Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch. C.-A. Rebaf
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C.-A. Rebaf
Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch
und andere Erzählungen 'vum alde Woinem' bis in die weite Welt
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Inhaltsverzeichnis
Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch
Reinhards Kriegstagebuch Teil 1
Reinhards Kriegstagebuch Teil 2
Ich will und muss das Kriegstagebuch schließen!
The first ‘Woinem-baby’ in a free German world1
Familientreffen in kanadischen Jetlag-Nächten
Marionettenspiel im Rosengarten
Onkel Ernst und der Sommertags-Schneemann
Kurpfälzische Wein- und griechische Ölberge
Der Afrika-Tourismus-Meisterbrief
Herbst
Boden, Kirschbaum, Bretter, Schreibtisch
Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen in diesen Erzählungen sind rein zufällig. Alle namentlich genannten Personen sind frei erfunden.
Text und Umschlagsbild:
© 2017 alle Rechte liegen bei C.-A. Rebaf
Druckauflagen:
Verlag: [email protected]
ISBN: 978-3-9818629-3-5
Meiner lieben Mutter gewidmet
Der Krieg 'römisch Zwo'1 war vorbei und das Vertrauen in die Zukunft wieder da. Mein Großvater, der aus dem Bennweg, pflanzte einen jungen Kirschbaum auf seinem Acker im Gewann 'Mult'. Braune große Kirschen sollte er tragen. So hatte man es ihm versprochen. Noch war der Baum nur eine dünne Rute mit ein paar Blättern, aber im milden Klima der Bergstraße wuchs er schnell heran.
Dann boomte das Wirtschaftswunder. Weinheim hatte seinen ganz großen Arbeitgeber, 'die Fawarik'2, wie die Leute den heutigen Konzern damals fast zärtlich nannten. Jeder wusste, wer damit gemeint war. Die Gewinne waren gut in diesen Jahren und auch der Kirschbaum trug reichlich. Mein Großvater erntete die Früchte und verkaufte sie am Obstgroßmarkt.
Die Manager der 'Fawarik', es waren damals noch 'Firmenpatriarchen', trugen Sorge, dass sie genug Platz hatten, um ihren steigenden Bedarf an Fabrikhallen befriedigen zu können. Grundstückskäufe wurden deshalb von der Liegenschaftsabteilung mit Hochdruck getätigt. Nicht nur Grundstücke, die an die Firma direkt angrenzten, nein auch ganz abgelegene wurden erworben, falls ein Besitzer verkaufswillig war. Die Bodenpreise stiegen. Eines Tages multiplizierte mein Bennwegs-Großvater seinen jährlich wiederkehrenden Verdienst aus dem Verkauf der Kirschen mit der geschätzten Anzahl seiner verbleibenden Lebensjahre und verglich das Ergebnis mit dem Erlös aus dem Verkauf dieses Grundstücks. Daraufhin reihte er sich in die Gruppe der Verkaufs-Willigen ein und veräußerte seinen Kirschbaum mitsamt dem herumliegenden Grund.
Der Baum trotzte allen Transaktionen und blieb stehen. Die Firma verpachtete nämlich den Acker und wartete ab.
Mein anderer Großvater wohnte in der Alten Postgasse und arbeitete in der 'Fawarik'. Er war im Gegensatz zu meinem Bennwegs-Großvater nur ein kleiner Feierabendbauer. Aber auch er besaß eigenen Grund und Boden, den er von seinen und den Eltern seiner Frau geerbt hatte. Eines seiner Grundstücke lag direkt neben der Fabrik, was für ihn sehr praktisch war, da er abends nur am Werkstor ‚stechen‘ musste, um seine Ausgangszeit zu erfassen und danach ohne große Fahrwege seinem Nebenerwerb nachgehen konnte.
Das Wort 'Globalisierung' war noch unbekannt und die damaligen Firmenchefs kannten nur den Ausbau ihrer Kapazitäten unmittelbar vor Ort in der Kurpfalz. Mein Postgassen-Großvater las in den 'Weinheimer Nachrichten' einen Artikel über die neuesten Planungen zur Firmenerweiterung und wunderte sich deshalb nicht über den Besuch vom Chef der Liegenschaftsabteilung, der ihm umständlich und wichtigtuerisch die neuen Vorhaben erläuterte. Sein weitschweifiges Gerede gipfelte in der Frage an den Großvater, ob der nicht seinen angrenzenden Garten verkaufen könne. Er wolle sich doch sicher nicht dem Bau des neuen Simmering-Werkes in den Weg stellen!
Der Postgassen-Großvater überlegte lange, verhandelte zögerlich und zeigte sich einem Verkauf zunächst abgeneigt. Hatte er doch in seinem Leben zwei Geldentwertungen erlebt und gelernt, der Papierwährung grundsätzlich zu misstrauen. Für ihn zählte nur Grund und Boden als echten dauerhaften Besitz. Hatten ihm und seiner Familie denn nicht allein die Erträge seines Ackers das Überleben der Kriegszeit ermöglicht? Was sollte er also jetzt mit Geld als Gegenwert für den Garten? Aber der bauernschlaue Liegenschaftsverwalter kannte eben diesen Einwand genau und bot ihm das Kirschbaum-Grundstück in der Mult zum Tausch an. So kam es zu einer Einigung und von nun an war mein Postgassen-Großvater der Besitzer des Kirschbaums, der inzwischen prächtig herangewachsen war.
Die Fawarik benötigte Arbeitskräfte, mehr und immer mehr. Zuerst wurden die Kriegs-Flüchtlinge eingestellt, die - fein säuberlich 'vun de alde Woinemer'1 isoliert - in der abgelegenen Weststadt angesiedelt wurden. Aber das reichte nicht aus und die Firma zog dann weitere Menschen aus aller Herren Länder an wie ein Magnet. Es schwappte die erste Gastarbeiterwelle aus Italien an die Bergstraße, dann eine aus Spanien, dann aus dem damaligen Jugoslawien und eine vorerst letzte aus der Türkei. Immer mehr Menschen für die Fabrik wurden in die Gegend gespült.
Mit dem Wirtschaftswunder kam dann das Bauwunder. Den