Der Aufstand Der Tapferen. Морган Райс
Doch seit der Invasion hatten sie den Kontakt verloren. Seevig, der einst so stolze Kriegsherr, war nun ein gedemütigter Krieger, der nicht mehr die Meere befahren, nicht mehr über seine Stadt herrschen und die anderen Festungen nicht mehr besuchen konnte – genau wie alle anderen einstigen regionalen Machthaber. Sie hätten ihn genauso gut einsperren können und ihn als das bezeichnen können was er wirklich war: ein Gefangener wie alle anderen Kriegsherren Escalons auch.
Duncan ritt durch die Nacht, die Hügel nur erleuchtet von den Fackeln seiner Männer; hunderte von Lichtfunken auf dem Weg nach Süden. Auf dem Weg schneite es weiter und der Wind tobte und ihre Fackeln kämpften dagegen an, um weiter Licht geben zu können, während der Mond gegen die Wolken kämpfte. Doch Duncans kleine Armee zog weiter. Seine Männer wären ans Ende der Welt für ihn geritten. Duncan wusste, dass es ungewöhnlich war, mitten in der Nacht anzugreifen, und ganz besonders mitten in einem Schneegestöber, doch Duncan war kein gewöhnlicher Krieger. Das hatte es ihm ermöglicht, sich hochzuarbeiten, der Kommandant des alten Königs zu werden und hatte dazu geführt, dass er seine eigene Festung besaß. Und das war auch der Grund, warum er von all den verstreuten Kriegsherren respektiert wurde. Duncan hatte nie getan, was andere taten. Er hatte ein Motto, nach dem er zu leben versuchte: Tu was die anderen am wenigsten erwarten.
Die Pandesier würden nie einen Angriff erwarten, denn die Nachricht von Duncans Aufstand konnte sich nicht so schnell nach Süden verbreitet haben – nicht wenn Duncan und seine Männer weiter so gut vorankamen. Ganz besonders würden sie keinen Angriff mitten in der Nacht erwarten und schon gar nicht im Schnee. Sie kannten das Risiko, in der Nacht zur reiten, dass die Pferde sich die Beine brechen konnten und zahllose andere Probleme. Kriege, das wusste Duncan, wurden oft mehr durch das Überraschungsmoment und Geschwindigkeit gewonnen, als durch eine überlegene Armee.
Duncan hatte vor, die ganze Nacht hindurch zu reiten, bis er Esephus erreichen würde. Dort wollte er mit seinen paar hundert Männern versuchen, die riesige pandesische Besatzungsmacht zu überwältigen und diese großartige Stadt zurückerobern. Wenn es ihm gelang Esephus zu erobern, vielleicht – ja vielleicht konnte es ihm dann gelingen genug Männer und Schwung zu mobilisieren, ganz Escalon zurückzuerobern.
„Da unten!“, rief Anvin und deutete in das Schneegestöber.
Duncan blickte ins Tal und sah zwischen dem Schnee und dem Nebel ein paar kleine Dörfer, die in der Landschaft verteilt waren. Duncan wusste, dass in diesen Dörfern tapfere Krieger lebten, die Escalon gegenüber loyal geblieben waren. Jeder von ihnen hatte nur eine Handvoll Männer, doch jeder Mann zählte.
Duncan rief über den Wind hinweg.
„Lasst die Hörner erklingen!“
Seine Männer bliesen in die Hörner, ein paar kurze Stöße nur, die den alten Ruf Escalons zu den Waffen repräsentierten. Der Klang wärmte sein Herz, denn er war in Escalon schon seit Jahren nicht mehr zu hören gewesen. Es war ein Klang, den seine Landsleute erkennen würden, ein Klang, der ihnen alles sagte, was sie wissen mussten. Wenn in diesen Dörfern gute Männer lebten, würde dieser Klang sie rufen.
Wieder hallten die Hörner und als sie näher kamen, erhellten immer mehr Fackeln die Dörfer. Die Dorfbewohner, aufgeweckt von den Hörnern, begannen, sich mit Fackeln in den Straßen zu sammeln. Männer warfen sich schnell in ihre Kleider, nahmen die primitiven Waffen und das Rüstzeug, die man ihnen gelassen hatte und eilten nach draußen.
Sie starrten den Hügel hinauf wo sie Duncan und seine Männer sahen, die sich ihnen näherten und staunten.
Duncan konnte sich gut vorstellen, was für einen Anblick er und seine Männer boten, wie sie mitten in einem Schneesturm durch die Nacht ritten und Fackeln die Landschaft erhellten.
Duncan und seine Männer ritten in das erste Dorf, wo ihre Fackeln hunderte von verängstigten Gesichtern erhellten. Duncan blickte in die hoffnungsvollen Augen seiner Landsleute und wünschte sich nichts mehr, als die Männer zu inspirieren wie nie zuvor.
„Männer von Escalon!“, polterte er und sah die Männer an, die sich um ihn scharten.
„Wir haben viel zu lange unter der Unterdrückung Pandesias gelitten! Es ist eure Entscheidung: bleibt hier und lebt euer Leben in diesem Dorf und erinnert euch an das Escalon, das einmal war. Oder ihr könnt euch als freie Männer erhaben und euch uns in unserem großen Krieg für die Freiheit anschließen!“
Die Dorfbewohner brachen in freudigen Jubel auf und stürmten auf ihn zu.
„Die Pandesier haben angefangen, unsere Mädchen zu verschleppen!“, rief einer der Männer. „Wenn das die Freiheit sein soll, die sie uns versprochen haben, weiß ich nicht was Freiheit ist!“
Die Dorfbewohner jubelten.
„Wir stehen auf deiner Seite, Duncan!“, rief ein anderer. „Wir sind bereit, mit dir in den Tod zu reiten!“
Mehr Jubel erhob sich, und die Dorfbewohner eilten zu ihren Pferden, um sich Duncans Männern anzuschließen. Zufrieden mit seiner wachsenden Armee, gab Duncan seinem Pferd die Sporen und ritt aus dem Dorf hinaus. Dabei begann er zu erkennen, wie lange ein Aufstand in Escalon überfällig gewesen war.
Bald erreichten sie ein weiteres Dorf. Die Männer erwarteten sie bereits mit lodernden Fackeln. Sie hatten die Hörner gehört, die Schreie, sahen die wachsende Armee und wussten genau, was geschah. Sie riefen einander zu, erkannten einander und begriffen, was vor sich ging. Sie brauchten keine Ansprachen mehr.
Duncan ritt durch die Ortschaft hindurch und die Bewohner brauchten keine Überredung, sie sehnten sich nach der Freiheit, wollten ihre Würde zurück, ihre Waffen ergreifen, auf ihre Pferde aufsteigen und sich Duncan anschließen, wo immer er sie auch hinführen würde.
So ritt Duncan durch ein Dorf nach dem anderen, und erhellte trotzt Wind und Schnee die Nacht. Ihre Sehnsucht nach Freiheit war stark. Er erkannte, dass sie bereit waren, alles zu tun, die Nacht zu erhellen, bereit ihre Waffen zu nehmen, und ihre Leben zurückzufordern.
Duncan war die ganze Nacht lang geritten und führte seine wachsende Armee gen Süden. Seine Hände waren wund und kalt vom Halten der Zügel. Je weiter sie nach Süden kamen, desto mehr begann sich die Landschaft zu verändern; die trockene Kälte von Volis wich der feuchten Kälte von Esephus. Die Luft war schwer, so wie Duncan sie in Erinnerung hatte, mit der Feuchtigkeit und dem Salzgeruch des Meeres. Auch die Bäume waren anders hier, niedriger, vom Wind Ostwind verbogen, der hier nie aufhörte zu wehen.
Sie überwanden Hügel um Hügel. Die Wolken rissen auf; der Mond brach hindurch und erhellte ihnen den Weg. Sie ritten, Krieger gegen die Nacht, und es war eine Nacht, die Duncan für den Rest seines Lebens nicht vergessen würde – angenommen er überlebte sie. Von dieser Schlacht hing alles ab. Er dachte an Kyra, seine Familie sein Zuhause, und wollte sie nicht verlieren. Sein Leben stand auf dem Spiel genauso wie das aller die er kannte und liebte – heute Nacht würde er alles riskieren.
Duncan blickte zurück über seine Schulter und war überglücklich zu sehen, dass er mehrere hundert weiterer Männer rekrutiert hatte, die ihm nun alle folgten. Er wusste, dass sie selbst jetzt noch in der Unterzahl waren und noch dazu eine professionellen Armee gegenüberstehen würden. Tausende von Pandesiern waren in Esephus stationiert. Duncan wusste, dass Seevig immer noch Hunderte von Männern treu waren, doch er konnte nicht wissen, ob alle von ihnen das Risiko eingehen würden, sich Duncan anzuschließen. Duncan musste davon ausgehen, dass sie es nicht tun würden.
Bald überwanden sie den nächsten Hügel und blieben ehrfürchtig stehen. Denn dort, weit unter ihnen, breitete sich das Meer der Tränen aus, dessen Wellen an die Küste brandeten, den großen Hafen und die alte Stadt Esephus, die sich daneben erhob. Die Stadt sah aus, als wäre sie ins Meer gebaut worden und die Wellen brachen sich an ihren dicken Mauern. Sie wirkte, als kehrte sie dem Land den Rücken, ihre Tore öffneten sich zur See hin, als scherte sie sich mehr um Schiffe als um Pferde.
Duncan betrachtete den Hafen, die zahllosen Schiffe, die in ihm vor Anker lange und es verstimmte ihn, die Banner Pandesias an ihren Masten zu sehen, das Blau und Geld, das wie Stich in sein Herz über den Schiffen wehte. Die Flagge Pandesias – ein Schädel im Mail eines Adlers – machte Duncan krank. Eine solch großartige Stadt von Pandesia