Das Vermachtnis des Inka. Karl May

Das Vermachtnis des Inka - Karl May


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mich's jedacht hatte. Es kommen auch arme Zeiten mit mang, und wenn die nicht wieder uffhören, da bringt man die Million, von welcher ick jeschwärmt habe, eben nicht zusammen.«

      »Haben Sie Verwandte zu Hause?«

      »Nee. Hätte ick so wen oder wat jehabt, so wäre ick daheim jeblieben. Dann wollt' ick jern beis Militär, denn mein Herz ist stets jut patriotisch jestimmt jewesen; aber da ick um zwei Zoll zu kurz jewesen bin, haben sie mir nicht assentiert, sondern for untauglich erklärt. Darüber bin ick so ergrimmt jewesen, daß ich in die Fremde jegangen bin, um zu sehen, ob man mir da für tauglich halten wird.«

      »Wie lange sind Sie nun schon hier?«

      »Fünf Jahre, wat mit die fünfundzwanzig Lenze stimmt, die ich bisher in Blüte jestanden habe.«

      »Und womit haben Sie sich während dieser Zeit beschäftigt?«

      »Mit allem möglichen, wat ehrlich war, doch ohne es zu wat zu bringen. Jetzt bin ick Kellner hier, doch auch nicht fest, sondern nur zur Aushilfe für heute, weil man viel Jäste erwartet hat. Zuletzt habe ick mir mit Hafenarbeit beschäftigt.«

      »Waren Sie schon im Innern des Landes? Ich frage nämlich nicht ohne Ursache.«

      »Damit kann ick auch dienen. Ick bin schon zweimal bis nach Tucuman hinein jewesen, und zwar als Pferdeknecht.«

      »So können Sie reiten?«

      »Wie im Löwenritt von Freiligrath. So wat lernt sich hier zu Lande oft und manchmal schneller, als man's vorher jedacht hat.«

      »Das ist gut, sehr gut! Und nun die Hauptsache. Es soll hier in Argentinien sehr viel Knochen geben?«

      »Massenhaft!«

      »Ausgezeichnet! Ich suche welche.«

      »Knochen? Weshalb?«

      »Aus Interesse für die Sache.«

      »So? Dat ist freilich ein Interesse, wie ick noch keins jefunden habe. Aber da kann ick Ihnen trösten. Wenn Sie Knochen haben wollen, so kann ick Ihnen janze Schiffsladungen voll verschaffen.«

      »Antediluvianische?«

      »Dat verstehe ick nicht; ick sage nur, dat sie von allen Sorten zu haben sind.«

      »Vom Mastodon?«

      »Von Mastrindern? Soviel Sie haben wollen.«

      »Ich meine, ob vom Riesenelefanten.«

      »Dat wohl weniger, denn ick habe noch nicht jehört, daß hier Riesenelefanten jemästet und jeschlachtet werden.«

      »Aber vom Megatherium?«

      »Wahrscheinlich auch.«

      »Und vom Glyptodon?«

      »Dieses Vieh kenne ick nicht.«

      »Das ist begreiflich, da es schon vor der Sündflut gelebt hat.«

      »Dann ist's futsch und hat keine Knochen mehr. Hier jibt's nach der Sündflut nur noch Knochen von Rindern, Pferden und Schafen.«

      »Sie verstehen mich nicht. Ich suche nach Knochen von vorweltlichen Tieren, wie man sie im hiesigen naturhistorischen Museum findet.«

      »Ah, ick verstehe! Von Professor Burmeistern jesammelt? Die stecken in der Erde, wo man sie herausbuddeln muß. Habe ick ooch jesehen. Die sind in der janzen Pampa zu finden. Man soll sogar vorsündflutliche Pferde jefunden haben.«

      »Sehr richtig! Das ist übrigens aus dem Grunde sehr interessant, weil bisher behauptet worden ist, daß das Pferd nur der alten Welt angehört.«

      »Also sonne Sachens wollen Sie suchen und ausgraben?«

      »Ja, dazu brauche ich Leute. Ich werde Gauchos engagieren, und habe deshalb, um ihnen gleich von vornherein als ein sympathischer Mensch zu erscheinen, mich so wie sie gekleidet. Vor allen Dingen brauche ich einen Diener, auf den ich mich verlassen kann. Sie gefallen mir, Sie haben ein ehrliches und zugleich pfiffiges Gesicht und scheinen nicht an Dummheit zu leiden, was der Lateiner Vecordia nennt. Haben Sie nicht Lust, sich von mir engagieren zu lassen?«

      »Warum nicht, wenn Sie mir jut behandeln und mir auch sonst oft und manchmal so stellen, daß ick nicht zu klagen brauche.«

      »So kommen Sie morgen früh zu mir, damit wir das Nötige besprechen können. Kennen Sie den Bankier Salido?«

      »Ja. Er hat sein Jeschäft hier janz in der Nähe, wohnt aber in seiner Quinta draußen vor der Stadt.«

      »Da wohne auch ich, denn ich bin ihm empfohlen und sein Gast. jetzt lassen Sie mich weiter lesen.«

      »Jut, lesen Sie man immer weiter, Herr Doktor. Morjen werde ick mir einstellen, und ick denke, daß wir beide dabei ein jutes Jeschäft machen werden. Ich schaffe Ihnen jeden Knochen aus der Erde, und wenn er noch so groß ist.«

      Er zog sich zurück, und man sah es ihm an, daß er sich über die zu erhoffende Stellung freute. Er besaß, wie Morgenstern ganz richtig gesagt hatte, ein ehrliches Gesicht und jenen gesunden Mutterwitz, welcher den Bewohnern seiner Heimat angeboren zu sein pflegt.

      Der Inhalt dieses Gespräches schien Morgenstern noch weiter zu beschäftigen, denn er las nun weniger aufmerksam als vorher und vergaß auch das Trinken nicht. Als er seine Flasche ziemlich geleert hatte, stand Antonio Perillo auf, um zu bezahlen und fort zu gehen. Einige Zeit später brach auch Morgenstern auf. Er bezahlte seine sechs Papierthaler. Das klingt sehr hoch, ist aber nicht so gefährlich, wie es scheint, da der Papierthaler einen Wert von sechzehn deutschen Pfennig hatte. Dennoch aber ist der Preis von sechsundneunzig Pfennig für eine Flasche Bier kein niedriger zu nennen, aber das Bier, wenigstens das aus Europa eingeführte, galt damals noch mehr als heute als Luxusgetränk.

      Als er das Café verlassen hatte, wendete er sich links in die Straße, welche direkt und in schnurgerader Richtung nach der Quinta des Bankiers führte. Er war zu sehr mit seinen gelehrten Gedanken beschäftigt, um die zwei Gestalten zu sehen, welche gegenüber wartend an den Pfeilern einer Thür lehnten. Sie wären ihm aber wohl auch dann nicht aufgefallen, wenn er weniger an seine vorsündflutlichen Tiere gedacht hätte. Und doch war gerade er es, auf den sie es abgesehen hatten. Es war nämlich Antonio Perillo und ein andrer, der sich vorhin nicht mit im Café befunden hatte. Als sie den Doktor erscheinen sahen, flüsterte der erstere dem letzteren zu:

      »Schau ihn genau an, ob er es nicht ist!«

      Als der andre die Züge des deutschen Gelehrten im Lichte der Fenster des Café, an denen dieser vorüberging, deutlich erkannte, antwortete er:

      »Gar keine Zweifel; er ist's, und wenn er noch so sehr geleugnet hat.«

      »Er hat sich nur den Bart scheren lassen und die Tracht eines Gaucho angelegt. Damit macht er doch Leute, wie wir sind, nicht irre. Ich muß wissen, wo er wohnt. Schleiche ihm nach!«

      »Gehst du nicht mit?«

      »Nein. Er könnte sich umdrehen und mich erkennen. Dann würde er Verdacht fassen. Ich trete in die Confiteria hier rechts, um auf deine Rückkehr zu warten.«

      Perillo ging in die Kuchenstube, und der andre folgte dem Deutschen heimlich nach. Die Straße, welche dieser langsam hinaufschritt, führte, wie bereits gesagt, in schnurgerader Linie fort, denn Buenos Ayres ist höchst regelmäßig gebaut. Es besteht aus lauter Häuservierecken, zwischen denen die Straßen sich genau rechtwinkelicht kreuzen. Man kann also den Plan der Stadt mit einem Schachbrette vergleichen.

      Die Umgebung derselben ist landschaftlich ganz und gar unbedeutend. Es gibt keine Abwechselung, keine Höhen und Thäler, keine Büsche und Wälder. Hat man die Stadt hinter sich, so steht man auf der offenen, ebenen Pampa, und am Horizonte schwimmen Himmel und Erde so zusammen, daß von einer Grenzlinie zwischen beiden keine Rede ist.

      Der Hafen ist schlecht, und das Wasser des Plata hat eine lehmichte, schmutzige Farbe, so daß auch er der Stadt keinen Reiz verleiht.

      Buenos Ayres bedeckt ungefähr den gleichen Flächenraum wie Paris. Man kann sich also denken, wie weitläufig alles ist. Es gibt mehrere sehr schöne Straßen und Plätze, kommt man aber über den Kern der Stadt hinaus, so trifft man auf roh gemauerte Magazine, häßliche Hütten und


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