja, richtig lieb“, hauchte Tony und allmählich füllten seine Augen sich mit Tränen. „Gebildet, intelligent, sieht klasse aus“, fügte er hinzu.
Lisa und ich schauten uns an, dieses Mal war ein schlimmeres Problem zu erwarten, als die Frage nach dem geeigneten Ort für das erste Vergnügen. „Wir küssten uns, sanken auf den Teppich nieder ...“ [Seht Ihr, den Teppich hatten wir bei unserer Vorauswahl am vergangenen Wochenende ganz vergessen.] „... und rissen uns die Klamotten vom Leib. Sie trug halterlose Strümpfe, Reizwäsche ...“, hauchte Tony und begann zu weinen. Lisa nahm ihn in den Arm, klopfte ihm auf die Schulter, während ich ihm ein Taschentuch reichte und der Bedienung einen Wink nach Schnaps erteilte. Tony erzählte weiter: „So wird das aber nichts! sagte sie. Ich bekam ihn nicht richtig hoch, dabei hatte sie sich alle erdenkliche Mühe gegeben.“ Tony rutschte fast von seinem Stuhl herunter, um als Pfütze auf dem Boden auseinander zu fließen.
Der arme Kerl, wie alt war er eigentlich? Über fünfzig bestimmt. Nach dem Tod seiner Frau hatte er seit zwei Jahren keine Frau mehr gehabt. Böse schaute ich Lisa an und meinte vorwurfsvoll: „Hättest du nicht vorher mal mit Tony üben können? So unter Freunden, also ehrlich!“ Lisa knurrte und trank ihren Schnaps, den uns die Bedienung inzwischen hingestellt hatte. Ach, das Leben, immerzu ist irgendetwas.
„Ich will nicht mehr“, gab Tony schließlich kund und erzählte von dem alten Vieh, welchem man doch auch den Gnadenschuss geben würde. „Oder wie ist das mit Viagra? Bringt das was?“ Wie auf Kommando schauten sie mich beide gleichzeitig an. „Woher soll ich das denn wissen?“, konnte ich nur antworten, nahm mir aber vor, entsprechende