Die Schwelle der geistigen Welt – Aphoristische Ausführungen. Rudolf Steiner

Die Schwelle der geistigen Welt – Aphoristische Ausführungen - Rudolf Steiner


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Gedanken-Leben sich hingeben zu können, hat etwas tief Beruhigendes. Die Seele fühlt, dass sie in diesem Leben von sich selbst loskommen kann. Dieses Gefühl aber braucht die Seele ebenso wie das entgegengesetzte, dasjenige des völlig In-sich-selbst-sein-Könnens. In beiden Gefühlen liegt der ihr notwendige Pendelschlag ihres gesunden Lebens. Im Grunde sind Wachen und Schlafen nur die extremsten Ausdrücke dieses Pendelschlages. Im Wachen ist die Seele in sich, lebt ihr Eigenleben; im Schlafe verliert sie sich an das allgemeine Welt-Erleben, ist also gewissermaßen von sich selbst losgelöst.

      Beide Ausschläge des Seelenpendels zeigen sich durch verschiedene andere Zustände des inneren Erlebens. Und das Leben in Gedanken ist ein Loskommen der Seele von sich selbst, wie das Fühlen, Empfinden, Affektleben usw. ein In-sich-selbst-Sein sind.

      So angesehen, bietet das Denken der Seele den Trost, den sie braucht gegenüber dem Gefühl des Verlassenseins von der Welt. Man kann in berechtigter Art zu der Empfindung kommen: Was bin ich in dem Strome des allgemeinen Weltgeschehens, der von Unendlichkeit zu Unendlichkeit läuft, mit meinem Fühlen, mit meinem Wünschen und Wollen, die doch nur für mich Bedeutung haben? Sobald man das Leben in Gedanken recht erfühlt hat, stellt man dieser Empfindung die andere entgegen: Das Denken, das mit diesem Weltgeschehen zu tun hat, nimmt dich mit deiner Seele auf; du lebst in diesem Geschehen, wenn du sein Wesen denkend in dich fließen lässt. Man kann sich dann von der Welt aufgenommen, in ihr gerechtfertigt fühlen. Aus dieser Stimmung der Seele folgt dann für diese eine Stärkung, die sie so empfindet, als ob sie ihr von den Weltmächten selbst nach weisen Gesetzen zugekommen wäre.

      Von dieser Empfindung ist es dann nicht mehr weit zu dem Schritte, nach welchem die Seele sagt: Nicht ich denke bloß, sondern es denkt in mir; es spricht das Weltenwerden in mir sich aus; meine Seele bietet bloß den Schauplatz, auf dem sich die Welt als Gedanke auslebt.

      Diese Empfindung kann von dieser oder jener Philosophie zurückgewiesen werden. Es kann mit den mannigfaltigsten Gründen scheinbar ganz einleuchtend gemacht werden, dass der eben ausgesprochene Gedanke von dem »Sich-Denken der Welt in der menschlichen Seele« völlig irrtümlich sei.

      Demgegenüber muss erkannt werden, dass dieser Gedanke ein solcher ist, der durch inneres Erleben erarbeitet wird. Erst wer ihn so erarbeitet hat, versteht seine Gültigkeit völlig und weiß, dass alle »Widerlegungen« an seiner Gültigkeit nicht rütteln können. Wer ihn sich erarbeitet hat, der sieht gerade an ihm ganz klar, was viele »Widerlegungen« und »Beweise« in Wahrheit wert sind. Sie scheinen oft recht untrüglich, solange man von der Beweiskraft ihres Inhaltes noch eine irrtümliche Vorstellung haben kann.

      Es ist dann schwer, sich mit Menschen zu verständigen, welche solche »Beweise« für sich maßgeblich finden. Diese müssen den anderen im Irrtum glauben, weil sie die innere Arbeit in sich noch nicht geleistet haben, welche ihn zur Anerkennung dessen gebracht hat, was ihnen irrtümlich, vielleicht sogar töricht vorkommt.

      Für denjenigen, welcher sich in die Geisteswissenschaft finden will, sind Meditationen von Nutzen wie die eben über das Denken vorgebrachte. Für einen solchen handelt es sich doch darum, dass er seine Seele in eine Verfassung bringe, die ihr den Zugang in die geistige Welt öffnet. Dieser Zugang kann dem scharfsinnigsten Denken, kann der vollendetsten Wissenschaftlichkeit verschlossen bleiben, wenn die Seele nichts den geistigen Tatsachen oder ihrer Mitteilung entgegenbringt, die auf sie eindringen wollen. –

      Es kann eine gute Vorbereitung für das Erfassen der geistigen Erkenntnis sein, wenn man öfters gefühlt hat, welche Stärkung in der Seelenstimmung liegt: »Ich empfinde mich denkend eins mit dem Strom des Weltgeschehens.« – Es kommt dabei viel weniger auf den abstrakten Erkenntniswert dieses Gedankens an, als vielmehr darauf, in der Seele oft die stärkende Wirkung empfunden zu haben, die man erlebt, wenn ein solcher Gedanke kraftvoll durch das Innenleben strömt, wenn er sich wie geistige Lebensluft im Seelenleben ausbreitet. Es handelt sich nicht allein um das Erkennen dessen, was in einem solchen Gedanken liegt, sondern um das Erleben. Erkannt ist er, wenn er einmal mit genügender Überzeugungskraft in der Seele gegenwärtig war; soll er Früchte zeitigen für das Verständnis der geistigen Welt, ihrer Wesenheiten und Tatsachen, so muss er, nachdem er verstanden ist, in der Seele immer wieder belebt werden. Die Seele muss sich immer wieder ganz von ihm erfüllen, nur ihn in ihr anwesend sein lassen, mit Ausschluss aller anderen Gedanken, Empfindungen, Erinnerungen usw. – Ein solches wiederholtes Sich-Konzentrieren auf einen volldurchdrungenen Gedanken zieht Kräfte in der Seele zusammen, die im gewöhnlichen Leben gewissermaßen zerstreut sind; sie verstärkt sie in sich selbst.

      Diese zusammengezogenen Kräfte werden zu den Wahrnehmungsorganen für die geistige Welt und ihre Wahrheiten.

      Man kann an dem Angedeuteten den rechten Vorgang des Meditierens erkennen. Erst arbeitet man sich zu einem Gedanken durch, den man einsehen kann mit den Mitteln, welche das gewöhnliche Leben und Erkennen an die Hand geben. Dann versenkt man sich wiederholt in diesen Gedanken, macht sich ganz eins mit ihm. Die Stärkung der Seele kommt durch das Leben mit einem solchen erkannten Gedanken. – Hier wurde als Beispiel ein Gedanke gewählt, der aus der Natur des Denkens selbst genommen ist. Er wurde als Beispiel gewählt, weil er für das Meditieren ganz besonders fruchtbar ist.

      Doch gilt in Bezug auf die Meditation das hier Gesagte von jedem Gedanken, der auf die beschriebene Art gewonnen ist. – Für den Meditierenden ist es nur ganz besonders fruchtbar, wenn er die Seelenstimmung kennt, die aus dem oben angedeuteten Pendelschlag des Seelenlebens sich ergibt. Er kommt dadurch am sichersten zu dem Gefühle, in seiner Meditation von der geistigen Welt unmittelbar berührt worden zu sein.

      Und dies Gefühl ist ein gesundes Ergebnis der Meditation. – Es sollte dies Gefühl seine Kraft ausstrahlen auf den Inhalt des ganzen übrigen wachen Tageslebens. Und zwar nicht so, dass stets etwas da ist, wie ein gegenwärtiger Eindruck der Meditationsstimmung, sondern in der Art, dass man sich stets sagen kann, es fließe in das ganze Leben eine Stärkung durch das Meditationserlebnis. Wenn die Meditationsstimmung wie ein immer gegenwärtiger Eindruck durch das Tagesleben zieht, so gießt sie nämlich über dasselbe etwas aus, was die Unbefangenheit dieses Lebens stört. Sie wird dann in den Zeiten der Meditation selbst nicht genug stark und nicht genug rein sein können. Die rechten Früchte zeitigt die Meditation eben dadurch, dass sie sich mit ihrer Stimmung heraushebt aus dem übrigen Leben.

      Auf dieses wirkt sie auch dann am besten, wenn sie als etwas Besonderes, Herausgehobenes empfunden wird.

      Von dem Erkennen der geistigen Welt

      Die Einsicht in die Ergebnisse der Geisteswissenschaft wird erleichtert, wenn man im gewöhnlichen Seelenleben dasjenige ins Auge fasst, was Begriffe gibt, die sich so erweitern und umbilden lassen, dass sie allmählich an die Vorgänge und Wesenheiten der geistigen Welt heranreichen. Wählt man nicht mit Geduld diesen Weg, so wird man leicht versucht sein, die geistige Welt viel zu ähnlich der physischen oder sinnlichen vorzustellen. Ja man wird ohne diesen Weg nicht einmal dies zustande bringen, eine zutreffende Vorstellung von dem Geistigen selbst und seinem Verhältnisse zum Menschen sich zu bilden.

      Die geistigen Ereignisse und Wesenheiten dringen an den Menschen heran, wenn er seine Seele dazu bereitet hat, sie wahrzunehmen. Die Art, wie sie herandringen, ist durchaus verschieden von dem Auftreten physischer Tatsachen und Wesenheiten. Man kann aber eine Vorstellung von diesem ganz andersartigen Auftreten gewinnen, wenn man den Vorgang der Erinnerung sich vor die Seele stellt.

      Man hat vor mehr oder weniger langer Zeit etwas erlebt. Es taucht in einem bestimmten Augenblicke – durch diesen oder jenen Anlass – aus dem Untergrunde des Seelen-Erlebens herauf. Man weiß, dass das so Aufgetauchte einem Erlebnis entspricht; und man bezieht es auf dieses Erlebnis. In dem Augenblick der Erinnerung hat man aber gegenwärtig von dem Erlebnis nichts anderes als das Erinnerungsbild. – Man denke sich nun in der Seele auftauchend ein Bild in solcher Art, wie ein Erinnerungsbild ist, doch so, dass dies Bild nicht etwas vorher Erlebtes, sondern etwas der Seele Fremdes ausdrückt. Man hat sich damit eine Vorstellung davon gebildet, wie in der Seele die geistige Welt zunächst auftritt, wenn diese Seele genügend dazu vorbereitet ist.

      Weil dies so ist, wird derjenige, welcher mit den Verhältnissen der geistigen Welt nicht


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