Königin der Sklavinnen. Christian Bachter
was hat das mit Ashoka zu tun?“
„Wir haben ein besonderes Verhältnis zu Shashastra. Die dortige Gesellschaft ist uns sehr verbunden. Sie wird von Frauen dominiert. Eine Niederlage würde ein Ende dieser Kultur bedeuten.“
„Als Mula besetzt wurde war es euch egal,“ schnaubte Enna. „Und jetzt, wo die Grazien dran glauben sollen, überlegt ihr es euch plötzlich anders.“
„Es war uns nie egal,“ antwortete Phenoma. „Wir haben gehofft, dass sich die Situation von alleine klärt. Akasha war immer schon politisch neutral. Dies aufzugeben ist für uns ein schwerer und gefährlicher Schritt.“
„Den ihr nur geht, weil mit den Fall von Shashastra eure eigene Existenz in Frage gestellt werden würde,“ schloss Ronnert und sah sie spöttisch an.
„In der Tat ist es unser Anliegen, dass die weibliche Macht auch im weltlichen Bereich nicht verschwindet,“ Phenoma war der Verlauf des Gespräches unangenehm. Auf der anderen Seite konnte sie die Argumente ihrer Gastgeber gut verstehen.
Trotzdem war sie der Meinung, dass der Orden, der Akasha seit Anbeginn regierte, richtig gehandelt hatte. Es war nicht die Aufgabe der Drachenhüterinnen, politische Systeme zu beeinflussen. Erst als die eigene Existenz tatsächlich bedroht war, war ein Eingreifen gerechtfertigt.
„Ich hoffe, dass ihr von einer möglichen Wende im Krieg profitiert. Die Armee der Samskarier ist jedenfalls durch den Angriff der Drachen ins Stocken geraten.“
Diese Aussage sorgte für sichtbare Erleichterung am Tisch.
„Vielleicht kommt Mutter dann bald zurück,“ meinte Genson, der sich bisher nicht in das Gespräch eingemischt hatte. Phenoma sah ihn fragend an.
„Meine Frau wurde nach dem Einmarsch der Samskarier verschleppt“ erklärte Ronnert. „Wir haben seit acht Jahren nichts mehr von ihr gehört.“
„Oh, das tut mir leid.“ Damit erklärte sich auch die Verbitterung der Mutter. „Wo könnte sie sein?“
„Sie ist in Samkara. Wenn sie Glück hat muss sie nur arbeiten, aber wahrscheinlich wird sie als Prostituierte missbraucht.“ Enna beugte sich mit einem wilden Blick über den Tisch. „Ich habe die Männer gesehen, die Samskarischen Soldaten, als sie hier von Tür zur Tür gingen, ich habe ihre Blicke gesehen. Sie haben nur die schönsten Frauen mitgenommen. Und einige kräftige Männer für die Minen.“
Phenoma schluckte. Sie hatte davon gehört, dass zahlreiche Männer und Frauen aus den unterworfenen Ländern zum Arbeiten nach Samskara verschleppt worden waren. Aber es war etwas ganz anderes, den Betroffenen zu begegnen. „Das tut mir leid,“ wiederholte sie.
Alle schwiegen einen Augenblick. Dann sagte Phenoma: „Ich habe vor nach Samskara zu gehen, heimlich, um einen Auftrag für unsere Seite durchzuführen. Ich wünsche mir eure Unterstützung bei der Einreise.“
„Wir werden dir helfen,“ sagte Ronnert. „Wir haben uns zur Hilfe für die Drachenreiterinnen verpflichtet und dabei bleibt es. Ich hoffe, ihr werdet es uns nicht vergessen.“
„Wir können mit unseren Drachen das Voranschreiten der Samskarischen Armee aufhalten. Was wir nicht können, ist Samskara mit Waffengewalt zu unterwerfen. Das kann im Augenblick niemand.“
„Ich möchte irgendwann meine Frau wieder in den Armen halten.“ antwortete Ronnert. „Und mein Sohn hat verdient, dass er seine Mutter wieder sieht. Ich möchte, dass du darüber nachdenkst, wie du oder wie Akasha uns helfen kann.“
Phenoma biss sich auf die Lippe. Dann nickte sie. „Ich kann nichts versprechen, aber ich werde darüber nachdenken.“
Das musste ja so kommen, dachte sie bei sich. Zuerst treten wir in den Krieg ein, und dann sollen wir alle Sklaven befreien.
„Mit deinem Pferd kannst du nicht weiter reisen.“ unterbrach Ronnert ihre Gedanken. „Frauen reisen nicht mehr allein durch Mula und erst recht nicht durch Samskara. Du würdest sehr schnell Ärger bekommen.“
Phenoma nickte.
„In der Poststation in der Bezirksstadt geht jeden Morgen eine Kutsche nach Samskara. Ein guter Freund von mir ist für die Beladung zuständig. Er könnte dich dort einschleusen.“ Phenoma nickte erneut.
„Ich weiß nicht, wie die Kontrollen an der Grenze zwischen Mula und Samskara sind. Wenn du Glück hast, kommst du glatt durch bis Ashwini.“
„Das hört sich gut an.“ Phenoma verschwieg, dass sie einen gefälschten Passierschein für die Grenze dabei hatte.
„Ich bringe dich morgen früh in die Stadt und werde alles arrangieren. Danach bist du auf dich allein gestellt.“
„Gut. Ich danke dir.“
„Denke an unsere Vereinbarung.“
„Das werde ich.“
Die Kämpferin
Phenoma wachte auf und war sofort hellwach. In ihrem Zimmer stand eine Person und betrachtete sie. Zunächst konnte sie nur den Schatten erkennen, aber ihr war sofort klar, dass sie es mit einer Frau zu tun hatte.
Einer Kämpferin.
Sie war gekleidet wie eine Reiterin aus der alten Zeit. Hier und dort lies der Stoff Stellen an ihrer Haut frei. Dadurch konnte Phenoma sehen, dass sie jung war.
Zu jung, um übrig geblieben zu sein. Sie war noch nicht geboren, als die Ausbildung der Reiterinnen eingestellt wurde.
Ihr Gesicht war hinter einem Stofftuch verborgen, dass den Teil ihres Gesichtes ab der Nasenwurzel frei lies. Phenoma sah ihre Augen funkeln.
Sie sagte immer noch nichts. Auch Phenoma verhielt sich still.
Draußen dämmerte der neue Tag. In Kürze war es Zeit um aufzubrechen. Aber ihre Besucherin schien nicht darauf bedacht zu sein, sie einfach gehen zu lassen.
Von unten kamen Geräusche. Offensichtlich war den Besitzern des Hauses nichts passiert.
Erst jetzt sah Phenoma, dass die Kämpferin mit einem Schwert bewaffnet war. Es hing griffbereit an ihrem Gürtel, halb verdeckt von der Kleidung. Es war nicht ihres, Phenoma erkannte an dem Griff, dass es das Schwert war, was unten in der Wohnung an der Wand gehangen hatte. Aber die Art, wie sie es trug lies vermuten, dass sie wusste, wie man damit umgeht.
Phenoma schlug die Decke zur Seite und stand auf. Sie hatte nackt geschlafen, aber es war ihr egal, was die fremde Frau von ihr dachte. Sie stellte sich vor ihr hin und wartete. Endlich fing die Kämpferin an zu sprechen: „Ich bin hier, um eine Drachenreiterin abzuholen. Zu meiner Herrin.“
Ihre Stimme wies sie als junge Frau aus, Phenoma schätzte sie auf Mitte Zwanzig.
Sie hat Mut. Und ist taff.
„Wer ist deine Herrin?“ fragte Phenoma.
„Wer bist du?“ fragte die Kämpferin.
Phenoma kam die Begegnung surreal vor. Einerseits war sie hier mitten im Feindesland mit weiblichen Machtstrukturen konfrontiert. Andererseits könnte es das gar nicht geben. Die Samskarier hatten doch den Rat der Weisen ausgeschaltet. Entweder war eine dritte Macht am Werk oder es war eine Falle.
„Ich beantworte keine Fragen von jemanden, der sein Gesicht verdeckt und sich nicht vorstellt.“
Die junge Frau zog das Tuch herunter und ihr Gesicht kam zum Vorschein. Dann sagte sie, „Ich bin nur eine Novizin, mein Name ist nicht wichtig. Aber meine Herrin wünscht dich zu sehen. Im Namen des Weisen Rates von Mula.“
Dann gibt es also doch eine Untergrundbewegung.
Phenoma betrachtete die Frau genauer. Wie sie gedacht hatte war sie kaum älter als 25, aber das konnte auch täuschen. Zwischen den Tuch, das sie trug lugte ihre rechte Brustspitze heraus. Aus irgendwelchen Gründen trug sie nichts