Kampf dem Karl,. Bernhard Giersche

Kampf dem Karl, - Bernhard Giersche


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      17. Juli 2017

      Und dann war da ja noch am Freitag die erste Chemotherapie. Gestern hatte ich ja schon darüber geschrieben, dass es echt schwer zu glauben ist, dass man todkrank sein soll, wenn doch alle Symptome irgendwie fehlen oder nur ganz schwach ausgeprägt sind. Da mag der eine oder andere sich gedacht haben: "Sei doch froh und glücklich, dass es dir noch so gut geht." Glaubt mir, bin ich. Ich werde ja täglich, ach was, stündlich daran erinnert. Medikamente, leichte Nebenwirkungen usw. erinnern mich andauernd daran. Heute morgen hatte ich auf einmal einen stechenden Schmerz im rechten Rücken. Da schießt es einem sofort in den Kopf: "Guten Morgen, Karl, auch schon wach?"

      Freitag zum Beispiel war es ganz besonders hart. Ich fühlte mich eigentlich gut, am Tag zuvor hatten wir geheiratet. Heute ging es dann schon früh aus dem Haus zu meinen Onkologinnen. Dort angekommen gab es wenig zu sprechen. Ich musste mich auf diesen bequemen Ledersessel setzen und wartete auf das, was da kommen sollte. Ein wahrhaft komisches Gefühl. Chemotherapie, das hat so etwas endgültiges, so etwas ganz und gar offizielles. Die würde ich sicher nicht bekommen, wenn ich gesund wäre. Chemotherapie ist bei mir stigmatisiert. Wer zur Chemotherapie muss, dem bleibt oft nicht mehr lange Zeit zum Leben. Chemotherapie geht dem Krebstod immer voraus. So ist dieser Begriff bei mir besetzt und gekoppelt an Bilder, die wenig schön sind. Erbrechen, Übelkeit und Haarausfall. Bald würde mich die Chemotherapie so zeichnen, wie ich als Krebspatient gefälligst auszusehen habe. Dünn, ausgemergelt und kahlköpfig. Ich schwöre mir, nie eine dieser alles kaschierenden Mützen zu kaufen. Ich hatte ein wenig Sorge, dass das Anstechen des Ports weh tun würde. Mein Bedarf an Schmerzen ist auf Jahre ausreichend gedeckt. Ok, dann soll es jetzt also darangehen.

      Ich schwitze in meinem Lederstuhl und bin überrascht, dass der kleine Pieks überhaupt nicht weh tut. Gut, eine Sorge weniger. Zunächst gibt es eine Infusion Antiübelkeitsmittel, dann einen halben Liter Kochsalzlösung. Läuft alles zügig in meinen Körper, spüren tue ich davon nichts. Dann kommt schon bald die Assistentin mit einem silbernen Beutel. Das also ist die Chemotherapie. Das erzeugt in mir ein echt mulmiges Gefühl. Das ist jetzt alles Ernst, das ist keine Fiktion. Vom Inhalt dieses Beutels hängt mein Leben ab. Mindestens aber die mutmaßliche Dauer meines Lebens. Hat das Methadon schon dafür gesorgt, dass das Mittel in die Krebszellen eindringt? Ist all das hier nicht doch vergebens? Und so liege ich fast drei Stunden auf dieser Liege und spüre nicht viel. Hin und wieder latsche ich mit meinem Infusionsständer zur Toilette. Ich sehe die anderen Patienten, die an ihren Tröpfen hängen in ihren grauen Sesseln. Ich gehöre jetzt zu ihnen. Ich warte darauf, dass irgendwelche Nebenwirkungen eintreten, ich werde etwas müde, schlafe ein wenig. Dann ist es vorbei, die Nadel wird gezogen und ich bekomme Rezepte und einen neuen Termin.

      1 x wöchentlich gibt es diese Dröhnung also. Ich bete instinktiv zum großen Watumba, dass er bitte dafür sorgen möge, dass das Zeug Karl vertreibt. Bis heute habe ich keine Nebenwirkungen verspürt. Man sagte mir, dass man nach der ersten Chemotherapie oft noch nichts bemerkt, das käme erst bei der zweiten oder dritten Infusion. Na dann… Ach so, eine Glatze bekomme ich von dem Zeug wahrscheinlich auch nicht. Mann, was habe ich doch ein Glück!

      Am Samstag erschien dann der Zeitungsartikel in unserer Tageszeitung. Nach der Chemotherapie habe ich so verdammt lange geschlafen, wie schon ewig nicht mehr. Also doch Nebenwirkung. Elf Stunden habe ich quasi durchgeschlafen. Der Samstag beginnt so wie er endet. Der Artikel im Patrioten löst eine wahnsinnige Welle aus, im Sekundentakt piept das Handy und solange die Tagebuchaktion läuft, bekomme ich den "Patrioten" nach Hause gebracht. Das ist dann wieder so ein Schubs in die Realität. Der Bericht von Dominik Friedrich ist wirklich ausgezeichnet geschrieben, nichts unter- oder übertrieben. Wahr ist etwas, was in der Zeitung steht, so wurde ich geprägt. Wahr ist, dass ich Krebs habe. Steht da geschrieben. Und das ich nicht viel Zeit habe, steht da auch.

      Es wenden sich betroffene Menschen, Angehörige und auch sehr verzweifelte Menschen an mich. Das ist einfach, ich bin ziemlich transparent im Auftritt und es gibt etliche Möglichkeiten, mich zu kontaktieren, wenn man das möchte. Auch wenn man mich nicht kennt. Die Resonanz ist also überwältigend. Erst am späten Abend wird es etwas ruhiger. Ich fahre zum Tanken und werde gleich angesprochen. "Wir haben den Artikel gelesen. Alles Gute. Wir wünschen viel Kraft…." Die meisten finden gut, was ich mache. Dass ich offen darüber rede und sie hinter die Kulissen eines "Sterbenden" blicken lasse.

      Und es sind so viele von dieser Krankheit betroffen. Fast könnte man meinen, dass jeder mindestens einen kennt, der Krebs hat. So viele Menschen sind von Karl und seinen abartigen Kumpels in Beschlag genommen worden. Warum nur ist es so ungewöhnlich, wenn ich jetzt offen darüber rede? Fast habe ich das Gefühl, einige hätten nur darauf gewartet, dass mal einer den Mund aufmacht, denn mich erreichen so viele Nachrichten von Menschen, die mir bestätigen, dass sie ähnlich fühlen oder ähnliches erlebt haben. Viele beginnen jetzt darüber nachzudenken, es auszusprechen und sich dem wie auch immer gearteten Schicksal zu stellen. Wenn ich den Menschen dabei helfen kann, dann will ich es gerne weiter tun. Hier bei Facebook und auch weiter einmal wöchentlich in der Zeitung.

      Heute besucht mich noch eine Journalistin vom Westfalenblatt. Je mehr darüber geredet wird, umso mehr kann bewegt werden. Der öffentliche Druck auf die Methadongegner nimmt zu. Und somit nimmt die Zahl der Ärzte ab die sich, weil uninformiert, weigern das Schmerzmittel zu verschreiben und so zumindest einen Funken Hoffnung in die Therapie schicken. Und vielleicht ist es gut, dass wir Krebspatienten wissen, dass es tausende von uns "da draußen" gibt. Auch hilft es zu erfahren, dass es einem nicht alleine so geht, wie es uns geht. Die Diagnose "Krebs" ist je nach Fortgang der Krankheit immer ein zutiefst traumatisierendes Erlebnis. Da braucht man verdammt gute Freunde, um nicht seelisch zu zerbrechen oder in Angst zu ertrinken. Ich bin ein sehr glücklicher Mensch, denn ich habe solche Menschen um mich herum. Das hilft mir in diesem fast aussichtslosen Kampf. Aber eben nur "fast"…

      In der Praxis für Onkologie

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