Das Horoscop. Александр Дюма
junges Blondin, der einen Freund oder eine Freundin zu erwarten schien, ging am Ufer hin spazieren. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen und schaute ins Wasser; dann, als er das Wasser lange genug angeschaut hatte, schaute er auf den Rasen; endlich, nachdem er den Rasen zur Genüge betrachtet, schlug er die Augen auf und sah zum Himmel empor.
Man kann allerdings finden, daß dieß eine einthönige Beschäftigung war, aber man wird gestehen müssen, daß sie harmlos war. Gleichwohl stießen sich einige der Personen, welche das Landifest nach ihrer Weise feierten, daran, daß dieser junge Mann es nach der seinigen feierte. Seit ungefähr einer halben Stunde hatten mehrere Spießbürger, vermischt mit Studenten und Handwerkern, deutlich genug verrathen, daß sie sich über die dreifacher, Betrachtungen des jungen Mannes ärgerten; sie ärgerten sich um so mehr, als dieser selbe junge Mann ihnen nicht die mindeste Beachtung zu schenken schien.
»Ah,« sagte eine Mädchenstimme, »ich bin nicht neugierig, aber ich möchte doch gerne wissen. warum dieser junge Mensch so hartnäckig zuerst das Wasser, dann die Erde und dann den Himmel ansieht.«
»Du willst es wissen? meine Herzensperrette?« fragte ein junger Spießbürger, welcher galant den Wein aus dem Glas der Dame und die Liebe aus ihren Augen trank.
»Ja, Landry, und ich werde demjenigen, der mirs sagt, einen tüchtigen Kuß geben.«
»Ach, Perrette. ich wollte, daß Du für einen so süßen Lohn etwas Schwierigeres fordertest.«
»Ich will mich mit dem begnügen.«
»Versprich mirs noch einmal.«
»Da hast Du meine Hand.«
Der junge Spießbürger küßte die Hand des jungen Mädchens und erhob sich mit den Worten:
»Du sollst es sogleich erfahren.«
Sofort schritt er auf den einsamen und stummen Betrachter zu.
»He da, junger Mann,« redete er ihn an, »ohne Euch befohlen zu wollen, warum schaut Ihr denn den Rasen so an? Habt Ihr Etwas verloren?«
Als der junge Mann bemerkte, daß. man ihn Meinte, drehte er sich um, nahm höflich seinen Hut ab und antwortete mit der größten Freundlichkeit: »Ihr täuscht Euch, mein Herr, ich sah nicht auf den Rasen sondern in den Fluß.«
Nach diesen wenigen Worten drehte er sich wieder auf die andere Seite. Meister Landry war ein wenig verblüfft; er hatte keine so höfliche Antwort erwartet. Diese Höflichkeit rührte ihn. Er kehrte zu seiner Gesellschaft zurück und kratzte sich hinter dem Ohr.
»Nun wohl?« fragte ihn Perrette.
»Nun wohl, wir täuschten uns,« sagte Landry in ziemlich kläglichem Tone, »er sah nicht den Rasen an.«
»Was denn?«
»Den Fluß.«
Man lachte dem Boten unter die Nase, so daß ihm die Schamröthe ins Gesicht stieg.
»Und Ihr habt ihn nicht gefragt, warum er in den Fluß schaue?« fragte Perrette.
»Nein,« antwortete Landry; »er war so höflich, daß ich dachte, es wäre unbescheiden noch eine zweite Frage an ihn zu richten.«
»Zwei Küsse Jedem, der ihn fragt, warum er in den Fluß schaue?« sagte Perrette.
Drei oder vier Liebhaber erhoben sich.
Aber Landry gab durch ein Zeichen zu verstehen, daß er die Sache einmal angefangen habe und folglich auch zu Ende bringen müsse.«
Man gab die Richtigkeit seiner Forderung zu.«
Er wandte sich also von Neuem gegen den jungen Blondin und redete ihn zum zweiten Mal an.
»He da, junger Mann,« fragte er ihn, »he da junger Mann, warum seht Ihr denn so in den Fluß hinein?«
Die vorige Scene erneuerte sich wieder. Der junge Mann drehte sich um, nahm seinen Hut ab und antwortete fortwährend höflich:
»Entschuldigen Sie mich, mein Herr, ich sah nicht den Fluß an, sondern den Himmel.«
Nach diesen Worten salutirte der junge Mann und begab sich auf die andere Seite.
Aber Landry, der schon durch diese zweite Antwort aus seiner Fassung gebracht worden war, wie vorher durch die erste, glaubte seine Ehre im Spiel, und da er seine Gesellschaft laut lachen hörte, so faßte er Muth, nahm den Studenten an seinem Mantel und sagte dringend zu ihm:
»Dann junger Mann, wollt Ihr mir vielleicht gefälligst sagen, warum Ihr den Himmel ansehet?«
»Mein Herr,« antwortete der junge Mann, »wollt Ihr mir gütigst sagen, warum Ihr mich das fraget?«
»Nun wohl, ich will mich offen gegen Euch erklären, junger Mann.«
»Das soll mich freuen, mein Herr.«
»Ich frage es Euch, weil meine Gesellschaft sich darüber ärgert, daß Ihr seit einer Stunde unbeweglich wie ein Klotz dastehet und immer die gleichen Bewegungen machet.«
»Mein Herr,« antwortete der Student, »ich bin unbeweglich, weil ich einen Freund erwarte. Ich bleibe stehen, weil ich ihn beim Stehen aus größerer Ferne kommen sehe. Da er nun nicht kommt und das Warten mich langeweilt, da ferner die Langeweile mich zum Gehen veranlaßt, so sehe ich auf den Boden, um meine Schuhe nicht an den Scherben zu zerreißen, womit der Rasen übersäet ist; wenn ich dann lang genug auf den Boden gesehen habe, so sehe ich in den Fluß; endlich, wenn ich lang genug in den Fluß gesehen habe, so sehe ich zum Himmel hinauf.«
Der Spießbürger nahm diese Erklärung nicht für Das was sie war, nämlich für die reine und einfache Wahrheit, sondern glaubte sich mystifcrirt und wurde roth wie die Klatschrosen, die man von Ferne in den Klee und Kornfeldern schimmern sah.
»Und gedenket Ihr, junger Mann,« fragte er, indem er sich herausfordernd auf seine linke Hüfte stützte und gewaltig in die Brust warf, »gedenket Ihr diese langweilige Beschäftigung noch lange zu treiben?«
»Ich gedachte sie noch bis zu dem Augenblick zu treiben, wo mein Freund zu mir kommen würde, mein Herr, aber« – der junge Mann schaute zum Himmel empor – »ich glaube nicht, daß ich warten kann, bis es ihm gefällig ist. . .«
»Und warum wollt Ihr nicht auf ihn warten?«
»Weil es dergestalt regnen wird, mein Herr, daß weder Sie, noch ich, noch sonst Jemand in einer Viertelstunde noch im Freien bleiben können.«
»Ihr sagt, es werde regnen?« fragte der Spießbürger mit der Miene eines Menschen, welcher glaubt, daß man sich über ihn lustig mache.
»Ja,« und zwar tüchtig, mein Herr, antwortete der junge Mann ruhig.
»Ihr wollt ohne Zweifel spaßen, junger Mann?«
»Ich schwere Euch, daß ich nicht die geringste Lust dazu habe.«
»Dann wollt Ihr Euch über mich lustig machen?« fragte der Spießbürger erbittert.
»Mein Herr, ich gebe Euch mein Wort, daß ich dazu eben so wenig Lust habe als zu einem Spasse.«
»Warum sagt Ihr mir dann, es werde regnen, während das Wetter doch herrlich ist?« heulte Landry, der immer hitziger wurde.
»Ich sage aus drei Gründen, daß es demnächst regnen werde.«
»Kenntet Ihr mir diese drei Gründe anführen?«
»Allerdings, wenn es Euch Freude macht.«
»Es macht mir Freude.«
Der junge Mann salutirte höflich und mit einer Miene, welche besagen wollte: »Ihr seid so liebenswürdig mein Herr, daß ich Euch Nichts abschlagen kann.«
»Ich erwarte Eure drei Gründe,« sagte Landry mit geballten Fäusten und zähneknirschend.
»Der erste, mein Herr,« sprach der junge Mann, »besteht darin: Da es gestern nicht geregnet hat, so ist dieß ein Grund, daß es heute regnen wird.«
»Ihr verhöhnt mich, mein Herr?«
»Ganz und gar nicht.«
»Nun