Mephisto. Roman einer Karriere / Мефистофель. История одной карьеры. Клаус Манн

Mephisto. Roman einer Karriere / Мефистофель. История одной карьеры - Клаус Манн


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anderer junger Schauspieler, der sich bis dahin leise mit Vater Hansemann unterhalten hatte, sagte forsch und versöhnlich:»Hopla, das ist daneben gegangen! Laß nur, Miklas, sowas kann vorkommen, du bist sonst ein ganz braves Kind!«Dabei klopfte er dem Übeltäter auf die Schulter und lachte so herzlich, daß alle einstimmen konnten; sogar Kroge entschloß sich zu einer Heiterkeit, die freilich krampfhaften Charakter hatte: er schlug sich mit der flachen Hand auf den Schenkel und warf den Oberkörper nach vorne, so heftig schien er sich plötzlich zu amüsieren. Miklas aber blieb ernst; er drehte das verstockte, bleiche Gesicht zur Seite, die Lippen böse aufeinander gepreßt.»Sie ist doch eine Jüdin. «Er sprach so leise, daß fast niemand es hören konnte; nur Otto Ulrichs, der gerade erst durch seine Unbefangenheit die Situation gerettet hatte, hörte es, und nun strafte er ihn mit einem ernsten Blick.

      Nachdem Direktor Kroge durch sein Gelächter ausführlich bekundet hatte, daß er die Entgleisung des jungen Miklas durchaus von der komischen Seite nahm, winkte er Ulrichs.»Ach Ulrichs, kommen Sie doch bitte mal einen Augenblick!«Ulrichs setzte sich an den Tisch zu den Direktoren und Frau von Herzfeld.

      «Ich will mich nicht in Ihre Angelegenheiten mischen, wirklich nicht. «Kroge ließ es sich anmerken, daß die Sache ihm äußerst peinlich war.»Aber es kommt jetzt immer häufiger vor, daß Sie in kommunistischen Versammlungen auftreten. Gestern haben Sie schon wieder irgendwo mitgemacht. Das schadet Ihnen doch, Ulrichs, und uns schadet es auch. «Kroge sprach leise.»Sie wissen doch, wie die bürgerlichen Zeitungen sind, Ulrichs«, sagte er eindringlich.»Suspekt sind wir den Leuten ohnedies. Wenn eines unserer Mitglieder sich nun politisch exponiert – es kann verhängnisvoll für uns sein, Ulrichs. «Kroge trank sehr hastig seinen Cognac aus, er war sogar etwas rot geworden.

      Ulrichs antwortete ruhig.»Es ist mir sehr erwünscht, Herr Direktor, daß Sie von diesen Dingen zu mir sprechen. Natürlich habe ich auch schon über sie nachgedacht. Vielleicht ist es besser, wir trennen uns, Herr Direktor – glauben Sie mir, daß es mir nicht leicht fällt, diesen Vorschlag zu machen. Aber auf meine politische Betätigung kann ich nicht verzichten. Ihr müßte ich sogar mein Engagement opfern, und das wäre ein Opfer; denn ich bin gerne hier. «Er sprach mit einer angenehmen, dunklen und warmen Stimme. Während er redete, schaute Kroge mit einer väterlichen Sympathie auf sein intelligentes, kraftvolles Gesicht. Otto Ulrichs war ein gut aussehender Mann. Seine hohe, freundliche Stirn, von der das schwarze Haar weit zurückwich, und die engen, dunkelbraunen, gescheiten und lustigen Augen flößten Vertrauen ein. Kroge mochte ihn sehr. Deshalb wurde er jetzt beinah zornig.

      «Aber Ulrichs!«rief er aus.»Davon kann doch gar keine Rede sein. Sie wissen ganz genau, daß ich Sie niemals fortlassen würde!«»Wir können Sie gar nicht entbehren!«fügte Schmitz hinzu – der dicke Mensch überraschte zuweilen durch eine merkwürdig vibrierende, helle und hübsche Stimme – ; wozu die Herzfeld ernst bestätigend nickte.»Es ist doch nur ein klein bißchen Zurückhaltung, worum ich Sie bitte«, versicherte Kroge.

      Ulrichs sagte mit Herzlichkeit:»Ihr seid alle sehr nett zu mir – wirklich sehr nett – und ich werde mir Mühe geben, daß ich euch nicht gar zu sehr kompromittiere. «Die Herzfeld lächelte ihm vertraulich zu.»Es ist Ihnen ja wohl nicht ganz unbekannt«, sagte sie leise,»daß wir politisch weitgehend mit Ihnen sympathisieren.«– Der Mann, mit dem sie in Frankfurt verheiratet gewesen war und dessen Namen sie führte, war Kommunist. Er war viel jünger als sie und hatte sie verlassen. Zur Zeit arbeitete er in Moskau als Filmregisseur.

      «Weitgehend!«betonte Kroge mit lehrhaft erhobenem Zeigefinger.»Wenngleich nicht ganz, nicht in allen Stücken. Nicht alle unsere Träume haben sich in Moskau erfüllt. Können die Träume, die Forderungen, die Hoffnungen der Geistigen sich erfüllen unter der Diktatur?«

      Ulrichs antwortete ernst, wobei seine engen Augen noch schmaler wurden und einen beinah drohenden Blick bekamen:»Nicht nur die Geistigen – oder die, welche sich so nennen – haben ihre Hoffnungen und Forderungen. Noch dringlicher sind die Forderungen des Proletariats. Diese waren, so wie die Welt heute ist, nur zu erfüllen mittels der Diktatur. «Hier zeigte Direktor Schmitz ein bestürztes Gesicht. Ulrichs, um dem Gespräch eine leichtere Wendung zu geben, sagte lächelnd:»Übrigens wäre auf der Versammlung gestern das Künstlertheater beinah durch sein prominentestes Mitglied repräsentiert worden. Hendrik wollte eigentlich auftreten – im letzten Augenblick ist er dann leider verhindert gewesen.«

      «Höfgen wird immer im letzten Augenblick verhindert sein, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die bedenklich für seine Karriere werden könnten. «Kroge hatte verächtlich den Mund verzogen, während er dies sagte. Hedda von Herzfeld sah ihn flehend und kummervoll an. Als aber Otto Ulrichs mit Überzeugung äußerte:»Hendrik gehört zu uns«, lächelte sie erlöst.»Hendrik gehört zu uns«, wiederholte Ulrichs.»Und er wird das durch die Tat beweisen. Seine Tat wird das Revolutionäre Theater sein. In diesem Monat soll es eröffnet werden.«

      «Noch ist es nicht eröffnet. «Kroge lächelte boshaft.»Zunächst ist nur das Briefpapier da, mit der schönen Überschrift ›Revolutionäres Theater‹. Nehmen wir aber sogar einmal an, es kommt zur Eröffnung: glauben Sie, Höfgen wird sich heraustrauen mit einem wirklich revolutionären Stück?«

      Ziemlich heftig erwiderte Ulrichs:»In der Tat glaube ich das! Übrigens ist das Stück ja schon ausgesucht – man kann wohl sagen, daß es ein revolutionäres ist.«

      Kroge machte, mit der Miene und Gebärde eines müden und verächtlichen Zweifels:»Wir werden ja sehen. «Hedda von Herzfeld, die bemerkte, daß Ulrichs rot wurde vor Ärger, fand es geraten, nunmehr das Thema zu wechseln.

      «Was war das eigentlich vorhin für eine phantastische kleine Äußerung von diesem Miklas? Stimmt es also doch, daß der Bursche Antisemit ist und mit den Nationalsozialisten zu tun hat?«Bei dem Wort» Nationalsozialisten «verzerrte sich ihr Gesicht vor Ekel, als hätte sie eine tote Ratte berührt. Schmitz lachte verächtlich, während Kroge sagte:»So einen können wir gerade gebrauchen!«Ulrichs versicherte sich durch einen Seitenblick, daß Miklas ihnen nicht zuhörte, ehe er mit gedämpfter Stimme erklärte:

      «Hans ist im Grunde ein guter Kerl – ich weiß das, denn ich habe mich oft mit ihm unterhalten. Mit so einem Jungen muß man sich viel und nachsichtig beschäftigen – dann gewinnt man ihn vielleicht noch für die gute Sache. Ich glaube nicht, daß er für uns schon ganz verloren ist. Seine Aufsässigkeit, seine allgemeine Unzufriedenheit sind falsch gelandet – verstehen Sie, was ich meine?«Frau Hedda nickte; Ulrichs flüsterte eifrig:»In so einem jungen Kopf ist alles wirr, alles ungeklärt – es laufen ja heute Millionen herum wie dieser Miklas. Bei denen gibt es vor allem einen Haß, und der ist gut, denn er gilt dem Bestehenden. Aber dann hat so ein Bursche Pech und fällt den Verführern in die Hände, und die verderben seinen guten Haß. Sie erzählen ihm, an allem Übel seien die Juden schuld, und der Vertrag von Versailles, und er glaubt den Dreck, und vergißt, wer eigentlich die Schuldigen sind, hier und überall. Das ist das berühmte Ablenkungsmanöver, und bei all diesen jungen Wirrköpfen, die nichts wissen und nicht richtig nachdenken können, hat es Erfolg. Da sitzt dann so ein Häufchen Unglück und läßt sich Nationalsozialist schimpfen!«

      Sie schauten alle vier zu Hans Miklas hin, der an einem kleinen Tisch in der entferntesten Ecke des Raumes, bei der dicken alten Souffleuse, Frau Efeu, bei Willi Böck, dem kleinen Garderobier, und bei dem Bühnenportier, Herrn Knurr, Platz genommen hatte. Von Herrn Knurr wurde behauptet, daß er ein Hakenkreuz unter dem Rockaufschlag versteckt trage und daß seine Privatwohnung voll sei von den Bildern des nationalsozialistischen» Führers«, die er in der Portiersloge denn doch nicht aufzuhängen wagte. Herr Knurr hatte heftige Diskussionen und Streitigkeiten mit den kommunistischen Bühnenarbeitern, die ihrerseits nicht im H. K. verkehrten, sondern ihren eigenen Stammtisch in einer Kneipe gegenüber hatten – wo sie zuweilen von Ulrichs besucht wurden. Höfgen wagte sich beinah nie an den Stammtisch der Arbeiter; er fürchtete, die Männer würden über sein Monokel lachen. Andererseits pflegte er zu klagen, das H. K. sei ihm durch die Anwesenheit des nationalistischen Herrn Knurr ganz verleidet.»Dieser verfluchte Kleinbürger«, sagte Höfgen von ihm,»der auf seinen Führer und Erlöser wartet, wie die Jungfer auf den Kerl, der sie schwängern soll! Mir wird immer heiß und kalt, wenn ich an der Portiersloge vorbeigehen muß und an das Hakenkreuz unter seinem Rockaufschlag denke…«

      «Natürlich


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