Die Mumie von Rotterdam, Zweiter Theil. Döring Georg

Die Mumie von Rotterdam, Zweiter Theil - Döring Georg


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Wassern nur zu nippen. Das Getränk war sehr stark. Dem zarten La Paix drängte es Thränen in die Augen, während Juliane nicht anders that, als habe sie ein Glas Wasser getrunken. Sie lachte ihn aus und schenkte von Neuem ein.

      »Ihr seyd ein Student und könnt nicht trinken?« spottete sie. »Ihr sollt es von mir lernen, daß Ihr Euch nicht wieder vor einem holländischen Mädchen zu schämen braucht! Freilich sind sie nicht alle, wie ich, auf den Schiffen groß gewachsen, wo die Seeluft eine kräftige Nahrung und ein starkes Getränk erheischt; aber eine Stadtjungfer aus Amsterdam oder dem Haag verschmäht doch auch ein Gläschen Rosoli nicht, denn es reinigt die Haut und belebt das Blut. Trinkt noch einmal! Ihr sollt eine gute Lehrmeisterin an mir finden. Stoßt an! Auf das Wohl derer, die Ihr liebt!«

      La Paix sah voraus, daß der Uebergenuß des ungewohnten Getränks ihm einen Rausch zuziehen würde; aber er konnte diese Gesundheit nicht ausschlagen.

      »Auf Euer Wohl!« entgegnete er und zwang sich noch einmal den Becher zu leeren.

      Während Juliane rasch den Inhalt des ihrigen hinabstürzte, warf sie einen forschenden Blick auf ihren Gesellschafter. Sie sah ein, daß sie ihm, zu Erreichung ihrer Absicht, nicht weiter mit Trinken zusetzen dürfe. Sie schob lachend die Gläser bei Seite, drang ihm einige Schnitte des Zimmetgebäckes auf und sagte:

      »Ich wette, Euer Freund Cadédis ist mehr vertraut mit der Rosoliflasche, als Ihr! An den Ufern der Garonne gebraucht man nicht blos den Zwiebelsaft zur Stärkung der Kräfte, man kennt auch recht gut die hülfreichen Geisterchen, die in einer solchen Phiole verstöpselt und verborgen stecken.«

      Diese Anspielung auf sein früheres Gespräch mit Le Vaillant, verrieth dem Studenten, daß Juliane sie belauscht hatte, daß sie ihre Sprache verstehe und, was noch schlimmer war, ohne Zweifel sie auch als Franzosen erkenne. Dennoch besaß er noch Herrschaft genug über sich, um sich nicht weiter zu verrathen. Wie hätte er auch in einem solchen Augenblicke mehr an andere Dinge denken können, als an das reizende Wesen an seiner Seite? Sie hatte ihm jetzt ihre Hand überlassen, er durfte diese an seine Lippen drücken. Sein ganzes Innere war erregt, sein Herz klopfte ungestüm, er sah mit schmachtenden Blicken die holde Juliane an, ohne den spöttischen Zug, der bei aller Freundlichkeit in ihrer Miene lag, zu bemerken.

      »Himmlische Juliane!« rief er im Tone der Begeisterung. »Ihr macht mich zum Glücklichsten aller Sterblichen, indem Ihr mir erlaubt, diese schönste Stunde meines Lebens an Euerer Seite hinzubringen. O, wer immer so fort schiffen könnte, immer fort – bis an der Welt Ende!«

      »Das würde sehr langweilig seyn!« lachte das Mädchen hell auf. »Hört lieber zu! Ich will Euch ein französisches Liedchen singen. Ihr liebt ja die französische Sprache!« setzte sie scharf betonend hinzu, »und vielleicht behagt Euch mein Lied besser, als mein Rosoli, und meine Zimmetschnitten.«

      Sie ergriff die Laute und stimmte ein leichtsinniges Lied an. Ihre liebliche Stimme steigerte das Entzücken des schwärmerischen Jünglings zu einem hohen Grade; seine Augen hafteten an den zierlichen Fingern, die leicht und gewandt über die Saiten flogen. Aus ihren Blicken sprüheten Blitze auf ihn, die Worte des Liedes sagten noch mehr: um keine Schätze der Welt hätte La Paix diese Augenblicke hingegeben!

      Das Lied war erst zur Hälfte, als Juliane plötzlich die Laute auf’s Polster warf, ihr hübsches Gesichtchen in verdrießliche Falten legte und mit dem Ausdrucke der Ungeduld ausrief:

      »Mein Himmel, auch der Gesang langweilt mich! Wir müssen etwas Anderes vornehmen. Wir sind noch nicht im Biesbosch,« fuhr sie fort, indem sie durch’s Fenster sah, »wir müssen Alles aufbieten, die langweilige Fahrt erträglich zu machen. Da habt Ihr ein Andenken an diese Stunde, lieber Junker! Es ist ein Riechfläschlein mit köstlichem Balsam, das mir wiederum der gute Oheim in Schidam verehrt. Denkt dabei manchmal an die fröhliche Juliane, die es so gar gut mit Euch gemeint!«

      Bei diesen Worten zog sie ein Schublädchen aus dem Tischchen und nahm, während La Paix mit wonnetrunkener Miene das süße Aroma des Büchschens in sich sog, Würfel und Karten hervor. Der Student achtete nicht darauf. Er war, nachdem er das Geschenk in der Nähe des Herzens wohl verwahrt hatte, beschäftigt, ein goldenes Kettchen von seinem Halse loszumachen, an dem sich eine werthvolle Schaumünze von demselben Metall befand. Beides hatte er in der Abschiedsstunde von seiner Mutter erhalten, und er achtete es über Alles hoch. Aber der Sinnentaumel riß ihn fort. Was er in einem Zustande ruhiger Besonnenheit um keinen Preis hingegeben haben würde, fiel jetzt der listigen Juliane als eine willkommene Beute zu.

      Sie hielt die glänzende Gabe ans Licht, betrachtete sie mit lüsternen Blicken und fragte endlich im Tone des Zweifels:

      »Ist’s gut Gold, lieber Junker? Man muß doch wissen, was man trägt von so werther Hand.«

      »Gewiß!« betheuerte La Paix. »Aecht Peruanisches! Mein Großvater hat es selbst aus Amerika mitgebracht. O, glaubt mir, himmlische Juliane, so lauter und stark, wie dieses Metall, ist die Liebe, die ich zu Euch im Herzen trage!«

      »Charmant!« versetzte die himmlische Juliane, indem sie die schöne Kette mit dem Schaustück behaglich in ihr Mieder schob. »Aber laßt uns Eins würfeln, Herzensjunker! Blos zum Scherz, einen Gulden den Einsatz und wer zuletzt gewonnen hat, der lacht den andern aus! Ich würfle für mein Leben gern. Die Stunden verfliegen, wie Minuten, und das Spiel versetzt in eine so angenehme Spannung, die ich mit Nichts in der Welt vergleichen kann. Kommt her! Da ist mein Satz. Die Sache wird bald abgethan seyn, denn viel darf ich nicht wagen, weil mich der Vater sehr knapp hält im Gelde.«

      Sie schüttete ihr kleines Börs’chen auf dem Tische aus. Was hätte La Paix in dem Zustande der Liebe und halber Trunkenheit, in dem er sich befand, dem verführerischen Mädchen abschlagen können? Er setzte und verlor rasch hintereinander. Sie neckte ihn mit seinem Verluste und meinte, er sey nicht stärker im Spielen, wie im Trinken. Diese Neckerei reizte den jungen Mann, der ganz aus seinem gewöhnlichen Geleis gekommen war, immer mehr. Die Sätze wurden verdoppelt, das Glück blieb Julianen getreu. Während des Spiels unterhielt sie ihn mit kurzweiligen Reden, nannte ihn bald ihren Herzensjunker, bald ihr liebstes Studentchen, und ihre freundlichen Blicke verwirrten ihn noch überdem so sehr, daß er gar nicht bemerkte, wie ihr kleiner Finger oft auf den Tisch huschte, einen ihr ungünstigen Wurf in einen günstigen verwandelnd, und wie sie zuletzt sogar ganz andere Würfel unter dem Tischchen hervorbrachte und mit diesen gegen ihn und die schon vorhandenen spielte. Es war noch keine halbe Stunde vergangen, als der letzte Gulden aus des Studenten Börse zu ihr hinüberflog und dieser den leeren Beutel verlegen vor sich hinhielt.

      Aber das laute Gelächter, das Juliane, indem sie aufstand, erschallen ließ, brachte ihn einigermaßen zur Besinnung. Der dumme Streich, den er gemacht hatte, wurde ihm klar; allein noch ließ ihn die Liebe nicht aus ihren Schlingen.

      »Herrliches Mädchen!« rief er aus und schritt ihr mit geöffneten Armen nach: »Alles was ich besitze gehört Euch, aber nehmt auch mein Herz an und laßt unsere Lippen diesen süßen Bund besiegeln!«

      Da veränderte sich mit einemmale Julianens ganzes Wesen. Ihre Blicke wurden finster, ihre Züge streng und ernst, sie sah den Jüngling von oben bis unten mit einer geringschätzigen Miene an und sagte wegwerfend:

      »Was fällt Euch ein, Junker? Ihr müßt wohl wenig mit ehrsamen Jungfrauen umgegangen seyn, daß Ihr eine Freundlichkeit, wie sie das gesellige Leben mit sich bringt, für eine Aufmunterung zu unanständiger Aufdringlichkeit nehmt. Ich habe Euch Höflichkeit erwiesen und dafür gebt Ihr mir Schimpf zurück. Ich dürfte das meinem Vater entdecken und er würde diese Beleidigung auf eine Weise bestrafen, die Euer unerlaubtes Liebesfeuer wohl abkühlen sollte! Doch ich will großmüthig seyn. Ich verzeihe Euch, Euere große Jugend mag Euch entschuldigen! Wenn Ihr einmal aus den Knabenjahren heraus seyd, dann wird ein tugendhaftes Mädchen wohl eher, ohne Gefahr für ihre Ehre, bei Euch verweilen können.«

      Die himmlische Juliane warf noch einen


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