Die Befreiung von der Geld- und Zinsherrschaft. Georg Blumenthal

Die Befreiung von der Geld- und Zinsherrschaft - Georg Blumenthal


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dass das Geld demnach denselben Nachteilen ausgesetzt sei wie die Waren, so wäre dies durchaus unzutreffend. Die Waren unterliegen ja außerdem — wie bereits erwähnt — einem Zersetzungsprozess, der durchaus nicht schwankt, sondern ständig — bis zur völligen Auflösung der Ware — fortschreitet. Für diesen Zersetzungsprozess gibt es keinen Ausgleich; keinerlei Konjunkturmöglichkeit gibt dem Warenbesitzer eine Entschädigung für den Verlust, der ihm aus diesem Grunde beständig erwachsen und ihn zum Bettler machen würde, wenn er die Warenvorräte etwa ebenso dauernd vom Angebot zurückhalten wollte, wie dies mit ersparten Geldvorräten möglich ist.

      Wer das Geld in der Hand hat, weiß immer, dass er damit jederzeit seinen Verbindlichkeiten in voller Höhe des nominellen Geldbetrages, der ihm zur Verfügung steht, nachkommen kann. Er ist gegenüber dem Warenbesitzer, der seine Waren erst zu Geld machen muss, und nicht weiß, wann und zu welchem Preise ihm dies gelingen wird, ganz entschieden im Vorteil. Geld ausgeben kann bekanntlich jeder Dummkopf, nicht aber Geld erwerben.

      Obwohl also auch das Geld den Einflüssen des Marktes unterliegt und sein Preis schwankt, was auf einer Veränderung seiner Menge, seiner Umlaufsgeschwindigkeit, wie auch auf vermehrtem oder vermindertem Warenangebot beruhen kann, ist die Möglichkeit von Nachteilen und Verlusten jedoch für den Geldinhaber nie so groß, wie für den Warenbesitzer.

      Die aus einer etwaigen „Entwertung“, d. h. aus einem Preisfall des Geldes hervorgehenden Verluste können nie bis zur gänzlichen Vernichtung des Besitzes führen, was bei den Waren sehr wohl möglich ist, denn ihnen haftet eben infolge ihrer stofflichen Beschaffenheit die Verderblichkeit, d. h. der natürliche Zersetzungsprozess an, der beim Gelde nicht in Frage kommt.

      Ein besonders wichtiger Vorzug des Geldes liegt aber in seiner allgemeinen gesetzlichen und volkswirtschaftlichen Anerkennung als Tausch- und Zahlmittel, wodurch es — obwohl selbst ein Arbeitsprodukt, eine Ware — eben zu „Geld“ wird. —

      Im Gegensatz zur gewöhnlichen Ware, kann man mit der Überware „Geld“ unmittelbar, also direkt, alle anderen Waren und Leistungen eintauschen (kaufen), also sowohl Bedürfnisse befriedigen, als auch Verpflichtungen damit erfüllen, was mit keiner anderen Ware oder Leistung möglich ist. Biete ich z. B. zwecks Befriedigung meiner Bedürfnisse unter Umgehung des Geldes eine Arbeitsleistung oder Ware an, so wird es die Regel sein, dass der Besitzer derjenigen Dinge, die ich gerade nötig gebrauche, seinerseits durchaus keinen augenblicklichen oder keinen so großen Bedarf an den von mir angebotenen Waren oder Leistungen hat. Biete ich jedoch Geld an, so weiß mein Partner, dass er sich damit jederzeit alles beschaffen kann, dessen er seinerseits bedarf und er wird mir seine eigenen Waren gern und willig überlassen.

      Das Geld ist also, wie wir gesehen haben, eine Universal-Ware, und noch dazu eine solche von unbegrenzter Dauerhaftigkeit, für die es nie an Abnehmern fehlt, was zur Folge hat, dass es nicht über den unmittelbaren persönlichen Warenverbrauch seines Besitzers hinaus, angeboten zu werden braucht. Der natürliche Angebotszwang, dem die Waren unterliegen, weil man sie nicht beliebig lange aufspeichern kann, fehlt dem Gelde, und damit fehlt auch die volkswirtschaftliche Voraussetzung für einen glatten Austausch von Geld und Waren, also für das volkswirtschaftliche Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Auf diese Weise ist es erklärlich, dass das Angebot von Waren und Arbeitsleistungen immer stärker und dringender ist, als das Angebot von Geld.9

      Mit unserem herkömmlichen Gelde, welches den Waren gegenüber infolge seiner Vorzüge mit einem erdrückenden Übergewicht ausgestattet ist, lässt sich weder eine gesicherte Währung noch ein dauerndes Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage erzielen; der dem Gelde fehlende Angebotszwang (also seine Vorzüge) verhindern es, sich über den persönlichen Bedarf hinaus mit der gleichen Dringlichkeit anzubieten, wie Ware und Arbeit es allezeit tun müssen.

      VII. Das Geld als Ur-Kapital.

      Die Ausnahmestellung, die das Geld in der Volkswirtschaft einnimmt, stört das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, bewirkt die Preis- und Konjunkturschwankungen, stößt die Währung um und bringt „Mein“ und „Dein“ zwischen Gläubigern und Schuldnern durcheinander.

      Aber es beruht auf derselben Ursache auch noch eine viel gewaltigere Erscheinung, die für die Volkswirtschaft von entscheidender und grundlegender Bedeutung ist: nämlich die Kapitaleigenschaft des Geldes, die sich — wie wir weiter sehen werden — auch auf alle anderen volkswirtschaftlichen Güter (Waren, Produktionsmittel, Häuser, Transportmittel usw.) überträgt.

      Schon Ferdinand Lassalle nannte das Geld sehr treffend das „Capital par excellence“, während wir es als das „Ur-Kapital“ bezeichnen.

      Das Geld — soweit es nicht der Befriedigung der unmittelbaren, persönlichen Bedürfnisse seiner Besitzer dient — kann „warten“; kann warten ohne Schaden zu leiden, bis die dadurch hervorgerufene Stockung des Güteraustausches und der Produktion die Warenbesitzer (Kaufleute, Unternehmer, Fabrikanten) betreffs weiterer Produktion zurückhaltend — und die Produzenten betreffs ihrer Lohnforderungen nachgiebig und „bescheiden“ macht. Und je länger dies „Warten“ andauert, je günstiger gestaltet sich die Position des Wartenden; desto ungünstiger aber die desjenigen, der es eilig hat und nicht „warten“ kann. Mit anderen Worten: Im praktischen Leben hat der Besitzer von ersparten, überschüssigen, also nicht für seinen persönlichen Verbrauch bestimmten Geldmitteln, gegenüber dem Besitzer von Waren (die ja auch nicht dem persönlichen Verbrauch ihres Besitzers dienen), immer den längeren Atem.

      Da also der Geldbesitz dem Warenbesitz überlegen ist, so hat er dadurch auch die Warenproduzenten (Arbeiter, Angestellte usw.) in seiner Gewalt, die natürlich nur Arbeit finden, wenn die Kaufleute, Unternehmer und Fabrikanten es nicht für geboten erachten, mit ihren Aufträgen und Unternehmungen ebenfalls zu „warten“ und die Produktion einzuschränken oder aufzugeben.

      Und weil dies so ist, verlangt das Geld, welches sich aus den Ersparnissen des ganzen Volkes in den Händen der Sparkassen und Banken oder durch den Handel in den Händen der Kaufleute und Kapitalisten ansammelt, eine Extra-Entschädigung dafür, dass es nicht „wartet“, sondern sich gnädig der Volkswirtschaft zur Verfügung stellt und sich nicht etwa infolge privater „Schatzbildung“ einfach gänzlich aus dem Verkehr zurückzieht.

      Man stelle sich demgegenüber einmal eine Schatzbildung10 in Arbeitskraft oder doch wenigstens in Waren vor, etwa aus Kartoffeln, Mehl, Fleisch, Kleidern, Geräten oder sonstigen Arbeitsprodukten bestehend. Die einen würden binnen Jahresfrist restlos oder doch teilweise verdorben sein, die andern viel Spesen, Lagerkosten usw. verursachen, unbrauchbar und unmodern, von Rost, Motten, Ratten, Dieben und Fäulnis gefressen werden oder nutzlos zerfallen. Selbst größere Vorräte von Rohstoffen können höchstens in Einzelfällen und vorübergehend (etwa zu Handels- oder Spekulationszwecken), also nicht als „Schatz“ angelegt werden. Man bedenke schon nur die Räumlichkeiten, Behandlung, Risiko im Preise, Absatzmöglichkeit usw. Wie bequem, sicher, und jederzeit verfügbar ist da doch bares Geld, gegenüber solchem Ballast. Nicht umsonst heißt es: „Bares Geld lacht.“

      Es war ein Fehler, das Tauschmittel (Geld) begehrenswerter zu gestalten als alle die Dinge sind, deren Austausch es doch dienen soll. Die Folge kann doch nur sein, dass jeder danach strebt, alles in Geld oder Geldforderungen umzuwandeln, und möglichst viel von diesem, für die Volkswirtschaft doch unentbehrlichen Tauschmittel in seinen Besitz zu bringen. Dies bedeutet aber im praktischen Leben, dass ein Jeder seinerseits zwar möglichst viel verkaufen, aber möglichst wenig kaufen (also Geld „ersparen“) will. Es wird immer das Bestreben bestehen, das gesamte eigene Arbeitsprodukt oder den gesamten eigenen Warenbestand zu verkaufen, dagegen nur einen Teil des Gelderlöses für die Arbeitsprodukte und Leistungen der anderen auszugeben, oder kurz: für 100 zu verkaufen, aber nur für 50 zu kaufen. Auf diese Weise würde das Angebot von Waren und Arbeitsleistungen, in Zahlen ausgedrückt, stets 100; das Geldangebot (also die Nachfrage) jedoch nur 50 oder noch weniger betragen, wenn die ersparten Gelder nicht auf irgendeine Weise wieder in Umlauf gesetzt werden.

      Dieses Missverhältnis zwischen Geldangebot und Warenangebot würde aber bewirken, dass


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