Die Macht der Drei. Dominik Hans

Die Macht der Drei - Dominik Hans


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Doch dürfte es auf keinen Fall länger als bis zum Ablauf dieses Monats dauern.«

      »Hm … dann also, meine Herren … dann wird man R. F. c. 1 zur geeigneten Zeit in England landen sehen.«

      Ein Adjutant trat ein und flüsterte dem Präsidenten ein Wort ins Ohr.

      »Gut, ich komme.«

      Der Präsident erhob sich, die Sitzung war beendet.

      Aus dem blauen Mittagshimmel schoß ein silbern schimmernder Punkt auf das Weiße Haus in Washington zu, wurde größer, zeigte die schnittigen Formen eines Regierungsfliegers und landete sanft auf dem Dach des Gebäudes.

      Als einziger Passagier verließ Dr. Edward F. Glossin die Maschine. Den linken Fuß beim Gehen leicht nachziehend, schritt er an den martialischen Gestalten der Leibgarde vorbei. Auf den Treppenabsätzen und in den Korridoren standen die baumlangen blonden Kerle aus den westlichen Weizenstaaten in ihren malerischen Uniformen. Sie hielten die Wache um den Präsident-Diktator wie früher die Grenadiere der Potsdamer Garde um die preußischen Könige oder die Eisenseiten um Oliver Cromwell.

      Im Vorzimmer traf der Doktor den Adjutanten des Diktators und ließ sich melden. Nur eine knappe Minute, und der Diktator trat aus dem Sitzungssaale und stand vor ihm. Nach flüchtigem Gruß hieß er ihn in sein Arbeitszimmer mitkommen.

      »Wer ist Logg Sar?«

      Dr. Glossin fühlte die unbestimmte Drohung, die in der Frage lag, und trat einen Schritt zurück.

      »Logg Sar ist … Silvester Bursfeld.«

      Tiefes Erstaunen malte sich auf den Zügen Stonards.

      »Bursfeld … der im englischen Tower gefangen saß?«

      »Nein, sein Sohn. Der Vater hieß Gerhard.«

      »Mein Gedächtnis ist gut. Sie haben mir von einem Sohne Gerhard Bursfelds nie gesprochen. Warum nicht?«

      »Ich weiß es selbst erst seit drei Monaten.«

      »Und ich erfahre es erst heute?«

      Cyrus Stonard trat dicht an den Doktor heran. Ein Blick traf ihn, der sein Gesicht noch eine Nuance blasser werden ließ.

      »Erklären Sie!«

      »Es war vor ungefähr drei Monaten … Ich hielt mich einige Zeit in Trenton auf, um in meinem Laboratorium im Hause einer Mrs. Harte an einem Versuch zu arbeiten. Eines Tages kommt ein junger Ingenieur, der in den Staatswerken von Trenton beschäftigt ist, zu Mrs. Harte und erkundigt sich nach ihren Familienverhältnissen. Dabei stellt sich heraus, daß der verstorbene Mann der Mrs. Harte ein Stiefbruder von Gerhard Bursfeld war.«

      »Ihre Erzählung scheint darauf hinauszuwollen, daß der junge Ingenieur der Sohn von Gerhard Bursfeld ist. Warum nannte er sich Logg Sar?«

      »Auf Logg Sar lauten seine Papiere. Für die Welt und für ihn beruht alles andere auf Vermutungen. Für mich ist der Beweis erbracht.«

      »Liefern Sie ihn mir!«

      »Sie erinnern sich an meinen früheren Bericht über die Sache, Herr Präsident. Heute kenne ich seine Fortsetzung. Nachdem Gerhard Bursfeld die unfreiwillige Reise nach England gemacht hat, verschwindet er für immer im Tower. Sein Weib flieht mit ihrem kleinen Knaben in die kurdischen Berge. Unterwegs schließt sie sich einer Karawane an: Kaufleute, Priester und was sonst in Karawanen nach Mittelasien zieht. Die junge Frau ist den Strapazen des langen Weges nicht gewachsen. Irgendwo auf der Strecke zwischen Bagdad und Kabul wurde sie bestattet. Ein tibetanischer Lama, der in sein Kloster zurückkehrt, nimmt sich der Sterbenden an. Ihm übergibt sie ihren Knaben, macht ihm zur Not dessen Namen verständlich …«

      »Etwas schneller, wenn's beliebt, Herr Doktor!«

      »Der Lama nimmt den Knaben mit in sein Kloster Pankong Tzo und erzieht ihn in den Lehren Buddhas. Als der Knabe vierzehn Jahre alt ist, besucht eine Expedition schwedischer Gelehrter das Kloster. Der junge Europäer fällt auf. Von einem der Mitglieder der Expedition, dem Ethnologen Olaf Truwor, wird er mit nach Schweden genommen, wird mit dessen Sohn zusammen erzogen, wird wie dieser Ingenieur …«

      Cyrus Stonard hatte während des Berichtes mechanisch allerlei Arabesken gemalt, wie es seine Gewohnheit war. Jetzt warf er den Bleistift unwillig auf das vor ihm liegende Papier.

      »Glauben Sie im Ernst, Herr Doktor, daß irgendein Anwalt in den Staaten auf Ihre Erzählung hin einen Erbschaftsprozeß übernehmen würde?«

      »Nur noch einen kurzen Augenblick Geduld, Herr Präsident. Die Kette schließt sich Glied an Glied. Auf einer Rheinreise, die er nach dem Abschluß seiner Studien macht, wird Logg Sar von einem alten Ehepaar angesprochen, dem seine überraschende Ähnlichkeit mit Gerhard Bursfeld auffällt. Die alten Leute sind mit Gerhard Bursfeld verwandt, haben ihn genau gekannt und sind von dieser Ähnlichkeit ebenso frappiert … wie ich es war, als Logg Sar mir das erstemal vor die Augen trat. Ich glaubte damals, Gerhard Bursfeld so vor mir zu sehen, wie er dreißig Jahre früher in Mesopotamien vor mir gestanden hat. Die alten Leute machen Logg Sar darauf aufmerksam, daß ein Stiefbruder Gerhard Bursfelds in Trenton lebt. Logg Sar findet im weiteren Laufe seiner Ingenieurkarriere eine Stellung in den Trentonwerken. Er erinnert sich der Mitteilungen der alten Leute und spricht bei Mrs. Harte vor. Ihr Mann ist tot. Ein Bild von Gerhard Bursfeld findet sich im Hause. Die Ähnlichkeit ist überzeugend.«

      Cyrus Stonard blickte den Erzähler durchdringend an.

      »Sie tischen mir da eine sehr romantische, aber wenig beglaubigte Geschichte auf. Es fehlt nur noch das berühmte Muttermal, und die Sache könnte in Harpers Weekly stehen. Herr Doktor, ich wünsche von Ihnen schlüssige Beweise und keine Phantastereien. Haben Sie irgendeinen wirklichen Beweis, daß Logg Sar und Silvester Bursfeld identisch sind?«

      Dr. Glossin spielte seinen Trumpf aus.

      »Ein Wort schließt die Kette: Logg Sar.«

      »Was soll das heißen?«

      »Logg Sar bedeutet im Tibetanischen das Jahresende. Den letzten Tag des Jahres. Den Tag, den die christliche Kirche dem Silvester geweiht hat. Die sterbende Mutter hat dem fremden Priester verständlich zu machen versucht, was der Name ihres Kindes bedeutet. Das Jahresende. Der christliche Name wurde vergessen. Seine tibetanische Übersetzung ergab den neuen Namen, unter welchem der Knabe in Pankong Tzo verblieb.«

      »Das ist kein Beweis für mich, Herr Doktor. Und ich glaube … für Sie auch nicht.«

      Dr. Glossin trat einen Schritt näher an den Diktator heran.

      »Mein letzter Beweis, ein zwingender Beweis! Er kennt das Geheimnis seines Vaters. Es ist ihm überkommen, er hat es ausgebaut in einem Maße, daß …«

      Die feinen Flügel der Adlernase des Diktators zitterten. Zwei lotrechte Falten zogen sich zwischen seinen Augenbrauen zusammen, als er den Satz des Doktors vollendete:

      »… daß er unser werden oder verschwinden muß, wie seinen Vater die Engländer verschwinden ließen.«

      »Das erstere ist wohl nicht mehr möglich.«

      »Nach dem Experiment in Sing-Sing … ich glaube, daß Gründe vorhanden sind, die mir gestatten, Ihr Konto damit zu belasten, Herr Doktor! Finden Sie einen Weg, auf dem sich die andere Möglichkeit bewerkstelligen läßt?«

      Cyrus Stonard warf dem Doktor einen Blick zu, der diesen erschauern ließ. Ein Wink des Diktators, und er war selbst aus der Liste der Lebenden gestrichen, fand vielleicht schon in wenigen Stunden selbst sein Ende auf dem Stuhle in Sing-Sing.

      Cyrus Stonard ließ die Lider sinken und fuhr ruhig fort: »Wie sind Sie hinter sein Geheimnis gekommen?«

      Der Doktor schöpfte tief Atem und begann stockend zu erzählen:

      »Sein Gesicht war mir vom ersten Tage an verhaßt. Auch sonst hatte ich Grund … seine Anwesenheit im Hause Harte unangenehm zu empfinden …«

      »Hm! Hm … so … weiter!«

      »Er bat mich, mein Laboratorium in meiner Abwesenheit benutzen zu dürfen. Ich erlaubte es ihm. Beim Fortgehen sorgte ich dafür, daß zehntausend Volt


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