Die Räuber. Friedrich von Schiller

Die Räuber - Friedrich von Schiller


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die ihm der Verleger mit baarem Gelde bezahlt – Und wenn dich der Wanderer so hin und her fliegen sieht im Winde – der muß auch kein Wasser im Hirn gehabt haben, brummt er in den Bart, und seufzt über die elenden Zeiten.

      Schweizer. (klopft ihn auf die Achsel.) Meisterlich, Spiegelberg! Meisterlich! Was, zum Teufel, steht ihr da, und zaudert?

      Schwarz. Und laß es auch Prostitution heissen – Was folgt weiter? Kann man nicht auf den Fall immer ein Pülverchen mit sich führen, das einen so im stillen übern Acheron fördert, wo kein Hahn darnach kräht! Nein, Bruder Moriz! dein Vorschlag ist gut. So lautet auch mein Katechismus.

      Schufterle. Blitz! Und der meine nicht minder. Spiegelberg, du hast mich geworben!

      Razmann. Du hast, wie ein anderer Orpheus, die heulende Bestie, mein Gewissen, in den Schlaf gesungen. Nimm mich ganz, wie ich da bin.

      Grimm. Si omnes consentiunt ego non dissentio. Wohlgemerkt ohne Komma. Es ist ein Aufstreich in meinem Kopf; Pietisten – Quacksalber – Rezensenten und Gauner. Wer am meisten bietet, der hat mich. Nimm diese Hand, Moriz.

      Roller. Und auch du Schweizer? (gibt Spiegelberg die rechte Hand.) Also verpfänd ich meine Seele dem Teufel.

      Spiegelberg. Und deinen Namen den Sternen! was liegt daran, wohin auch die Seele fährt? Wenn Schaaren vorausgesprengter Kuriere unsere Niederfahrt melden, daß sich die Satane festtäglich herausputzen, sich den tausendjährigen Ruß aus den Wimpern stäuben, und Myriaden gehörnter Köpfe aus der rauchenden Mündung ihrer Schwefel-Kamine hervorwachsen, unsern Einzug zu sehen? Kameraden! (aufgesprungen) frisch auf! Kameraden! was in der Welt wiegt diesen Rausch des Entzückens auf? Kommt Kameraden!

      Roller. Sachte nur! Sachte! wohin? das Thier muß auch seinen Kopf haben, Kinder.

      Spiegelberg. (Giftig.) Was predigt der Zauderer? Stand nicht der Kopf schon, eh noch ein Glied sich regte? folgt Kameraden!

      Roller. Gemach sag ich. Auch die Freyheit muß ihren Herrn haben. Ohne Oberhaupt gieng Rom und Sparta zu Grunde.

      Spiegelberg. (Geschmeidig.) Ja – haltet – Roller sagt recht. Und das muß ein erleuchteter Kopf seyn. Versteht ihr? Ein feiner politischer Kopf muß das seyn. Ja! wenn ich mir's denke, was ihr vor einer Stunde waret, was ihr izt seyd, – durch Einen glücklichen Gedanken seyd – Ja freylich, freylich, müßt ihr einen Chef haben – Und wer diesen Gedanken entsponnen, sagt, muß das nicht ein erleuchteter politischer Kopf seyn?

      Roller. Wenn sich's hoffen ließe – träumen ließe – Aber ich fürchte, er wird es nicht thun.

      Spiegelberg. Warum nicht? Sag's kek heraus, Freund! – So schwer es ist, das kämpfende Schiff gegen die Winde zu lenken, so schwer sie auch drückt die Last der Kronen – Sag's unverzagt, Roller – Vielleicht wird ers doch thun.

      Roller. Und lek ist das Ganze, wenn er's nicht thut. Ohne den Moor sind wir Leib ohne Seele.

      Spiegelberg. (Unwillig von ihm weg.) Stockfisch!

      Moor. (tritt herein in wilder Bewegung, und läuft heftig im Zimmer auf und nieder, mit sich selber.)

      Moor. Menschen – Menschen! falsche, heuchlerische Krokodilbrut! Ihre Augen sind Wasser! Ihre Herzen sind Erz! Küsse auf den Lippen! Schwerter im Busen! Löwen und Leoparde füttern ihre Jungen, Raben tischen ihren Kleinen auf dem Aas, und Er, Er – Bosheit hab ich dulden gelernt, kann dazu lächeln, wenn mein erboster Feind mir mein eigen Herzblut zutrinkt – aber wenn Blutliebe zur Verrätherinn, wenn Vaterliebe zur Megäre wird; o so fange Feuer, männliche Gelassenheit, verwilde zum Tyger, sanftmüthiges Lamm, und jede Faser recke sich auf zum Grimm und Verderben!

      Roller. Höre Moor! Was denkst du davon? Ein Räuberleben ist doch auch besser, als bey Wasser und Brod im untersten Gewölbe der Thürme?

      Moor. Warum ist dieser Geist nicht in einen Tyger gefahren, der sein wüthendes Gebiß in Menschenfleisch haut? Ist das Vatertreue? Ist das Liebe für Liebe? Ich möchte ein Bär seyn, und die Bären des Nordlands wider dies mörderische Geschlecht anhetzen – Reue, und keine Gnade! – Oh ich möchte den Ocean vergiften, daß sie den Tod aus allen Quellen saufen! Vertrauen, unüberwindliche Zuversicht, und kein Erbarmen!

      Roller. So höre doch, Moor, was ich dir sage!

      Moor. Es ist unglaublich, es ist ein Traum, eine Täuschung – So eine rührende Bitte, so eine lebendige Schilderung des Elends und der zerfliessenden Reue – die wilde Bestie wär' in Mitleid zerschmolzen! Steine hätten Thränen vergossen, und doch – man würde es für ein boshaftes Pasquill auf's Menschengeschlecht halten, wenn ich's aussagen wollte – und doch, doch – oh daß ich durch die ganze Natur das Horn des Aufruhrs blasen könnte, Luft, Erde und Meer wider das Hyänen-Gezücht in's Treffen zu führen!

      Grimm. Höre doch, höre! vor Rasen hörst du ja nicht.

      Moor. Weg, weg von mir! Ist dein Name nicht Mensch? Hat dich das Weib nicht gebohren? – Aus meinen Augen du mit dem Menschengesicht! – Ich hab ihn so unaussprechlich geliebt! so liebte kein Sohn, ich hätte tausend Leben für ihn – (schäumend auf die Erde stampfend.) ha! – wer mir itzt ein Schwerdt in die Hand gäbe, dieser Otternbrut eine brennende Wunde zu versetzen! wer mir sagte: wo ich das Herz ihres Lebens erzielen, zermalmen, zernichten – Er sey mein Freund, mein Engel, mein Gott – ich will ihn anbeten!

      Roller. Eben diese Freunde wollen ja wir seyn, laß dich doch weisen!

      Schwarz. Komm mit uns in die böhmischen Wälder! Wir wollen eine Räuberbande sammeln, und du – (Moor stiert ihn an.)

      Schweizer. Du sollst unser Hauptmann seyn! du must unser Hauptmann seyn!

      Spiegelberg (wirft sich wild in einen Sessel.) Sklaven und Memmen!

      Moor. Wer blies dir das Wort ein? Höre, Kerl! (indem er Rollern hart ergreift) das hast du nicht aus deiner Menschenseele hervorgeholt! wer blies dir das Wort ein? Ja, bey dem tausendarmigen Tod! das wollen wir, das müssen wir! der Gedanke verdient Vergötterung – Räuber und Mörder! – So wahr meine Seele lebt, ich bin euer Hauptmann!

      Alle (mit lärmendem Geschrey.) Es lebe der Hauptmann!

      Spiegelberg (aufspringend, vor sich.) Bis ich ihm hinhelfe!

      Moor. Siehe, da fällts wie der Staar von meinen Augen! was für ein Thor ich war, daß ich in's Keficht zurückwollte! – Mein Geist dürstet nach Thaten, mein Athem nach Freyheit, – Mörder, Räuber! – mit diesem Wort war das Gesetz unter meine Füße gerollt – Menschen haben Menschheit vor mir verborgen, da ich an Menschheit appellirte, weg dann von mir Sympathie und menschliche Schonung! – Ich habe keinen Vater mehr, ich habe keine Liebe mehr, und Blut und Tod soll mich vergessen lehren, daß mir jemals etwas theuer war! – Kommt, kommt! – Oh ich will mir eine fürchterliche Zerstreuung machen – es bleibt dabey, ich bin euer Hauptmann! und Glück zu dem Meister unter euch, der am wildesten sengt, am gräßlichsten mordet, denn ich sage euch, er soll königlich belohnet werden – tretet her um mich ein jeder, und schwöret mir Treu und Gehorsam zu bis in den Tod! – schwört mir das bey dieser männlichen Rechte.

      Alle (geben ihm die Hand.) Wir schwören dir Treu und Gehorsam bis in den Tod!

      Moor. Nun und bey dieser männlichen Rechte! schwör ich euch hier, treu und standhaft euer Hauptmann zu bleiben bis in den Tod! Den soll dieser Arm gleich zur Leiche machen, der jemals zagt oder zweifelt, oder zurücktritt! Ein gleiches widerfahre mir von jedem unter euch, wenn ich meinen Schwur verletze! Seyd ihr's zufrieden? (Spiegelberg läuft wüthend auf und nieder.)

      Alle (mit aufgeworfenen Hüten.) Wir sind's zufrieden.

      Moor. Nun dann, so laßt uns geh'n! Fürchtet euch nicht vor Tod und Gefahr, denn über uns waltet ein unbeugsames Fatum! Jeden ereilet endlich sein Tag, es sey auf dem weichen Kissen von Pflaum, oder im rauhen Gewühl des Gefechtes, oder auf offenem Galgen und Rad! Eins davon ist unser Schicksal!

(Sie gehen ab.)

      Spiegelberg


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