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vorhersah. Ein Gemurmel des Erstaunens durchlief die Gruppe der Höflinge, welche am Ende der Gallerie standen: vor seinem Bruder aus den Knieen, flehte Federigo offenbar seinen König an; wenn er aber stehle, war er schuldig; sie dachten nicht, er könnte für einen Andern stehen.
»Sire,« sprach Don Federigo, »ich nehme Gott zum Zeugen, daß ich unschuldig an dem bin, was Ihr mir vorwerft.«
»Das wirst Du also Gott sagen,« entgegnete der König: »denn ich, ich glaube es Dir nicht.«
»Mein Tod würde eine Befleckung abwaschen,« erwiderte der Großmeister; »wie wird es aber sein, wenn ich rein von Verbrechen bin?«
»Rein von Verbrechen!« rief der König Don Pedro; »wie nennst Du denn dieses?«
Und vom Zorn fortgerissen, schlug der König seinem Bruder mit dem Brief ins Gesicht, den er an Blanche von Bourbon geschrieben hatte.
»Es ist gut,« sprach Don Federigo und that einen Schritt rückwärts; »tödtet mich, beschimpft mich aber nicht! Ich weiß seit langer Zeit, daß die Menschen feige werden, wenn sie beständig mit Buhlerinnen und Sklaven leben! . . . König, Du bist ein Feiger, denn Du hast einen Gefangenen beschimpft!«
Herbei!« rief Don Pedro, »herbei, meine Wachen! man führe ihn weg und tödte ihn!«
»Einen Augenblick . . .« unterbrach ihn Don Federigo, die Hand gegen seinen Bruder ausstreckend, »so wüthend Du bist, wirst Du doch vor dem, was ich Dir sage, einhalten. Du hast eine unschuldige Frau beargwohnt, Du hast den König von Frankreich beschimpft, indem Du sie beargwohntest, doch Du wirst Gott nicht nach Deinem Wohlgefallen beleidigen. Ich aber will zu Gott beten, ehe Du mich ermordest, ich will eine Stunde, um mich mit meinem höchsten Herrn zu besprechen. Ich bin kein Maure!«
Don Pedro war beinahe wahnsinnig vor Wuth. Doch er hielt an sich, denn er hatte Zuschauer.
»Es ist gut, Du sollst eine Stunde haben,« sagte er; gehe!«
Alle diejenigen, welche dieser Scene beiwohnten, waren vor Furcht in Eis verwandelt. Die Augen des Königs stammten; doch aus denen von Don Federigo sprangen auch Blitze hervor.
»Halte Dich in einer Stunde bereit!« rief Don Pedro in dem Augenblick, wo er das Zimmer verließ.
»Sei unbesorgt, ich werde stets zu früh für Dich sterben, da ich unschuldig bin,« erwiderte der junge Mann.
Er blieb eine Stunde in seinem Gemach eingeschlossen, ohne daß sich Jemand näherte, von Angesicht zu Angesicht mit dem Herrn; dann, als diese Stunde abgelaufen war und die Henker nicht erschienen, trat er in die Gallerie und rief:
»Du läßt mich warten, Senor Don Pedro; die Stunde ist vorbei.«
Die Henker traten ein.
»Welchen Todes soll ich sterben?« fragte der Prinz.
Einer von den Henkern zog sein Schwert.
Federigo untersuchte es, indem er mit dem Finger über die Schneide fuhr.
»Nehmt das meinige,« sagte er. sein Schwert aus der Scheide ziehend, »es schneidet besser.«
Der Soldat nahm das Schwert.
»Wann werdet Ihr bereit sein, Großmeister?« fragte er.
Federigo hieß den Soldaten durch ein Zeichen einen Augenblick warten; dann trat er an einen Tisch, schrieb ein paar Zeilen aus ein Pergament, rollte dieses Pergament zusammen und nahm es zwischen seine Zähne.
»Was bedeutet dieses Pergament?« fragte der Soldat.
»Es ist ein Talisman, der mich unverwundbar macht,« erwiderte Don Federigo; »schlage nun, ich trotze Dir.«
Und der junge Fürst entblößte seinen Hals, hob seine langen Haare oben aus den Kopf und kniete, die Hände gefaltet und ein Lächeln aus den Lippen, nieder.
»Glaubst Du an die Macht dieses Talismans?« fragte ganz leise ein Soldat denjenigen, welcher schlagen sollte.
»Wir werden bald sehen,« erwiderte dieser.
»Schlage!« sprach Don Federigo.
Das Schwert flammte in den Händen des Scharfrichters; ein Blitz sprang aus der Klinge hervor, und mit einem einzigen Streiche gelöst, rollte der Kopf des Großmeisters aus den Boden.
In diesem Augenblick durchdrang ein furchtbares Geheul die Gewölbe des Palastes.
Der König, der an seiner Thüre horchte, entfloh erschrocken. Die Henker stürzten aus dem Gemache fort.
Aus dem Platze blieb nichts mehr, als Blut, ein vom Rumpf getrenntes Haupt und ein Hund, der, nachdem er eine Thüre gesprengt, sich bei diesen traurigen Ueberresten niederlegte.
Neuntes Kapitel.
Wie der Bastard von Mauléon das Billet erhielt, das er hatte holen wollen
Die ersten Schatten der Nacht fielen grau und finster auf den trostlosen Palast herab. Don Pedro saß düster und unruhig in den unteren Gemächern, wohin er sich geflüchtet hatte, da er es nicht wagte, in dem Gemach zu bleiben, welches an das stieß, wo der Leichnam seines Bruders lag. An seiner Seite weinte Maria Padilla.
»Warum weint Ihr, Senora?« fragte plötzlich der König voll Bitterkeit. »Habt Ihr denn nicht erlangt, was Ihr so sehr wünschtet? Ihr verlangtet von mir den Tod Eures Feindes; Ihr müßt befriedigt sein, denn Euer Feind ist nicht mehr.«
»Sire,« antwortete Maria, »ich habe vielleicht in einem Augenblick weiblichen Stolzes, in einem Ausbruch wahnsinnigen Zornes diesen Tod gewünscht. Gott verzeihe mir, wenn dieser Wunsch je in mein Herz eingedrungen ist! Doch ich glaube dafür stehen zu können, daß ich ihn nie gefordert habe.«
»Ah! so sind die Frauen!« rief Don Pedro; »glühend in ihren Wünschen, furchtsam in ihren Entschließungen; sie wollen immer, doch sie haben nie den Muth, zu handeln; dann, wenn ein Anderer wahnsinnig genug ist, ihrem Gedanken Folge zu geben, leugnen sie, diesen Gedanken je gehabt zu haben.«
»Sire, im Namen des Himmels,« sprach Maria, »sagt nie, Ihr habet mir den Großmeister geopfert; es wäre meine Qual in diesem Leben, es wäre mein Gewissensbiß im andern . . . Nein, sagt mir das, was wahr ist, sagt mir, Ihr habet ihn Eurer Ehre geopfert. Ich will nicht, hört Ihr wohl? ich will nicht, daß Ihr mich verlaßt, ohne daß Ihr mir sagt, nicht ich habe Euch zu diesem Morde angetrieben. . .«
»Ich werde Alles sagen, was Ihr wollt Maria,« erwiderte mit kaltem Tone der König, indem er aufstand und Mothril entgegenging, der mit den Rechten eines Ministers und der Sicherheit eines Günstlings eintrat.
Anfangs wandte Maria die Augen ab, um diesen Menschen nicht zu sehen, gegen den der Tod des Großmeisters, obschon er ihren Interessen diente, ihren Haß noch verdoppelt hatte; sie ging in eine Fenstervertiefung und erblickte hier, während der König mit dem Mauren sprach, einen völlig gewappneten Ritter, der die Verwirrung benützend, welche die Hinrichtung von Don Federigo in das ganze Schloß gebracht hatte, in den Hof trat, ohne daß sich die Schildwachen um ihn bekümmerten und ihn fragten, wohin er gehen wollte.
Dieser Ritter war Agenor, der der Aufforderung des Großmeisters entsprach und mit den Augen die purpurnen Vorhänge suchend, welche ihm Federigo als die seiner Wohnung bezeichnet hatte, an der Ecke der Mauer verschwand.
Maria Padilla folgte maschinenmäßig mit ihren Augen, und ohne zu wissen, wer er war, dem Ritter, bis sie ihn aus dem Blicke verloren. Dann kehrte sie vom Aeußeren zum Inneren zurück, und schaute wieder nach dem König und nach Mothril.
Der König sprach lebhaft. Aus seinen Geberden ersah man, daß er furchtbare Befehle gab. Ein Blitz durchzuckte den Geist von Dona Maria; mit jener raschen, den Frauen eigenthümlichen Anschauung errieth sie, wovon die Rede war.
Sie stürzte auf Don Pedro in dem Augenblick zu, wo er durch ein Zeichen Mothril weggehen hieß.
»Sire,« sprach sie, »Ihr werdet nicht zwei gleiche Befehle an einem und demselben Tage geben.«
Ihr, habt also gehört?« rief der König erbleichend.
»Nein, doch ich habe errathen. Oh! Sire, Sire,« fuhr Maria vor dem König