Verraten . Морган Райс
ihm entwischt war. Rexus würde für jede einzelne Narbe, die Kyle davongetragen hatte, büßen müssen. Zwar besaß Rexus große Macht, doch mit dem Schwert war Kyle sogar noch mächtiger als er. Und Kyle würde nicht eher ruhen, bis er Rexus eigenhändig getötet hatte und er selbst der neue Oberste Meister war.
Bei dem Gedanken grinste Kyle wieder breit. Oberster Meister. Nach all den Jahrtausenden. Er hatte es verdient – es war seine Bestimmung.
Kyle und seine Männer flogen immer weiter, über den Central Park, über das Stadtzentrum, über den Union Square, über Greenwich Village … bis sie schließlich den City Hall Park erreichten.
Elegant landete Kyle, und die Schar der Vampire, die inzwischen auf Hunderte angewachsen war, folgte seinem Beispiel. Es war unglaublich, wie groß seine Armee nun geworden war. Was für eine eindrucksvolle Rückkehr!
Als Kyle gerade auf die City Hall zusteuerte, um die Türen aufzubrechen und seinen Krieg zu beginnen, entdeckte er aus dem Augenwinkel etwas, was seine Aufmerksamkeit erregte. Etwas, das ihn beunruhigte.
Er zoomte die Brooklyn Bridge heran, die mehrere Häuserblocks entfernt war, um das dort herrschende wilde Durcheinander genauer zu inspizieren. Unmengen von Autos steckten im Stau vor der Brücke fest, weil jeder versuchte, aus der Stadt herauszukommen.
Doch die Brücke war abgeriegelt. Mehrere Panzer und Militärfahrzeuge blockierten den Weg, und Soldaten richteten ihre Maschinengewehre auf die Menge. Offensichtlich durfte niemand Manhattan Island verlassen. Das Militär hatte den Auftrag, eine weitere Verbreitung der Seuche zu verhindern. Wahrscheinlich hatte man inzwischen sämtliche Brücken und Tunnel abgeriegelt.
Eigentlich war das genau das, was Kyle gewollt hatte: Wenn alle Menschen in Manhattan in der Falle saßen, würde es einfacher sein, sie zu töten.
Trotzdem drehte sich ihm jetzt der Magen um, als er das Spektakel mit eigenen Augen sah. Denn er hasste sämtliche Obrigkeiten – und dazu gehörte eben auch das Militär. Beinahe empfand er Mitgefühl mit den Menschenmassen, die schreiend verlangten, die Insel verlassen zu können. Sie wurden von Autoritätspersonen aufgehalten, und bei dem Gedanken kochte heiße Wut in Kyle hoch.
Gleichzeitig schoss ihm eine neue Idee durch den Kopf. Warum sollte man nicht einige Menschen von der Insel lassen? Denn dann würden sie die Pest weiterverbreiten, was ganz in seinem Sinne wäre. Zum Beispiel nach Brooklyn. Ja, das wäre doch sehr praktisch.
Plötzlich erhob Kyle sich wieder in die Lüfte und flog auf die Brooklyn Bridge zu. Sofort folgten ihm Hunderte Vampire.
Gut, dachte er. Sie sind loyal und gehorsam, und sie stellen keine Fragen. Eine sehr brauchbare Armee.
Geschmeidig landete Kyle vor der Brooklyn Bridge auf der Motorhaube eines Autos. Die Stiefel der anderen Vampire machten klackende Geräusche, als sie auf den Autos hinter Kyle aufsetzten.
Ein plötzliches Hupkonzert setzte ein – offensichtlich gefiel es den Menschen nicht, wenn man über ihre Autos spazierte.
Wut flammte in Kyle auf, weil diese erbärmlichen Menschen so undankbar waren und hupten, obwohl er gekommen war, um ihnen zu helfen.
Er stand auf der Motorhaube eines Saab Geländewagens und wollte gerade herunterspringen, um sich um das Militär zu kümmern. Weil der Fahrer jedoch wie wild hupte, drehte er sich langsam um und blickte durch die Windschutzscheibe auf die Familie hinunter, die wiederum zu ihm hinaufstarrte.
Sie waren eine typische adrette Vorzeigefamilie. Auf den Vordersitzen saßen Ehemann und Ehefrau, beide in den Vierzigern, hinter ihnen ihre beiden Kinder. Der Mann öffnete das Fenster und drohte Kyle mit der Faust.
»Runter von meinem Auto, verdammt noch mal!«, schrie er erbost.
Langsam kniete Kyle sich hin, holte aus und zertrümmerte mit der Faust die Windschutzscheibe. Dann packte er den Mann an seinem Polokragen und riss ihn durch die Scheibe aus dem Wagen. Glassplitter flogen in alle Richtungen, während die Ehefrau und die Kinder vor Entsetzen aufschrien.
Breit grinsend hob Kyle den Mann hoch über seinen Kopf.
Der arme Kerl jammerte und schrie. Die Glasscherben hatten ihm viele Verletzungen zugefügt, und er war blutüberströmt.
Mit Schwung warf Kyle den Mann durch die Luft, als wäre er ein Papierflugzeug. Er flog viele Meter weit und stürzte schließlich irgendwo mitten im Stau auf ein Auto. Kyle hoffte, dass er tot war.
Nun machte Kyle sich an die Arbeit, sprang von dem Auto und lief auf die riesigen Panzer zu, die den Zugang zur Brücke versperrten. Die übrigen Vampire folgten ihm auf den Fersen.
Als Kyle und seine Männer näher kamen, wurden die Soldaten sichtlich nervös. Mehrere brachten ihre Maschinengewehre in Anschlag.
Zwischen den Panzern und den Autos befand sich ein gut dreißig Meter breiter Streifen, den offensichtlich niemand überqueren wollte.
Doch Kyle überschritt diese unsichtbare Grenze völlig unbekümmert und marschierte geradewegs auf die Panzer zu.
»Stehen bleiben!«, rief einer der Soldaten durch ein Megafon. »Kommen Sie NICHT näher, sonst eröffnen wir das Feuer!«
Kyle lachte über das ganze Gesicht und marschierte weiter.
»Ich habe gesagt, STEHEN BLEIBEN!«, wiederholte der Soldat. »Das ist die LETZTE Warnung! Es besteht Ausgangssperre. Wir haben den Auftrag, nach Einbruch der Nacht auf jeden zu schießen!«
Kyles Grinsen wurde noch breiter.
»Die Nacht gehört mir«, antwortete er.
Als Kyle seinen Weg fortsetzte, eröffneten sie plötzlich das Feuer. Dutzende Soldaten richteten ihre Maschinenpistolen auf Kyle und seine Männer und schossen.
Die Kugeln prallten von Kyle ab, von seiner Brust, seinen Armen, seinem Kopf und seinen Beinen. Sie fühlten sich an wie Regentropfen, nur etwas heftiger. Amüsiert lächelte er über diese jämmerlichen Waffen der Menschen.
Dann sah er die entsetzten Gesichter der Männer, als sie begriffen, dass er nicht einmal verletzt war. Ganz offensichtlich konnten sie nicht begreifen, warum er immer noch auf den Beinen war. Auch seine Begleiter waren gesund und munter.
Den Soldaten blieb keine Zeit, auf ihre Erkenntnis zu reagieren, denn Kyle ging bereits auf einen der Panzer zu, kroch darunter und stemmte ihn mit übermenschlichen Kräften in die Höhe. Dann trug er das Fahrzeug mehrere Schritte Richtung Brückengeländer. Einige Soldaten verloren das Gleichgewicht und purzelten von dem Panzer herunter, während Dutzende weiterer Männer sich mit aller Kraft an dem Metall festklammerten, um nicht abzustürzen.
Doch das erwies sich als großer Fehler.
Kyle machte noch drei schnelle Schritte und warf den Panzer mit aller Kraft von der Brücke.
Das Fahrzeug flog im hohen Bogen über das Geländer und stürzte viele Meter in die Tiefe auf den Fluss zu. Dabei drehte es sich immer wieder um sich selbst. Die Soldaten schrien, als sie sich nicht mehr halten konnten und abstürzten. Schließlich schlug der Panzer mit einem gewaltigen Platschen auf der Wasseroberfläche auf.
Plötzlich erwachte der Verkehr zum Leben. Die vollkommen verängstigten New Yorker traten ohne zu zögern das Gaspedal durch, und die Autos schossen auf der jetzt frei gewordenen Fahrspur auf die Brücke zu. Innerhalb weniger Sekunden brausten Hunderte von Autos aus Manhattan heraus. Als Kyle ihre Gesichter musterte, erkannte er, dass viele bereits mit der Pest infiziert waren.
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem entstellten Gesicht aus. Diese Nacht versprach wunderbar zu werden.
3. Kapitel
Samantha sah, wie die riesigen Doppeltüren sich knarrend öffneten, und spürte ein unangenehmes Ziehen im Bauch. Dann trat sie in Begleitung von mehreren Vampirwachen in das Gemach ihres Meisters. Zwar hielten sie sie nicht fest – das würden sie nie wagen – doch sie umringten sie so dicht, dass die Botschaft auch so eindeutig war. Demnach war sie immer noch eine von ihnen, obwohl sie unter Hausarrest stand – zumindest, bis das Treffen mit Rexus vorüber war. Er bestellte sie als Soldatin zu sich, doch gleichzeitig war sie auch eine Gefangene.
Nachdem