Gewandelt . Морган Райс

Gewandelt  - Морган Райс


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sich gegen die ganzen Blicke, die sich auf sie richten würden, wenn sie – die neue Schülerin – gleich am ersten Tag zu spät kam. Eigentlich hätte sie erwartet, dass der Lehrer sie schelten würde, weil sie den Unterricht unterbrach. Doch verblüfft stellte sie fest, dass nichts davon geschah. Der Raum, der für dreißig Schüler gedacht war, war mit rund fünfzig Jugendlichen vollgestopft. Einige saßen auf ihren Plätzen, andere spazierten durch die Gänge, alle schrien und brüllten sich gegenseitig etwas zu. Es herrschte das absolute Chaos.

      Bereits vor fünf Minuten hatte es zum Unterrichtsbeginn geklingelt, aber der Lehrer, der ungepflegt wirkte und einen zerknitterten Anzug trug, hatte noch nicht einmal mit dem Unterricht begonnen. Stattdessen hatte er die Füße auf den Tisch gelegt, las die Zeitung und ignorierte die Klasse völlig.

      Caitlin ging zu ihm hin und legte ihren neuen Ausweis auf seinen Tisch. Dann blieb sie dort stehen und wartete darauf, dass er Notiz von ihr nahm, aber nichts dergleichen geschah.

      Schließlich räusperte sie sich.

      »Entschuldigen Sie bitte.«

      Widerstrebend ließ er die Zeitung sinken.

      »Ich bin Caitlin Paine. Ich bin neu hier. Ich glaube, ich soll Ihnen das hier geben.«

      »Ich bin bloß eine Vertretung«, erklärte er und vertiefte sich wieder in seine Lektüre.

      Caitlin war verwirrt.

      »Sie überprüfen nicht die Anwesenheit?«, fragte sie.

      »Der Lehrer ist am Montag wieder da«, antwortete er kurz angebunden. »Er wird sich darum kümmern.«

      Als Caitlin begriff, dass das Gespräch beendet war, nahm sie ihren Ausweis wieder an sich.

      Dann drehte sie sich zur Klasse um. Das Chaos hatte nicht eine Sekunde lang aufgehört. Das einzig Gute daran war, dass sie nicht auffiel. Niemand hier schien Notiz von ihr zu nehmen.

      Sie ließ den Blick über den überfüllten Raum schweifen und stellte genervt fest, dass es offensichtlich keinen einzigen freien Sitzplatz mehr gab.

      Also fasste sie sich ein Herz, umklammerte ihr Tagebuch und ging zögernd einen Gang entlang. Dabei zuckte sie einige Male zusammen, als die Kids sich ankreischten. Vom hinteren Ende des Klassenzimmers aus konnte sie den ganzen Raum überblicken.

      Es gab wirklich keinen freien Platz.

      Sie blieb stehen und kam sich vor wie ein Idiot. Allmählich nahmen ein paar Schüler Notiz von ihr, doch sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte nicht vor, die ganze Zeit hier stehen zu bleiben, und dem Vertretungslehrer war es offensichtlich völlig gleichgültig, was sie tat. Hilflos sah sie sich um.

      Ein paar Gänge weiter ertönte Gelächter – sie war sich sicher, dass sie ausgelacht wurde. Schließlich war sie nicht wie diese Kids angezogen, und sie sah auch nicht so aus wie sie. Ihre Wangen wurden heiß.

      Doch als sie sich gerade darauf vorbereitete, die Klasse und vielleicht sogar die ganze Schule zu verlassen, hörte sie plötzlich eine Stimme.

      »Hier.«

      Sie drehte sich um.

      In der letzten Reihe neben dem Fenster erhob sich ein großer Junge von seinem Platz.

      »Setz dich«, sagte er. »Bitte.«

      Im Klassenzimmer wurde es ein wenig ruhiger, während die anderen auf ihre Reaktion warteten.

      Sie ging zu ihm hinüber und versuchte, ihm dabei nicht in die Augen zu sehen – große, strahlende grüne Augen –, aber sie konnte es sich nicht verkneifen.

      Er sah einfach fantastisch aus und hatte glatte, olivfarbene Haut – sie konnte nicht erkennen, ob er schwarz, Südamerikaner, weiß oder irgendeine Mischung war, aber sie hatte auf jeden Fall noch nie so glatte, weiche Haut gesehen. Sie betonte seine markanten Gesichtszüge. Seine braunen Haare trug er kurz, und er war sehr dünn. Irgendwie wirkte er hier fehl am Platz. Er war so zerbrechlich. Vielleicht war er ein Künstler.

      Obwohl es untypisch für sie war, sich auf den ersten Blick in einen Typen zu vergucken, war sie sofort hin und weg. Zwar hatte sie bereits miterlebt, wie sich ihre Freundinnen verknallt hatten, aber sie hatte es nie wirklich verstanden – bis jetzt!

      »Und wo wirst du dich hinsetzen?«, fragte sie.

      Sie versuchte, ruhig und gelassen zu klingen, aber das wirkte nicht sehr überzeugend. Sie hoffte nur, dass er nicht hörte, wie nervös sie war.

      Doch er grinste nur breit und enthüllte dabei seine perfekten Zähne.

      »Gleich hier drüben«, antwortete er und ging zu der breiten Fensterbank, die nur ein paar Schritte entfernt war.

      Sie sah ihn an, und er hielt ihren Blick fest. Eigentlich wollte sie wegsehen, aber irgendwie gelang ihr das nicht.

      »Danke«, sagte sie und war sofort sauer auf sich selbst.

      Danke? Mehr nicht? Danke!?

      »Gut so, Barack!«, schrie eine Stimme. »Gib diesem netten weißen Mädchen deinen Sitzplatz!«

      Gelächter folgte, und der Lärmpegel im Raum stieg wieder an. Die anderen ignorierten sie wieder.

      Caitlin sah, wie er verlegen den Kopf senkte.

      »Barack?«, fragte sie. »Heißt du so?«

      »Nein«, antwortete er und wurde rot. »Sie nennen mich bloß so. Wie Barack Obama. Sie finden, ich sehe im ähnlich.«

      Sie betrachtete ihn genauer und stellte fest, dass da tatsächlich etwas dran war.

      »Es liegt daran, dass ich halb schwarz, teilweise weiß und teilweise puerto-ricanisch bin.«

      »Nun, ich finde, es ist ein Kompliment«, erwiderte sie.

      »Nicht so, wie sie es sagen«, widersprach er.

      Als sie ihn dabei beobachtete, wie er sich auf die Fensterbank setzte, merkte sie, dass sein Selbstvertrauen angekratzt war. Und sie erkannte, dass er sensibel war. Sogar verletzlich. Er passte nicht zu diesen Kids. Es war verrückt, aber auf einmal hatte sie das Bedürfnis, ihn zu beschützen.

      »Ich bin Caitlin«, stellte sie sich vor, streckte die Hand aus und sah ihm in die Augen.

      Überrascht blickte er auf, und sein Lächeln kehrte zurück.

      »Jonah«, entgegnete er.

      Mit festem Griff nahm er ihre Hand und schüttelte sie. Als sie seine glatte Haut spürte, begann ihr Arm zu prickeln. Sie hatte das Gefühl, dass sie miteinander verschmolzen. Er hielt ihre Hand eine Sekunde zu lange fest, und unwillkürlich erwiderte sie sein Lächeln.

* * *

      Der Rest des Vormittags lag irgendwie im Nebel, und als Caitlin schließlich die Cafeteria erreichte, war sie hungrig. Sie öffnete die große Tür und wurde völlig erschlagen von dem riesigen Raum und dem unglaublichen Lärmpegel der gefühlt tausend Kids, die alle durcheinanderschrien. Es war, als würde man eine Sporthalle betreten – wenn man einmal davon absah, dass alle fünf Meter Sicherheitsleute in den Gängen standen und das Geschehen aufmerksam beobachteten.

      Wie üblich wusste sie nicht, wohin sie gehen sollte. Suchend sah sie sich in dem großen Raum um und entdeckte schließlich einen Stapel Tabletts. Sie nahm sich eins davon und stellte sich an das Ende der Warteschlange – oder an das, was sie dafür hielt.

      »Nicht vordrängeln, du Schlampe!«

      Caitlin drehte sich um und sah sich einem übergewichtigen Mädchen gegenüber, das sie um fünfzehn Zentimeter überragte. Finster blickte es auf Caitlin herunter.

      »Es tut mir leid, ich wusste nicht …«

      »Das Ende der Warteschlange ist da hinten!«, fauchte ein anderes Mädchen und deutete mit dem Daumen hinter sich.

      Caitlin sah, dass die Schlange noch mindestens hundert Schüler weit zurückreichte. Es sah aus, als müsse man bestimmt zwanzig Minuten warten.

      Gerade machte sie sich auf den Weg zum Ende der Reihe, als ein Schüler in der Schlange einen anderen so stark schubste, dass er vor ihr auf den Boden knallte.

      Dann


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