Die Tigerin. Walter Serner

Die Tigerin - Walter Serner


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aus kugelrunden, weißlich schimmernden Augen, die eine deutliche Geringschätzung seiner ganzen Person versuchten. »Aber du ... Warum machst du denn nichts? Leg dir doch was zurecht! Ohne Chiqué nichts zu wollen. Man muß seine Combine haben. Schöne Dupes machen. Sonst gehts einem so hundemäßig mouise wie dir.«

      Fec blies ihr den Zigarettenrauch ins Gesicht. »Ich mach mir nichts daraus. Ich mach mir nicht mal aus mir was.«

      Gaby schlug, gebrochen lachend, auf den Tisch. »Das ists ja eben, du Esel! Du machst nichts aus dir. Man wird doch nicht für das gehalten, was man ist. Sondern nur für das, was man den Leuten vormacht. Und auch das, was man wirklich ist, muß man den Leuten vormachen. Wie sollen sie denn sonst wissen, wofür sie einen zu halten haben, hé?«

      Fec zog mit geheuchelter Lässigkeit die Lider ein wenig zusammen. »Was du da sagst, ist mir nicht unbekannt. Denn ich habe es, fast mit denselben Worten, vor vierzehn Tagen im Hotel Grelot, als wir das letzte Mal ... Aber ich habe durchaus keine Lust mehr.«

      »Was für ein Esel du doch bist!« Gaby schwenkte, sehr geärgert, ihren Busen über die Tischplatte hin.

      »Eh ben, wozu soll ich also den Leuten noch beweisen, was ich bin?«

      Gaby lächelte verzogen. »Schad um dich.« Plötzlich griff sie nach seiner Hand. »Oder ist dir vielleicht das Coco bei mir zuwider?«

      In diesem Augenblick trat Bichette ein.

      Sie hatte kaum Fec erblickt, als sie schnell auf ihn zulief. Erst hart am Tisch bemerkte sie, daß Gaby, die vor Überraschung darauf vergessen hatte, Fecs Hand hielt. Wortlos setzte sie sich neben ihm auf die Bank.

      Gabys Augen wurden vor Erregung naß. Dann zog sie ganz langsam ihre Hand von der Fecs, stand auf und ging. Nach einigen Schritten rief sie: »Au revoyure, 'ssieurs dames.«

      Bichettes Kopf fiel höhnisch auflachend hintüber, verstummte jäh und kam ruckweise wieder herauf. Ihre ausgestreckten Arme hielten unbeweglich den Tischrand. Die Nasenflügel trieben. Sie blinzelte.

      Sogleich kam Gaby zurück, den Kopf geringschätzig schief geneigt, und setzte sich mit einem Satz auf den gegenüber befindlichen Tisch. »Eha, éha! ... So, so ... Also doch ... Ja, die Liebe, die Lie-i-i-iebe ...«

      Bichette packte mit einem Mal Fecs Hals und stieß seinen Mund fest auf den ihren.

      Gaby heulte, die Hände verkrampft im Nacken: »Eha, éha! Das ist ja abacadabrantissimo! Die Tigerin – eingefangen! Aber wer wird ihr jetzt zu fressen geben, he?«

      Ein Stuhl schlug knallend nieder: Bichette war aufgesprungen. Und schon warf sie sich, die Fäuste vor der Brust, auf Gaby und biß sie so fest in den Handballen, daß sie gell aufschreiend vom Tisch zu Boden glitt.

      Als Gaby, das Gesicht schmerzverzerrt, wutbebend sich aufrichtete, hatte Bichette ein Messer in der Hand.

      Jean, der Kellner, packte Gaby von hinten um die Arme und preßte seinen Kopf zwischen ihre Schultern.

      Fast gleichzeitig entriß Fec Bichette das Messer, hob ihr Handtäschchen auf und zerrte sie auf die Straße.

      Draußen fühlten beide von einander, daß sie jetzt lange schweigen würden ...

      In der Rue Démours blieb Bichette vor einem kleinen Konfektionsgeschäft stehen.

      Eine gelbe Wollkappe, die in der Auslage hing, gefiel Fec sehr. Er trat in den Laden, kaufte sie und setzte sie Bichette, die, über alle Maßen verwundert, auf der Straße wartete, schief und reizvoll verdrückt auf die wirren Haare. Dabei fiel ihm zu seinem Erstaunen auf, daß er das lediglich in einer heftig aufwallenden fröhlichen Stimmung, ohne jede besondere Überlegung getan und den langen Weg vom Montmartre bis zum Etoile neben Bichette in einem Zustand gleichsam stumpfer Befriedigung zurückgelegt hatte. Er rieb sich mit dem Handrücken das Kinn. Alles schien ihm plötzlich unbegreiflich.

      »V'lan, sie paßt sogar.« Bichette wand und drehte sich vor dem Spiegel neben dem Laden. Als sie endlich weiterging, lächelte sie Fec zu. Es war ihm, obwohl er minutenlang darüber nachgrübelte, unmöglich, zu entscheiden, wie.

      Da faßte Bichette ihn am Ärmel und zog ihn, der so verdutzt war, daß es ihm gar nicht beifiel, sich zu sträuben, in eine Bijouterie.

      Sie leerte ihr Handtäschchen auf den Ladentisch aus, stopfte die Schächtelchen, Stifte und Büchsen in ihre Bluse und fragte rasch: »Wie viel geben Sie mir für diese Tasche?«

      Der Bijoutier prüfte sie sorgsam mit einer großen Lupe, spitzte schließlich die blassen Lippen und lispelte: »Zweihundert.«

      »Dreihundert!« forderte Bichette schneidend.

      Der Bijoutier machte Einwendungen, schwatzte, da man ihm nicht antwortete, einige Zeit und warf schließlich, zweifelnd brummend, die Tasche in seinen Kassenschrank.

      Bichette entriß ihm fast die Banknoten, die sie augenblicklich Fec in den Westenausschnitt schob.

      Der Bijoutier wagte es nicht, zu lächeln. Er öffnete eigenhändig und höflich die Ladentür.

      Auf der Straße stellte sich Bichette, die Hände in den Haaren, schnell vor den Ladenspiegel. »Das ist die erste, die mir gefällt.«

      Fec, der jetzt zu begreifen begann, sagte, nur um sich reden zu hören: »Es ist englische Wolle.«

      »Hein? ... O, ich finde sie einfach riche.« Bichette nahm seinen Arm unter die Achsel und zog ihn so hinter sich her.

      Fec näßte seine trockenen Lippen. Ein jäher Zorn quoll auf in ihm, weil er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Er blieb stehen. »Bichette!«

      Sie wandte sich sofort um und wunderte sich, daß er stehengeblieben war. Immer noch seine Hand in den Händen, trat sie dicht vor ihn hin. So dicht, daß er sein Gesicht in ihren Pupillen erblickte.

      Fecs Stirnhaut zog sich faltig unter den Mützenschirm, während er halblaut zwischen den Zähnen hervorstieß: »Was soll denn das alles! Seit heute morgen machen wir nichts als Dummheiten.«

      Bichette ließ seine Hand los und trat einen Schritt zurück. Ihr Gesicht wurde kleiner. »Warum nicht.«

      »Ich liebe dich nicht.«

      Bichettes Lippen höhnten. »Ich dich auch nicht ... Aber ich kann nicht mehr – leer laufen.«

      »Leer laufen?« Fec versuchte, sich ihren Blick zu fangen.

      »Ja. Ich muß etwas haben.« Bichette zog schnell seinen Leib an sich. »Das alles sind Dummheiten, ich weiß es. Glaub doch nicht, daß ich ... Bah, das mit Gaby, das war nur Stolz, Wut, Eitelkeit, was weiß ich ... Und das heute morgen, das war ... Eben weil ich nicht mehr leer laufen kann. Und du, das weiß ich ganz genau, du läufst ja auch leer. So wie du lebst, das ist doch Blödsinn. Schlaß ist das. Absolut Schlaß. Und ich kann einfach nicht mehr so daherleben, so ... Das ist ... Blödsinnig ist das. Ich sage ja nicht, daß wir uns irgendwas vortrillern sollen, irgend so was wie diese zuckrigen Claqueweiber da mit ihren Marlous. Das ist von hinten herum ja doch wieder louche, diese alberne Räuberspielerei, dieses ekelhafte Liebesgetue und Blickgetürm und diese verlogenen Roheiten, diese Gewerbetreibenden mit Herz und Hintern und ... Schlingue! Ich hab den ganzen Jus bis dorthinaus! Mir soll noch einer kommen! Du hast ja meine beiden Narben gesehen. Spaß, wenn ich losgeh ... Aber das ist ja schließlich auch nichts. Wie alles. Ich halt es einfach nicht mehr so aus. Basta.« Sie stieß Fec von sich und stierte auf eine Laterne.

      »Wie alt bist du?«

      »Achtundzwanzig.«

      »Schon?«

      Bichette lächelte sonderbar, nahm seinen Körper in den Arm und ging weiter mit ihm.

      III

      Als sie, einer plötzlichen übermütigen Laune folgend, in einem vornehmen Restaurant der Avenue des Ternes déjeunierten, fragte Bichette, das Weinglas an den Lippen: »Warum hast du mir eigentlich diese Kappe gekauft?«

      Fec


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