Antonia. Уилки Коллинз
Erhabenen.
Einer von Goiswinthen’s Führern bat sie, in der Nähe des Wagens zu warten, während er selbst sich einem beim Könige stehenden jungen Manne näherte und denselben abseits winkte. Als sich der Krieger erhob, um der Aufforderung Folge zu leisten, entwickelte er neben allen Körpervorzügen seines Stammes eine bei den Leuten seiner Nation ungewöhnliche Gewandheit und Elasticität der Bewegung. In dem Augenblicke, wo er zu dem Soldaten, welcher sich ihm genähert hatte, trat, war sein Gesicht zum Theil unter einem ungeheuern Helm verhüllt, auf dem sich ein Eberkopf befand, dessen Rachen im Tode aufgerissen, weit aufklaffte, als ob er noch nach Beute dürfte. Der Mann hatte ihm aber kaum sein Begehr mitgetheilt, als er heftig zusammenzuckte, die finstere Schutzwehr abnahm und mit entblößtem Haupte auf den Wagen zuschritt, neben welchem Goiswintha sein Kommen erwartete.
Sobald sie ihn bemerkte, eilte sie ihm entgegen, legte das verwundete Kind in seine Arme und begrüßte ihn mit den Worten:
»Dein Schwager hat in den Heeren Rom’s gedient, als unser Volk mit dem Reiche in Frieden war, dies ist Alles, was die Römer von seiner Familie und seinen Besitzthümern übrig gelassen haben.«
Sie verstummte und auf einen Augenblick betrachteten Bruder und Schwester einander in rührendem, ausdrucksvollem Schweigen. Wiewohl außer den allgemeinen Stammeszeichen die Gesichter der Beiden natürlicher Weise noch die besondern Zeichen der Blutsgemeinschaft trugen, war doch in diesem Augenblicke alle Aehnlichkeit zwischen ihnen gänzlich verschwunden, so wunderbar ist die Macht des Gemüths über die Züge. Das Gesicht und die Haltung des jungen Mannes – er zählte erst zwanzig Jahre – drückte tiefen, in seiner strengen Ruhe männlichen, in seinem vollständigen Mangel an Prunk aufrichtigen Schmerz aus. Als ser auf das Kind blickte, wurden seine« blauen, schimmernden, durchdringenden, lebhaften Augen weich wie die eines Weibes, seine kaum von seinem kurzen Barte verborgenen Lippen schlossen sich und zuckten und seine edel geformte Brust hob sich unter der sie bedeckenden Rüstung. In dieser einfachen, sprachlosem thränenlosen Trauer, dieser schönen Rücksicht triumphirender Kraft für duldende Schmäche lag etwas fast Erhabenes, wenn man sie im Gegensatze zu dem Ausdrucke grimmiger Verzweiflung auf Goiswinthen’s Zügen betrachtete. Die in ihren weit aufgerissenen, glühenden Augen lodernde Wuth, die düstern Falten um ihre bleichen offenen Lippen, das Anschwellen der bis zum Bersten ausgedehnten starken Adern auf ihrer hohen Stirn entstellten ihr Gesicht so, daß Bruder und Schwester, als sie so neben einander standen, für den Augenblick ihre Geschlechter ausgetauscht zu haben schienen. Der Krieger zeigte Mitleid für die Dulderin, die Mutter Entrüstung über die Unthat.
Hermanrich wendete sich von seiner wehmüthigen Betrachtung des Kindes ab, stieg, ohne noch an Goiswinthen ein Wort zu richten, auf den Wagen, legte den letzten Sprößling seiner Schwester in die Arme einer abgelebten Greisin, die über einigen auf ihrem Schoße ausgebreiteten Kräuterbündeln brütend dasaß und sprach zu ihr:
»Diese Wunden sind von den Römern, flöße dem Kinde wieder Leben ein und Du wirst aus der Beute Rom’s Deine Belohnung erhalten.«
»Hahaha!« kicherte die Alte; »Hermanrich ist ein berühmter Krieger und soll Gehorsam finden. Hermanrich ist groß, denn sein Arm kann erschlagen, aber Brunhild ist größer als er, denn ihre Wissenschaft kann heilen.«
Wie um diese Prahlerei vor den Augen des Kriegers zu bewarheiten, begann die Alte sofort die zu einem Verbande nöthigen Kräuter unter ihrem Vorrathe auszusuchen. Hermanrich wartete aber die Entwickelung ihrer Geschicklichkeit nicht ab. Mit einem letzten Blicke auf das bleiche erschöpfte Kind stieg er langsam vom Wagen, näherte sich Goiswinthen, zog sie an die vor dem Wetter geschützteste Stelle in der Nähe des mächtigen Fuhrwerks und bereitete sich mit der tiefsten Aufmerksamkeit auf das Anhören des Berichts von den Schreckens- und Leidensscenen vor, welche sie vor so Kurzem durchlebt hatte.
»Du,« begann sie, »der Du geboren wurdest, als unser Volk in Frieden war, den man von dem Schlachtfelde nach jenen fernen Gegenden brachte, wo noch Ruhe herrschte, den man in seiner Kindheit vor den Wechselfällen des Kampfes bewahrte und erst im Jünglingsalter, wo seine Mühen vorüber und seine Triumphe nahe sind, in das Heer treten ließ – Du allein bist den Leiden unsers Volkes entgangen, um an dem Ruhme seiner nahen Rache Theil zunehmen.
»Kaum ein Jahr war verflossen, seit Du von den Niederlassungen der Gothen entfernt worden warest, als ich mich mit Priulf vermählte. Das Geschlecht von Schwächlingen, mit welchem er damals verbündet war, fügte sich trotz seines römischen Hochmuths in den Rathsversammlungen seiner Ansicht und gestand unter seinen Legionen, daß er tapfer war. Ich sah mich mit Freuden als Gattin eines ruhmvollen Kriegers, ich glaubte in meinem Stolze zur Mutter eines Heldengeschlechts bestimmt zu sein, als uns plötzlich die Nachricht ereilte, daß der Kaiser Theodosius gestorben sei. Jetzt traten Anarchie unter dem Volke des Landes und Kränkungen der Freiheiten seiner Verbündeten, der Gothen, ein. Bald erschallte unter unserer Nation der Ruf zu den Waffen. Unsere Kriegswagen fuhren über die gefrorene Donau, unsere Soldaten verließen das römische Lager. Unsere Landleute nahmen ihre Waffen von den Wänden ihrer Hütte, wir Frauen bereiteten uns und unsere Kinder darauf vor, unseren Gatten in das Feld zu folgen, und Alarich, der König, trat als Führer unserer Heere auf.
»Wir rückten in das Gebiet der Griechen ein. – Wie soll ich Dir aber die Ereignisse der unsern Einfall folgenden Kriegsjahre erzählen, den Glanz unserer Siege, die Mühseligkeiten unserer Vertheidigung die Leiden unserer Rückzüge, den Hunger, den wir überwanden, die Krankheiten, die wir überstanden, den schmählichen Frieden, der endlich gegen die Wünsche unsers Königs geschlossen wurde! Wie soll ich Dir alles dies erzählen, während meine Gedanken bei dem Blutbade weilen, dem ich erst entgangen bin, – während jene ersten, wiewohl mir einst in Pein erinnerlichen Uebel jetzt über den größeren Schrecken, welche ihnen folgten, vergessen sind.
»Der Waffenstillstand wurde geschlossen, Alarich zog mit den Ueberbleibseln seines Heeres ab und lagerte sich bei Aemona, an den Grenzen des von ihm bereits überzogenen Landes, welches er jetzt zu erobern gerüstet ist. – Zwischen unserm Könige und Stilico, dem General der Römer, wurden viele Botschaften gewechselt, denn die Anführer waren noch uneinig über die Bedingungen des Friedens, welcher abgeschlossen werden sollte. unterdessen wurden zum Pfande der gothischen Treue Schaaren von unsern Kriegern und unter ihnen Priulf nach Italien entsendet, um von Neuem als Verbündete der Legionen Rom’s zu dienen, und sie nahmen ihre Frauen, Kinder und Habe mit, die als ihre Geißeln in den Städten des Landes bewahrt werden sollten.
»Ich wurde mit meinen Kindern nach Aquileja gebracht. In einem Gebäude innerhalb der Stadt fanden wir mit unserer Habe Aufnahme. Es war Nacht, als ich von Priulf, meinem Gatten, am Thore Abschied nahm. Ich schaute ihm nach, als er mit dem Heere abzog, und als ihn die Dunkelheit meinen Augen verbarg, begab ich mich wieder in die Stadt, aus welcher ich allein von allen Frauen unsers Volkes entkommen bin.«
Bei diesen letzten Worten begann Goiswinthen’s Wesen, welches bisher ruhig und gesammelt war, sich zu verändern, sie hielt plötzlich in ihrer Erzählung inne, der Kopf sank ihr auf die Brust und ihre Gestalt bebte, wie von schwerer Pein durchzuckt. Als sie sich nach einer Pause zu Herrmanrich wendete, um in ihrer Erzählung fortzufahren, lag auf ihrem Gesicht derselbe bösartige Ausdruck, welcher sich auf demselben gezeigt hatte, als sie ihm ihr verwundetes Kind übergab. Ihre Stimme wurde gebrochen, rauh und unweiblich Sie drängte sich dicht an die Seite des jungen Mannes und legte ihre zitternden Finger auf seinen Arm, wie um seine ungetheilteste Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen.
»Die Zeit verging,« fuhr sie fort, »und noch immer kam keine Nachricht von dem endlichen Abschluß des Friedens. Wir Geißeln lebten von den Bewohnern der Stadt getrennt, denn wir fühlten selbst damals schon Feindschaft gegen einander. Ich hatte in meiner Gefangenschaft keine Beschäftigung als die Geduld – keine Thätigkeit, als die Hoffnung. Mit meinen Kindern allein pflegte ich über die See hinaus nach dem Lager unsers Königs zu schauen, aber ein Tag folgte dem andern-und seine Krieger erschienen nicht auf der Ebene, und eben so wenig kehrte Priulf mit den Legionen zurück, um sich vor den Thoren der Stadt zu lagern. Ich trauerte also in meiner Einsamkeit, denn mein Herz sehnte sich nach der Heimath meines Volkes, ich verlangte danach, noch einmal das Gesicht meines Gatten zu erschauen und wiederum die Reihen unserer Krieger und die Majestät ihrer Schlachtordnung zu erblicken.
»Während aber der schwere Tags der Verzweiflung