Süßmilch spricht. Ханс Фаллада

Süßmilch spricht - Ханс Фаллада


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wecken wollte, gebot der Teckelhündin Biline, die auf dem Deckbett zu seinen Füßen lag und mich mit ihren listigen gelben Augen erwartungsvoll anschaute, Schweigen und hielt Murr die Nase zu.

      Gleich, aus seinem tiefsten Schlaf heraus, traf mich ein Stoß gegen die Magengrube, daß jetzt ich röchelte. Zugleich fuhr mich Biline, die zu ihrem Herrn durch dick und dünn, bei Freund und Feind hält, kläffend an …

      »Beim Zeus, ungeschliffener Böotier!« schrie Murr, saß aufrecht im Bett, und die langen Haare hingen ihm bis über die Nase, »stört man so den Schlaf des Gerechten?! Gerade hielt ich – ein sanfter Träumer – Professor Kunze im Schwitzkasten und ließ ihn konjugieren, und zwar auf Deutsch: Ich lübe dür, du lübst mür, er, sü, es, keuner lübt das Grüschüsche – da kommst du Narr …«

      »Nimm Gas weg, kupple aus, Murr«, sprach ich mahnend. »Dringliche Eil- und Notsache. Will mein roter Bruder mit mir das Kalumet der Beratung rauchen?«

      Murr warf nur einen raschen Seitenblick auf mich und wußte schon, daß es wirklich eine Notsache war. Denn helle ist Murr, nicht gerade auf der Penne, die er verachtet, sondern im tätigen Leben, das er liebt.

      »Es warte das Bleichgesicht, bis ich die Adlerfeder in meinen Skalp gesteckt habe …«

      »Höre Zu, Murr …«

      »Nein!« Dies schrie er fast. »Erst muß ich Zähne putzen, eher jenieße ich jar nischt!«

      Also schwieg ich und sah dem Murr zu, wie er sich mit raschen Griffen eiskalt abwusch, gewaltig gurgelte, putzte, Mund spülte, mit viel Wasser eine untadelige Lauseallee zog und schließlich auch in ein Hemd fuhr. (Worauf er die Allee zum zweitenmal zog.) Die wieder versöhnte Biline hatte sich unterdes auf meinem Schoß häuslich eingerichtet.

      Natürlich heißt der Murr gar nicht Murr, sondern Egon Teichmann, aber wer soll einen Menschen wie ihn Egon oder gar Herr Teichmann nennen?! Sogar die Pauker versprechen sich und rufen ihn Murr, selbstverständlich ausgenommen Professor Kunze, der ihn meistens nur »Der – ähemm! – bewußte Schüler!« ruft.

      Klein und zurückgeblieben, die richtige verkümmerte Elendsgestalt aus den noch immer nicht ganz zu Ende gegangenen Hungerjahren des Krieges und Nachkrieges, hat es Murr nur durch Murr fertiggebracht, seinen Körper so zu trainieren, daß er in Turnen und Sport uns allen voran ist. Er kann boxen und ringen, er hat sogar mal einen Kursus in Jiu-Jitsu mitgemacht, und aus alldem hat er sich eine eigene, so überraschende Kampfmethode zurechtgemacht (weil zu all seinem Können immer noch sein unglaublicher Murr kommt), daß keiner, der ihn kennt, mit ihm anbindet …

      Damit aber die, so ihn noch nicht kennen, recht bald mit ihm bekannt werden, und weil er weiß, daß er trotz all seinen Trainings wie ein rechter Miesling aussieht, führt er diese unglaublich geschwollene Sprache, die jeden, und nun gar die so leicht explodierenden Berliner, herausfordern … Man muß das mal gesehen haben, wenn Murr an irgend so einen Straßenhelden, der einem jungen Mädchen eine dreckige Bemerkung nachgerufen hat, herantritt und spricht: Nun, mein Knabe? Hat Mutti dir heute das Dreckmäulchen noch nicht abgewischt? Komm, zeig artig her dein Schnutecken!

      Und man muß gesehen haben, was sich dann so ergibt!

      »Squaw, bringe mir die Büffellende – aber mit zwei Tassen!« ruft Murr jetzt, und seine Mutter erscheint, ohne die Miene zu verziehen, mit Kaffee (sprich Spitzbohne) und Schrippen. Natürlich halte ich mit, in meinen Jahren kann man auch mehrere Male frühstücken, und übrigens bestehen Schrippen bekanntlich größtenteils aus Luft. Biline hilft mit, daß es noch schneller geht, und dabei berichte ich von Süßmilch, der Fabrik und vom Vater.

      Aber, wie ich alles erzählt habe, und im Grunde ist ja ›alles‹ herzlich wenig, ohne meine Empörung über die Ungerechtigkeit, die mehr Raum einnimmt, da sitzt Murr noch immer genauso gelassen bei seinem Kaffee und fragt kauend: »Na – und? Erzähl doch!«

      »Das ist alles, Murr!«

      »Na, erzähl schon!«

      »Was denn noch? Du weißt nun alles …«

      »Quatsch dich rein aus, mein kleiner Liebling! Dein großer Bruder Murr hat ein Ohr wie ein Brunnenschacht!«

      »Aber ich habe dir doch alles gesagt! Wirklich, Murr!«

      »Will mein weißer Bruder jetzt reden oder will er schweigen?«

      »Aber ich habe dir alles!«

      »Oh über die Ungerechtigkeit der Welt! Wehklagend, aber willig erträgt Hiob Gottes Plagen! Wir hörten soeben Kapitel 17, Vers 9 bis 11 des Erbauungsbuchs für stille Dulder! – Du, Roß, quatsch dich endlich rein aus!«

      »Na, natürlich, Murr«, gab ich verlegen zu. »Ich hab wohl daran gedacht, ob man vielleicht was machen könnte …«

      »Wir was machen könnten!« verbesserte er mich streng.

      »Na, also meinethalben, wir …«

      »Jotte doch, bist du heute mal wieder langsam, Fabius Maximus Cunctator! Und auf welchen Eiern hat dein helles Hirn wohl so gebrütet, du Leuchte der Prima?«

      »Ich hab gedacht, wenn man ihn hindern könnte, morgen zur Versammlung zu gehen …«

      »Vis, vim, vi – mit Gewalt? Oder durch was?«

      »List wäre schon besser.«

      »Und als wie, listiger Odysseus?«

      »Gott, man müßte doch erst mal draußen die Örtlichkeit sehen!«

      »Und dann? Wenn’s Kindchen das Örtchen bekiekt hat?«

      »Ich dachte … Also hör zu, Murr!«

      »Mein Ohr hört, weißer Freund!«

      »Also wenn morgen früh einer von uns draußen einen Unfall kriegte, gerade wenn er zur Arbeit geht. Da wird er doch mit anfassen, ins Krankenhaus tragen. Das liegt doch da sicher weit ab, und dann müßte man ihn eben hinhalten …«

      »Was für ’n Unfall? Finger in den Hals, bißchen keuchen?«

      »Ich würde mir auch ein Bein brechen, bloß damit er nicht zur Versammlung kommt!«

      »Ein Bein bricht sich verdammt schwer, wenn’s soll! Müßt ich schon mit einem Hammer draufklopfen – kleiner Marterpfahl, was?«

      »Ich …«

      »Red nicht! Würdest schlappmachen – ich wahrscheinlich dito. Und selbst wenn – Telefon, Krankenwagen. Ab geht deine Süßmilch! – Alles Mist!«

      »Also gar nichts?«

      »Also komm!«

      »Wohin?«

      »Nach Reinickendorf! In die ›Neue Freiheit‹! Örtchen bekieken!«

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