Das Gewicht der Ehre . Морган Райс
unter ihm bebte, die Erschütterung kam vom Brüllen des Riesen oben. Auch das Biest, so schien es, war sichtlich froh frei zu sein. Vesuvius stellte sich den Schaden vor, den der Riese dort oben erzeugen würde, wenn er seiner Tobsucht freien Lauf lassen und das Umland terrorisieren konnte – sein Lächeln wurde noch breiter. Das Biest würde seinen Spaß haben und wenn Vesuvius begann sich zu langweilen, würde er es umbringen. Aber bis dahin war es ein nützliches Instrument für seine Zerstörung des Schreckens.
Vesuvius schaute nach oben und blinzelte verwirrt, als er sah, dass sich der Himmel plötzlich verdunkelte und eine große Hitzewelle spürbar näher kam. Er war völlig verdutzt als er eine Wolke aus Flammen hinabkommen sah, die auf einmal die Landschaft bedeckte. Er verstand nicht was geschah als ihn die schreckliche Hitzewelle erreichte und ihm das Gesicht verbrannte, dann ertönte das Brüllen des Riesen – gefolgt von einem ungeheuren Schrei der Qual. Der Riese stampfte auf, offenbar verletzt und Vesuvius musste voller Schrecken mitansehen, dass er sich unerklärlicherweise wieder umdrehte. Mit seinem halb verbrannten Gesicht rannte der Riese zurück zum Tunnel, unter die Erde – und direkt in seine Richtung.
Vesuvius starrte um sich, konnte allerdings den Albtraum, der sich vor ihm ausbreitete, nicht begreifen. Warum würde der Riese umdrehen? Wo kam die Hitze her? Was hatte sein Gesicht verbrannt?
Dann nahm Vesuvius das Flattern von Flügeln und einen Schrei, der sogar noch entsetzlicher als der des Riesen war, wahr – und dann wusste er es. Es lief ihm ein Schauer über den Rücken, als er realisierte, dass über ihm, etwas noch Schrecklicheres als der Riese vorbeiflog. Es war etwas, von dem Vesuvius nie geglaubt hätte, dass er es in seiner Lebenszeit sehen würde: Ein Drache.
Vesuvius stand dort, zum ersten Mal in seinem Leben vor Angst wie erstarrt, auch seine gesamte Troll-Armee stand ohne Regung hinter ihm – sie alle waren gefangen. Das Undenkbare war geschehen: Der Riese lief vor Angst vor etwas weg, dass sogar noch größer als er selbst war. Verbrannt, voller Qual und Panik stieg er seine riesigen Fäuste schwingend den Tunnel wieder hinab, mit seinen bösartigen Klauen dreinschlagend, musste Vesuvius voller Schrecken zuschauen, wie seine Trolle um ihn herum zerquetscht wurden. Was auch immer auf seinem wutentbrannten Weg lag, wurde von seinen Füßen zerquetscht, von seinen Klauen zerteilt oder von seinen Fäusten zerschmettert.
Und dann, bevor er ihm aus dem Weg gehen konnte, fühlte Vesuvius seine eigenen Rippen knacken, als der Riese ihn nach oben schaufelte und ihn in die Luft warf.
Sich in der Luft befindend und sich wieder und wieder überschlagend, drehte sich die Welt um ihn herum – und das nächste was er spürte war, wie sein Kopf gegen Stein stieß. Ein schrecklicher Schmerz durchfuhr seinen Körper als er gegen eine Steinwand prallte. Als er auf den Boden hinabstürzte, verlor er das Bewusstsein und das Letzte was er sah war der Riese, der alles zerstörte, seine ganzen Pläne zunichtemachte, alles wofür er gearbeitet hatte, und dann realisierte er, dass er hier sterben würde, weit unten unter der Erde, nur wenige Zentimeter von dem Traum entfernt, dem er so nah gewesen war.
KAPITEL DREI
Duncan fühlte die Luft an sich vorbeiströmen, als er bei Sonnenuntergang am Seil die majestätischen Gipfel von Kos hinabglitt. Er hielt sich gut an dem Strick und an seinem lieben Leben fest, als er schneller als er es jemals für möglich gehalten hatte, das Seil hinabrutschte.
Um ihn herum glitten auch all die anderen Männer hinab– Anvin und Arthfael, Seavig, Kavos, Bramthos und Tausende andere. Duncans, Seavigs und Kavos Männer hatten sich zu einer Armee vereint. Sie alle glitten gemeinsam das Eis in Reihen hinunter, eine gut disziplinierte Armee übereinander hinwegspringend, um so schnell wie möglich den langersehnten Boden zu erreichen, ohne vorher entdeckt zu werden.
Immer wenn Duncans Füße das Eis berührten, stoß er sich direkt wieder ab, immer weiter hinabgleitend und nur die dicken Handschuhe, die Kavos ihm geschenkt hatte, schützten seine Hände davor zerfetzt zu werden.
Duncan staunte, wie schnell sich seine Armee bewegte, alle stürzten sich in fast freiem Fall die Klippe hinunter. Als er oben auf Kos stand, hatte er keine Idee gehabt, wie Kavos es schaffen wollte, eine Armee in dieser Größe so schnell und ohne Verluste den Berg hinunterzubringen; er hatte nicht gewusst, dass sie über ein so großes Repertoire an Seilen und Eispickeln verfügten, die sie so sanft den Berg hinunterbringen würden. Diese Männer waren fürs Eis gemacht und dieses blitzschnelle Abseilen war wie eine normale Wanderung für sie. Er verstand nun endlich was sie damit meinten, als sie sagten, dass nicht die Männer von Kos hier oben gefangen waren– sondern die Pandesier, diejenigen waren, die unten eingekesselt waren.
Kavos landete mit beiden Füßen auf einem breiten und ausgedehnten Plateau, welches aus dem Berg hervorstand und blieb auf einmal abrupt Stehen. Auch Duncan stoppte neben ihm, die anderen Männer taten es ihm gleich und alle legten eine kurze Pause auf der Hälfte des Berges ein. Kavos ging zum Rand des Plateaus und Duncan folgte ihm, über die Klippe lehnend sah er die vielen Seile unter ihnen baumeln, und durch den Nebel und die letzten Strahlen der Sonne hindurch konnte Duncan sehen wie sich am Fuß des Berges eine pandesische Garnison mit Tausenden von Soldaten ausdehnte.
Duncan sah zu Kavos hinüber und Kavos schaute zurück. Es lag Freude in seinen Augen. Es war eine Begeisterung, die Duncan bereits viele Male im Leben gesehen hatte: Die Ekstase eines wahren Krieges der in den Krieg zog. Es war das, wofür Männer wie Kavos lebten. Duncan musste zugeben, dass auch er selbst es spürte, dieses Kribbeln in den Venen und die Enge in der Magengegend. Beim Anblick dieser Pandesier freute auch er sich, so wie sein Nebenmann, auf die Aufregung des kommenden Kampfes.
„Du hättest überall hinuntergehen können“, sagte Duncan die Landschaft unter ihnen betrachtend. „Der Großteil ist nicht bevölkert. Wir hätten die Konfrontation vermeiden und direkt in die Hauptstadt ziehen können. Dennoch hast du den Ort ausgesucht, wo die Pandesier am stärksten sind.“
Kavos lächelte breit.
„Ja, das habe ich”, antwortete er. „Kavos Männer vermeiden die Konfrontation nicht – wir suchen sie.“ Und er grinste noch weiter. „Außerdem“, fügte er hinzu, „ein früher Kampf wird uns für den Marsch zur Hauptstadt aufwärmen. Und ich möchte, dass die Pandesier beim nächsten Mal zweimal darüber nachdenken, wenn sie sich dafür entscheiden den Fuß unseres Berges zu umzingeln.“
Kavos drehte sich um und nickte seinem Kommandanten, Brahmtos, zu. Brahmtos versammelte alle Männer und folgte Kavos und alle zusammen machten sich an die Arbeit einen riesigen Eisbrocken an die Ecke der Klippe zu schieben. Alle zusammen, wie ein einziger Mann, lehnten sie ihre Schultern dagegen.
Duncan erkannte, was sie taten und nickte Anvin und Arthfael zu, die auch ihre Männer versammelten. Und auch Seavig und seine Männer kamen zur Hilfe und wie eine einzige Kraft, schoben sie gemeinsam.
Duncan grub seine Füße in das Eis und drückte, angestrengt unter dem Gewicht, auf dem Eis rutschend, drückte er mit aller Kraft, so fest er konnte. Alle ächzten und langsam fing der massive Eisbrocken an zu rollen.
„Ein Willkommens-Geschenk?“ fragte Duncan lächelnd und grunzend neben Kavos.
Kavos grinste zurück.
„Nur ein kleines Etwas um unsere Ankunft zu verkünden.“
Einen kurzen Moment später fühlte er Erleichterung als der Stein nachgab, er hörte das Eis krachen und schaute ehrfürchtig zu, als der Brocken über den Rand des Plateaus rollte. Er trat schnell mit den anderen zurück, als der Felsbrocken mit Vollgeschwindigkeit, immer schneller rollend über die Eiswand geschleudert wurde, und weiter an Geschwindigkeit gewann. Der riesige Eisbrocken hatte einen Durchmesser von neun Metern und stürzte gerade, wie ein Engel des Todes, auf die pandesische Festung hinab. Duncan bereitete sich auf die Explosion vor, all diese Soldaten da unten waren unwissende, wartende Ziele.
Der Eisbrocken schlug in der Mitte der Steinfestung ein und der Aufprall war stärker als alles, was Duncan bisher in seinem Leben gehört hatte. Es war, als ob ein Komet in Escalon eingeschlagen wäre, das Echo des Donners war so laut, dass er sich die Ohren zuhalten musste, der Boden bebte unter ihm und ließ ihn straucheln. Eine riesige Staub- und Eiswolke erhob sich mehrere Meter hoch und die Luft wurde sogar hier oben von den erschrockenen Schreien der Männer erfüllt.