Anna Karenina, 1. Band. Лев Николаевич Толстой

Anna Karenina, 1. Band - Лев Николаевич Толстой


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blickte wieder in sein Buch.

      „Nun gut; Elektricität und Wärme sind ein und dasselbe, aber ist es denn möglich zur Entscheidung der Frage eine Größe für die andere einsetzen zu können? Nein! Was folgt nun hieraus? Es existiert ein gemeinsames Band unter allen Naturkräften und dieses wird vom Instinkt empfunden. – Es wird übrigens ganz reizend werden wenn das Kälbchen der Pawa erst eine buntgescheckte Kuh sein wird und ich meine ganze Herde mit jenen drei mischen kann.“

      Ausgezeichnet!

      Wenn man dann so mit der Frau zusammen hinausgeht und den Gästen die uns besuchen, eine solche Herde vorstellen kann. Dann sagt wohl die Hausfrau, „wir haben dieses Kälbchen hier, ich und mein Kostja, zusammen wie ein Kind auferzogen.“

      „Wie kann Euch ein Kalb so sehr interessieren?“ würde der Gast sagen.

      „Nun, alles was meinen Gatten interessiert, interessiert mich,“ wäre dann die Antwort.

      Aber wer soll diese Hausfrau sein?

      Er dachte wieder an das, was in Moskau geschehen war.

      „Was thun jetzt? Ich habe nichts verschuldet.“

      „Jetzt aber soll alles nach neuer Art und Weise gehen. Es ist schlecht eingerichtet, daß das Leben selbst nicht das giebt, was die Vergangenheit nicht gab. Man muß eben ringen, um ein besseres, ein bei weitem besseres Leben führen zu können.“

      Er hob den Kopf und dachte nach.

      Die alte Laska, der Hühnerhund, welcher seine Freude über die Heimkunft des Herrn immer noch nicht ganz zu mäßigen vermocht hatte und hinausgelaufen war, um auf dem Hofe zu bellen, kehrte jetzt wieder zurück, mit dem Schweife wedelnd; er brachte den Geruch der frischen Luft mit herein, lief zu dem Gebieter, steckte den Kopf unter dessen Arm und winselte kläglich und bittend, daß er ihn liebkose.

      „Es fehlt nur, daß er noch spräche,“ sagte Agathe Michailowna. „Nur ein Hund, versteht er doch wohl, daß der Hausherr angekommen ist und er hat sich auch genug gelangweilt.“

      „Weshalb?“

      „Sehe ich etwa nicht, Batjuschka? Es wäre jetzt doch wohl Zeit für mich geworden, daß ich meine Herrschaft kenne: ich bin ja von klein auf unter ihr emporgewachsen. Nein, nein, Batjuschka; nur ein gesundes Herz in gesundem Leib!“

      Lewin blickte die Alte starr an; er verwunderte sich darüber, wie sie seine Gedanken erraten konnte.

      „Soll ich noch Thee bringen?“ frug Agathe Michailowna, die Tasse ergreifend, und ging hinaus.

      Der Hund schob immer wieder den Kopf unter seinen Arm. Er streichelte denselben und das Tier legte sich dann zu seinen Füßen nieder, indem es sich zusammenringelte und den Kopf auf die vorgestreckte Hinterpfote legte. Zum Zeichen, daß jetzt alles gut und in Ordnung sei, sperrte Laska das Maul auf, schnalzte mit den Lippen, legte sie bequemer um die alten schleimigen Zähne und verstummte dann in behaglicher Ruhe.

      Lewin folgte aufmerksam diesen letzten Bewegungen des Tieres.

      „Gerade so wie ich,“ sagte er zu sich selbst, „ganz so wie ich. Mag's gut sein.“

      28

      Nach dem Balle früh morgens sandte Anna Karenina ihrem Gatten ein Telegramm betreffs ihrer Abreise von Moskau noch am nämlichen Tage.

      „Nein, nein, ich muß, muß unbedingt reisen,“ erklärte sie ihrer Schwägerin, dieser die Änderung ihres Entschlusses in einem Tone mitteilend, als habe sie sich erinnert, daß es eine solche Unmasse von Geschäften wie man sich gar nicht denken könne, gäbe. „Nein, nein, es ist am besten, ich fahre jetzt!“

      Stefan Arkadjewitsch speiste heute nicht daheim, versprach aber, die Schwester um sieben Uhr abzuholen, um sie nach dem Bahnhof zu begleiten.

      Kity war gleichfalls nicht gekommen, hatte aber eine Mitteilung geschrieben, sie habe Kopfschmerzen.

      Dolly und Anna speisten also allein mit den Kindern und der Engländerin. Mochten nun die Kinder unbeständig oder feinfühlig sein, und empfinden, daß Anna an diesem Tage gar nicht so war, wie an jenem, als man sie so allgemein liebgewonnen hatte, daß sie sich gar nicht mehr mit ihnen befaßte, genug, diese brachen vielmehr plötzlich ihr Spiel mit der Tante ab und schienen nicht mehr die alte Liebe zu ihr zu empfinden; es kümmerte sie auch ganz und gar nicht, daß dieselbe heute fortreiste.

      Anna war den ganzen Vormittag über mit den Vorbereitungen zur Abreise beschäftigt. Sie schrieb Briefe an ihre Moskauer Bekannten, schrieb ihre Rechnungen und packte.

      Im allgemeinen schien es Dolly, als ob Anna sich nicht bei ruhiger Stimmung befinde, sondern in jener sorgenvollen Aufgeregtheit, welche Dolly selbst an sich recht wohl kennen gelernt hatte, und die nicht ohne Ursache sich einfindet und meistenteils eine Unzufriedenheit mit sich selbst verdeckt.

      Nach dem Essen begab sich Anna nach ihrem Zimmer, um sich anzukleiden, und Dolly folgte ihr dahin.

      „Wie bist du doch heute so seltsam?“ sagte sie zu Anna.

      „Ich? Findest du das? Ich bin nicht seltsam, aber ich bin nicht wohl. Das pflegt öfters bei mir der Fall zu sein, und ich möchte dann immer weinen. Man kann dies eine Thorheit nennen, doch es geht schon noch vorüber,“ sagte Anna schnell und beugte das errötende Gesicht nach dem Reisesack, in den sie ihr Nachthäubchen und ihre Battisttaschentücher packte.

      Ihr Auge zeigte einen absonderlichen Glanz und wurde beständig von Thränen umflort.

      „Erst wollte ich nicht von Petersburg fort und jetzt möchte ich nicht von hier hinweg.“

      „Du bist hierher gekommen und hast ein gutes Werk gestiftet,“ sagte Dolly, sie aufmerksam betrachtend.

      Anna blickte mit thränenfeuchten Blicken auf Dolly.

      „Sage das nicht,“ sagte sie, „ich habe nichts gethan und konnte auch nichts thun. Ich wundere mich nur oft, weshalb die Leute sich verschworen zu haben scheinen, mich zu verderben. Was habe ich gethan, was konnte ich thun? In deinem Herzen selbst fand sich so viel Liebe, daß du verzeihen mußtest und konntest.“

      „Wer weiß, ob es ohne dich der Fall gewesen wäre. Wie glücklich bist du, Anna,“ sagte Dolly. „In deiner Seele ist alles klar und gut.“

      „Ein jeder hat in sich sein skeleton, wie der Engländer sagt.“

      „Und was hast du für ein skeleton in dir? Bei dir ist doch alles so klar.“

      „Ja wohl!“ antwortete Anna schnell und unvermutet nach den Thränen erschien ein schlaues, spöttisches Lächeln auf ihren Lippen.

      „Nun, also ist es lächerlich, dein skeleton, und nicht traurig,“ sagte Dolly lächelnd.

      „Nein, traurig. Du weißt, warum ich jetzt abreise und nicht erst morgen? Ein Geständnis, welches mich bedrückt, will ich dir ablegen,“ fuhr Anna fort, voll Entschiedenheit sich in einem Lehnstuhl zurückwerfend und Dolly gerade in die Augen blickend.

      Zu ihrer Verwunderung bemerkte Dolly, daß Anna bis an die Ohren, bis zu den sich ringelnden schwarzen Löckchen auf dem Nacken errötete.

      „Ja,“ fuhr diese fort, „du weißt, weshalb Kity gestern nicht zum Essen hierher gekommen ist? Sie ist eifersüchtig auf mich. Ich soll sie vernichtet haben; ich war die Ursache davon, daß ihr jener Ball zu einer Tortur geworden ist, nicht aber zur Lust gereicht hat. Aber, wahrhaftig, ich bin nicht schuldig, oder doch wenigstens nur wenig schuld daran,“ sagte sie, mit ihrer feinen Stimme das Wort „nur wenig“ hervorhebend.

      „O, das hast du ganz ähnlich gesagt wie mein Stefan es that,“ lachte Dolly.

      Anna fühlte sich verletzt.

      „Nein, nein! Ich bin nicht Stefan,“ sagte sie sich verfinsternd. „Ich sage es nur deswegen dir, damit ich auch nicht für eine Minute nur mir erlauben möge, an mir selbst irre zu werden,“ sagte Anna.

      Aber in demselben Augenblick, da sie diese Worte sagte, fühlte sie, daß dieselben unwahr seien; sie zweifelte nicht nur an sich selbst, sie empfand vielmehr eine Erregung bei dem


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