Synnöve Solbakken: Erzählung. Bjørnstjerne Bjørnson

Synnöve Solbakken: Erzählung - Bjørnstjerne Bjørnson


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er Aslak geprügelt hat, und der ist stark, das kannst du mir glauben.« – »So?« – »Ja, er hat einmal ein Pferd genommen und es in die Höhe gehoben.« – »Ein Pferd?« – »Das ist so wahr, so wahr – denn er hat es selber erzählt!« – Da zweifelte sie auch nicht mehr daran. – »Wer ist Aslak?« fragte sie. – »Das ist ein schlimmer Gesell, das kannst du mir glauben. Vater, der hat ihn so geprügelt, wie auf der ganzen Welt noch nie ein Mann geprügelt worden ist.« – »Prügelt ihr euch denn da drüben bei euch?« – »Ja, manchmal, dann – tut ihr es bei euch nicht auch?« – »Nein, nie!« – »Was tut ihr denn?« – »Ach, die Mutter kocht das Essen und strickt und näht; das tut Kari auch, aber sie kann es nicht so gut wie die Mutter, denn Kari ist so faul. Und Randi besorgt die Küche, und der Vater und die Knechte sind auf dem Felde oder auch zu Hause.« – Diese Erklärung schien ihn vollständig zu befriedigen. – »Aber jeden Abend lesen und singen wir,« fuhr sie fort, »und das tun wir des Sonntags auch.« – »Alle zusammen?« – »Ja!« – »Das muß langweilig sein!« – »Langweilig! Mutter, er sagt –« Aber dann fiel ihr ein, daß sie die Mutter nicht stören sollte. – »Du kannst mir glauben, ich habe viele Schafe!« sagte sie. – »Wirklich?« – »Ja, zwei bekommen diesen Winter Lämmer, und das eine, glaube ich ganz sicher, bekommt zwei.« – »So, du hast also Schafe, du?« – »Ja, ich habe auch Kühe und Schweine. Hast du denn keine?« – »Nein!« – »Dann komm nur zu mir, dann will ich dir ein Lamm schenken. Du sollst sehn, du bekommst dann mehrere davon.« – Das würde schrecklich lustig sein! – Sie standen eine Weile schweigend da. – »Könnte Ingrid nicht auch ein Lamm bekommen?« fragte er. – »Ingrid? Wer ist Ingrid?« – »Ingrid – die kleine Ingrid!« – Nein, die kannte sie nicht. – »Ist sie kleiner als du?« – »Freilich ist sie kleiner als ich – ungefähr so wie du.« – »Ach ja, die mußt du mitbringen, hörst du!« – Ja, das wollte er tun. – »Aber,« sagte sie, »da du ein Lamm bekommst, so soll sie ein Ferkel haben!« – Das fand er auch viel vernünftiger, und dann sprachen sie ein wenig über gemeinsame Bekannte, deren sie freilich nicht viele hatten. Die Eltern waren fertig, und sie mußten nach Hause gehen.

      In der Nacht träumte er von Solbakken, und es war ihm, als sähe er da drüben nur weiße Lämmer und ein kleines blondes Mädchen mit roten Bändern zwischen ihnen umhergehn. Ingrid und er sprachen jeden Tag davon, daß sie hinübergehn wollten, sie hatten so viele Lämmer und kleine Ferkel zu hüten, daß sie gar nicht wußten, wie sie damit fertig werden sollten. Indessen wunderten sie sich sehr darüber, daß sie nicht sofort hinübergehn durften. – »Nur weil euch das kleine Mädchen eingeladen hat?« fragte die Mutter. »Hast du je so etwas gehört?« – »Ja, ja, wartet nur bis zum nächsten Sonntag, wo gepredigt wird,« sagte Thorbjörn, »da werdet ihr schon sehn.«

      Der Sonntag kam. – »Du sollst so arg prahlen und lügen und fluchen,« sagte Synnöve da zu ihm, »daß du nicht eher kommen darfst, als bis du dir das abgewöhnt hast.« – »Wer hat das gesagt?« fragte Thorbjörn ganz verwundert. – »Die Mutter.«

      Ingrid sah voller Erwartung der Heimkehr entgegen, und er erzählte ihr und der Mutter, wie es ihm ergangen wäre. – »Siehst du wohl!« sagte die Mutter. Ingrid aber sagte nichts. Doch von nun an gaben sie und die Mutter acht auf ihn, sobald er prahlte oder fluchte. Ingrid und er gerieten sich indessen eines Tages darüber in die Haare, ob der Ausdruck: »Der Hund fahre in mich!« als Fluch zu betrachten sei oder nicht. Ingrid bekam Prügel, und nun sagte er den ganzen Tag: »Der Hund fahre in mich!« Am Abend aber hörte der Vater es. – »Ja, er soll in dich fahren!« sagte er und versetzte ihm eine Ohrfeige, daß er zu Boden taumelte. Thorbjörn schämte sich am meisten vor Ingrid; aber nach einer Weile kam sie zu ihm hin und streichelte ihn.

      Als ein paar Monate vergangen waren, gingen sie beide nach Solbakken hinüber; dann kam Synnöve zu ihnen, und sie waren wieder bei ihr, und so ging es während der ganzen Zeit, daß sie heranwuchsen. Thorbjörn und Synnöve lernten um die Wette; sie gingen in dieselbe Schule, und er machte schließlich größre Fortschritte; so gute Fortschritte machte er, daß sich der Pfarrer seiner annahm. Mit Ingrid ging es nicht so gut, und die beiden andern halfen ihr. Sie und Synnöve wurden so unzertrennlich, daß die Leute sie die Schneehühner nannten, weil sie immer beieinander flatterten, und weil sie beide so blond waren.

      Es kam wohl vor, daß Synnöve sich über Thorbjörn ärgerte, weil er gar zu wild war und beständig in Schlägerei geriet. Ingrid legte sich dann immer ins Mittel, und sie waren gute Freunde wie zuvor. Hörte aber Synnöves Mutter von der Schlägerei, so durfte er in der Woche nicht nach Solbakken und nur mit genauer Not in der nächsten. Sämund wagte niemand etwas von dergleichen zu erzählen; »er ist zu hart mit dem Jungen,« sagte die Mutter und gebot allen Schweigen.

      Als sie nun heranwuchsen, waren sie alle drei schön anzusehn, jedes freilich auf seine Weise. Synnöve wurde groß und schlank, hatte hellblondes Haar, ein feines, leuchtendes Gesicht und sanfte, blaue Augen. Sie lächelte, wenn sie sprach, und schon früh sagten die Leute, es sei ein Segen, in den Bereich dieses Lächelns zu kommen. Ingrid war kleiner, aber rundlicher, sie hatte noch helleres Haar und ein ganz kleines, rundes, weiches Gesicht. Thorbjörn wurde mittelgroß, aber er war gut gewachsen, hatte dunkles Haar, dunkelblaue Augen, scharfe Gesichtszüge und starke Glieder. Er pflegte, wenn er zornig war, zu erzählen, daß er ebenso gut lesen und schreiben könne wie der Schulmeister und sich vor niemand im ganzen Tal fürchte – den Vater ausgenommen, dachte er bei sich; aber das sagte er nicht.

      Thorbjörn wollte gern früh konfirmiert werden, aber daraus wurde nichts. »Solange du nicht konfirmiert bist, bist du nur ein Knabe, und ich kann besser mit dir fertig werden,« sagte sein Vater. So kam es denn, daß er, Synnöve und Ingrid zu derselben Zeit zum Pfarrer gingen. Synnöve hatte auch lange gewartet, sie war fünfzehn Jahre und ging ins sechzehnte. – Man kann nie genug, wenn man sein Glaubensbekenntnis ablegen soll, hatte die Mutter immer gesagt, und der Vater Guttorm Solbakken hatte sein Ja dazu gesprochen. Da war es denn nicht zu verwundern, daß sich schon ein paar Freier zeigten, der eine der Sohn eines vornehmen Mannes, der andre ein reicher Nachbar. »Das ist aber doch zu arg! Sie ist ja noch nicht einmal eingesegnet!« – »Ja, dann müssen wir sie wohl einsegnen lassen,« meinte der Vater. Von alledem wußte aber Synnöve selbst nichts.

      Auf dem Pfarrhofe hatten die Damen Synnöve so gern, daß sie sie hereinholten, um sich mit ihr zu unterhalten. Ingrid und Thorbjörn waren draußen bei den andern stehngeblieben, und als einer der Knaben zu ihm sagte: »Du kamst also nicht mit hinein? Die schnappen sie dir gewiß noch weg!« da kostete es den Burschen ein blaues Auge. Von nun an wurde es Sitte bei den andern Knaben, ihn mit Synnöve zu necken, und es zeigte sich, daß ihn nichts in einen so großen Zorn versetzen konnte. In einem Walde unterhalb des Pfarrhofes kam es schließlich verabredetermaßen zu einer großen Prügelei, die ihren Grund in diesen Hänseleien hatte. Die Zahl seiner Gegner wuchs so an, daß sich Thorbjörn schließlich gegen eine ganze Schar auf einmal zu verteidigen hatte. Die Mädchen waren vorausgegangen, so daß niemand da war, der sie hätte auseinanderbringen können, und deswegen wurde es ärger und ärger. Nachgeben wollte er nicht, es drangen immer mehr auf ihn ein, und nun verteidigte er sich, wie er am besten konnte, und daher wurden Schläge ausgeteilt, die später selbst erzählten, was vorgefallen war. Die Veranlassung zu der Prügelei wurde zugleich bekannt, und infolgedessen entstand ein großes Gerede im Kirchspiel.

      Am folgenden Sonntag wollte Thorbjörn nicht zur Kirche gehn, und am nächsten Tage, als sie zum Pfarrer gehn sollten, stellte er sich krank. Ingrid ging deswegen allein. Er fragte sie bei der Heimkehr, was Synnöve gesagt habe. – »Nichts.«

      Als er dann wieder mitging, glaubte er, alle Leute sähen ihn an, und die Konfirmanden lachten über ihn. Aber Synnöve kam später als die andern und war an diesem Tage lange im Pfarrhause. Er fürchtete, Vorwürfe von dem Pfarrer zu bekommen, merkte aber bald, daß die beiden einzigen im ganzen Kirchspiel, die nichts von der Schlägerei wußten, der Vater und der Pfarrer waren. Das war ja soweit alles ganz gut, nur wußte er nicht, wie er es anfangen sollte, wieder mit Synnöve zu sprechen, denn zum erstenmal wagte er nicht recht, Ingrid um ihre Vermittlung zu bitten. Nach dem Unterricht ging Synnöve wieder ins Pfarrhaus. Er wartete, solange noch andre auf dem Hofe waren; schließlich mußte aber auch er gehn. Ingrid war mit den ersten fortgegangen.

      Am nächsten Tage war Synnöve


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