Mann und Weib. Уилки Коллинз

Mann und Weib - Уилки Коллинз


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keine Weise mit Lady Lundie zu veruneinigen und nicht die ganz zwecklose Unklugheit zu begehen, mich hier zu besuchen.« Sie hielt inne, die Schriftzüge schwammen ihr vor den Augen. »Mein theures Kind«, dachte sie, »wer hätte es für möglich gehalten, daß ich jemals»vor dem Gedanken, Dich zu sehen, zurückschrecken könnte.« Sie seufzte und fuhr fort zu schreiben. Der Himmel wurde immer dunkler, die über die traurige Haide dahinfahrenden Windstöße immer schwächer und schwächer und auf dem Antlitz der Natur lagerte sich die tiefe unheimliche Stille, welche ein Gewitter verkündet.

       Drittes Kapitel.

      Arnold

      Inzwischen war Arnold noch immer in der Geschirrkammer des Oberkellners eingeschlossen und wüthete im Stillen über die ihm aufgedrungene Situation. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich vor einer andern Person und noch dazu vor einem Manne verstecken müssen. Zwei Mal war er durch das Gefühl des Verlustes seiner Selbstachtung getrieben mit dem Entschlusse an die Thür gegangen, Sir Patrick gerade unter die Augen zu treten, und zwei Mal hatte er diesen Gedanken aus Mitleid für Anne wieder aufgegeben; es würde unmöglich für ihn gewesen sein, sich vor Blanche’s Vormund zu rechtfertigen, ohne das unglückliche Weib, dessen Geheimniß zu bewahren er sich moralisch verpflichtet fühlte, zu verrathen. »Wollte der Himmel, ich wäre niemals hierher gekommen!« war der ohnmächtige Ausruf, der sich ihm entrang, als er sich verdrossen wieder auf den Geschirrtisch setzte, um den Moment abzuwarten, wo Sir Patricks Entfernung ihm seine Freiheit wiedergeben würde. Nach einer Weile, die bei Weitem nicht so lange gedauert hatte, wie er gefürchtet, erschien ihm ein Trost in der Einsamkeit in der Person Von Vater Bishopriggs. – »Nun,« rief Arnold ihm entgegen, ist die Luft rein?«

      Es gab Gelegenheiten, wo Bishopriggs plötzlich ganz unerwarteter Weise harthörig wurde und dieß war eine solche Gelegenheit. »Wie gefällt Ihnen meine Geschirrkammer?« fragte er, ohne von Arnold’s Frage die geringste Notiz zu nehmen, »behaglich und gemütlich, ein Patmos in der Wildniß könnte man sie nennen!" Sein eines sehendes Auge, das er erst auf Arnold gerichtet hatte, senkte sich und haftete mit dem Ausdruck stummer aber beredter Erwartung auf Arnold’s Westentasche.

      »Ah, ich verstehe« sagte Arnold, »ich habe Ihnen versprochen, Sie für die mir gewährte Zuflucht auf Patmos zu entschädigen! Da haben Sie etwas.«

      Bishopriggs steckte das Geld mit einem trübseligen Lächeln und einem theilnehmenden Kopfschütteln ein. Andere Kellner würden ihren Dank ausgesprochen haben, der Weise von Craig-Fernie aber erwiderte Arnold’s Liberalität nur durch einige Betrachtungen. In vielen Dingen bewunderungswürdig war Vater Bishopriggs besonders groß in seiner Virtuosität aus allen Dingen eine Moral zu ziehen. In diesem Falle zog er eine Moral aus dem eben empfangenen Trinkgelde. »Da habe ich etwas! wie Sie richtig bemerken; du lieber Gott ja! Geld braucht man bei jeder Gelegenheit, wenn man eine Frau aus dem Halse hat! Es ist das ein schrecklicher Gedanke. Man kann mit dem sogenannten schönen Geschlecht nichts zu thun haben, ohne daß es Einem Geld kostet. Ihre junge Frau da, zum Beispiel, hat Sie gewiß schon gehörig was gekostet. Zuerst, als Sie ihr die Cour machten, mußten Sie schon eine offene Hand haben, Geschenke und Andenken, Blumen und Schmuck und kleine Hunde, Alles lauter böse Ausgaben.«

      »Hole der Henker Ihre Reflexionen! Ist Sir Patrick wieder fort?«

      Bishopriggs war nicht im Geringsten aufgelegt, sich in seinen Reflexionen stören zu lassen, sie entquollen vielmehr nach wie vor seinen Lippen so salbungsvoll und bedächtig wie zuvor. »Jetzt, wo Sie nun mit ihr verheirathet sind, kommen ihre Hüte, Leinenzeug, Wäsche, Kleider, ihre Bänder und Spitzen, Falbeln und Litzen; das Alles kostet wieder viel Geld.«

      »Was würde es kosten, Bishopriggs, Ihnen Ihre Reflexionen abzukaufen?« sagte Arnold.

      »Drittens und letztens, wenn Sie sich mit der Zeit nicht mehr mit ihr vertragen können, wenn sich eine Unverträglichkeit der Gemüther herausstellt, kurz wenn Sie eine kleine Trennung bewirken möchten, da müssen Sie wieder die Hand in die Tasche stecken um sich gütlich mit ihr abzufinden. Vielleicht zwingt sie Sie auch zu einem Prozeß und steckt ihre Hand in Ihre Taschen und bringt es dahin, daß Sie nur im Bösen mit ihr auseinander kommen. Zeigen Sie mir irgend ein Weib und ich will Ihnen nicht weit davon einen Mann zeigen, dem sie mehr Kosten verursacht hat, als er je geahnt!«

      Arnold’s Geduld war zu Ende. Er ging an die Thür.

      Jetzt erst ließ sich Bishopriggs bereit finden, auf Arnold’s Frage zu antworten: »Ja Herr, die Luft ist jetzt rein, Sir Patrick ist fort und die Dame wartet auf Sie.«

      Im nächsten Augenblick war Arnold wieder im Gastzimmer. »Nun?« fragte er, »was giebt es? Schlimme Nachrichten von Lady Lundie?«

      Anne war eben im Begriff den Brief an Blanche zu schließen und zu adressiren. »Nein! Nichts was Sie interessiren könnte!«

      »Was wollte denn Sir Patrick?«

      »Nur mich warnen; sie haben in Windygates herausgefunden, daß ich hier bin.«

      »Das ist unbequem, nicht wahr?«

      »Nicht im Mindesten! Es berührt mich gar nicht, ich habe nichts zu fürchten. Denken Sie nicht mehr an mich, sondern nur an sich selbst!«

      »Gegen mich hat man doch keinen Verdacht?«

      »Dem Himmel sei Dank, nein! Aber Gott weiß, was daraus entstehen kann, wenn Sie noch länger hier bleiben.« Klingeln Sie auf der Stelle und fragen Sie den Kellner wegen der Züge!«

      Betroffen durch die für die Tageszeit ungewöhnliche Dunkelheit trat Arnold an’s Fenster. Der Regen hatte angefangen in schweren Tropfen zu fallen. Die Aussicht auf die Haide war durch Nebel und Dunkelheit immer dichter Verdeckt, das Wetter fing an zu rasen.

      »Ein angenehmes Reisewetter, nicht wahr?« sagte er.

      »Wann geht der Zug!« rief Anne ungeduldig. »Es wird spät, erkundigen Sie sich doch, wann der Zug abgeht!«

      Arnold ging nach dem Kamin um zu klingeln. Sein Auge fiel aufs den über dem Kamin hängenden Fahrplan der Eisenbahn. »Hier finde ich ja schon die Auskunft die ich suche, wenn ich mich nur daraus vernehmen könnte. Von – nach, Nach – von, Vormittag, Nachmittag, solche verwünschte Confusion; ich glaube der Fahrplan ist nur dazu da, um Einen irre zu führen.«

      Anne trat zu ihm. »Ich kann Ihnen helfen; sagten Sie nicht, daß Sie den aufwärts gehenden Zug benutzen wollten?«

      »Wie heißt die Station wo Sie aussteigen?«

      Arnold nannte sie ihr.

      »Sie verfolgte das verwickelte Netz von Linien und Zahlen mit dem Finger, hielt plötzlich inne, sah noch einmal auf den Punkt, um sich zu vergewissern und kehrte der Tabelle in heller Verzweiflung den Rücken. Der letzte Zug war vor einer Stunde abgegangen!

      Während der Pause, welche dieser Entdeckung folgte, leuchtete ein erster Blitzstrahl durch das Zimmer und das leise Rollen des Donners verkündete den Ausbruch des Ungewitters.

      »Was ist nun zu thun?« fragte Arnold Ohne von dem heranziehenden Unwetter Notiz nehmen, erwiderte Anne ohne Zögern: »Sie müssen einen Wagen nehmen und fahren.«

      »Wie ich höre, braucht man eine Stunde auf der Eisenbahn, um nach meinem Gute zu gelangen, nicht gerechnet die Entfernung von hier bis zur Station.«

      »Was liegt an der Entfernung, Herr Brinkworth? Sie können unmöglich hier bleiben.«

      Ein zweiter Blitz erhellte das Zimmer, das Rollen des Donners kam näher. Selbst Arnold’s unerschütterlich gute Laune fing bei Anne’s beharrlich kundgegebenem Entschluß, ihn los zu werden, an zu wanken. Er setzte sich mit der Miene eines Menschen der entschlossen ist, das Haus nicht zu verlassen, nieder.

      »Haben Sie das gehört?« sagte er, als eben die letzten Töne eines furchtbaren Donnerschlages verhallten und der Regen heftig gegen die Fenster schlug. »Glauben Sie, daß wenn ich auch Pferde beordern wollte, man sie mir bei einem solchen Wetter geben würde? Und wenn man es thäte, glauben Sie, daß die Pferde bei solchem Wetter auf der Haide ausharren könnten? Nein, Miß Silvester, ich bedauere Ihnen im Wege zu sein, aber da der Zug fort und die Nacht mit ein Gewitter eingebrochen ist, bleibt mir nichts übrig, als hier zu bleiben!«

      Anne


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