Verbergen und Suchen. Уилки Коллинз
Sache; aber da ich gerade dabei bin, will ich nur das eine noch sagen, ehe ich aufhöre: Ihre Art und Weise, den Knaben wegen seines Betragens in der Kirche zu bestrafen, ist nach meiner Meinung eine so schlechte und gefährliche als irgend eine, die nur erdacht werden kann. Warum ihn nicht tüchtig durchbläuen, wenn Sie den kleinen elenden Schelm streng für das bestrafen müssen, was ebenso sehr sein Unglück als seine Schuld ist? Warum ihm nicht seinen Pudding oder irgendetwas anderes entziehen? Sie suchen aber in seiner Seele Bibelverse mit der Idee der Strafe und der Haft im kalten Zimmer in Einklang zu bringen. Sie mögen ihn dahin bringen, dass er dadurch seine Texte auswendig lernt, aber ich will Ihnen sagen, was ich befürchte, Sie werden ihn, wenn Sie sich nicht in Acht nehmen, so weit bringen, dass er die Bibel ebenso sehr verabscheuen lernt, wie andere Knaben die Rute verabscheuen.«
»Mein Herr«, schrie Herr Thorpe, sich plötzlich umdrehend und Herrn Goodworth streng in das Gesicht sehend, ich muss ein für alle Mal ganz ergebenst darauf bestehen, dass ich künftig mit jeder offenbaren Profanation in der Unterhaltung sogar von Ihren Lippen verschont bleibe. Alle meine Achtung und Liebe für Sie, als mein Schwiegervater, werden mich nicht abhalten, feierlich meinen Abscheu gegen solchen Unglauben auszusprechen, der in den soeben von Ihnen gesprochenen Worten enthalten ist. Meinen religiösen Überzeugungen widerstreben diese.«
»Halten Sie ein, mein Herr!« sagte Herr Goodworth ernst und streng. Herr Thorpe gehorchte sogleich. Das Benehmen des alten Herrn zeichnete sich im Allgemeinen weit mehr durch Herzlichkeit als durch Würde aus, aber es änderte sich gänzlich, während er jetzt sprach. »Herr Thorpe«, fuhr er ruhiger, aber sehr entschieden fort, »ich bezähme mich, Ihnen meine Meinung von der Achtung und Liebe zu sagen, welche Ihnen erlaubten, mir in solchen Ausdrücken, wie Sie dieselben für passend fanden, Vorwürfe zu machen. Ich wünsche Ihnen bloß zu sagen, dass ich niemals eines solchen zweiten Beweises von Ihnen bedürfen werde; denn ich werde niemals wieder mit Ihnen über die Erziehung meines Enkels sprechen. Wenn Sie mir jetzt in Anbetracht dieser Versicherung gestatten wollen, Ihnen nicht einen Verweis, sondern einen guten Rat zu erteilen, so würde ich Ihnen nur empfehlen, in Zukunft nicht zu voreilig zu sein, einen Mann des Unglaubens zu beschuldigen, weil zufällig seine religiösen Meinungen in einigen Punkten von den Ihrigen verschieden sind. Wir wollen hierüber indes weiter nicht streiten, wenn es Ihnen beliebt. Geben Sie mir die Hand und lassen Sie uns niemals wieder ein Thema aufnehmen, worin unsere Meinungen zu sehr abweichen, um es je zu unserem Vorteil besprechen zu können.«
In diesem Augenblicke kam der Diener mit dem Frühstück. Herr Goodworth schenkte sich ein Glas Xeres ein und nahm bald sein alltägliches heiteres Wesen wieder an, das Versprechen, welches er Herrn Thorpe gegeben hatte, vergaß er aber nicht. Von dieser Zeit an mischte er sich niemals wieder mit Wort oder Tat in seines Enkels Erziehung.
Während die Theorie des Thorpeschen Systems über jugendliche Erziehung in der freien Luft des Wohnzimmers besprochen wurde, wurde die Praxis jener Theorie, soweit es den individuellen Fall des kleinen Zack betraf, durchaus auf keine befriedigende und ermutigende Weise im verschlossenen Ankleidezimmer erläutert.
Als Madame Thorpe die erste Treppe hinaufstieg, hörte sie, wie ihr Sohn eine ununterbrochene Salve von Stößen gegen die Thür seines Gefängnisses losließ. Da dies keineswegs etwas Ungewöhnliches war, wenn der Knabe wegen seines schlechten Betragens eingesperrt wurde, so war sie zwar betrübt, aber nicht erstaunt darüber und ging in das Gesellschaftszimmer, um ihre Bibel und Gesangbuch auf den kleinen Seitentisch zu legen, wo sie immer während der Wochentage ihren Platz hatten, und sich von da nach den oberen Regionen zu begeben.
Als sie ihre Hand auf das Treppengeländer legte, gewahrte sie ganz erschrocken, dass das Geräusch im Ankleidezimmer gänzlich aufgehört hatte.
Sobald sie dessen gewiss war, rief sich ihre mütterliche Einbildungskraft, trotz Herr Thorpes Beruhigung, die abschreckende Erscheinung von Zack vor, wie er vor seines Vaters Spiegel stand, mit wohleingeseiftem Kinn und ein blankes Rasiermesser an seine nackte Kehle legend. Das Kind hatte wirklich eine sonderbare Neigung, sich mit Beschäftigungen Erwachsener zu amüsieren. Da ihn das Kindermädchen einmal unbedachtsamer Weise mit nach der Kirche genommen hatte, um die Trauung einer ihrer Freundinnen mit anzusehen, hatte Zack gleich am Tage nachher darauf bestanden, die Trauungszeremonie vor einer Braut und einem Bräutigam seines eigenen Alters, die er unter seinen Gespielen aussuchte, im Garten nach seiner Erinnerung zu feiern. Ein anderes Mal, als der Gärtner, ohne daran zu denken, seine brennende Pfeife auf einer Bank hatte liegen lassen, während er für eins der Kindermädchen aus der Nachbarschaft eine Blume pflücken wollte, gelang es Zack, unbemerkt drei lüsterne Paffe schnell hintereinander zu ziehen: man fand ihn auf dem Grase, sich wie ein kleiner Trunkenbold herumwälzend, und er musste heimlich nach Hause gebracht werden, leichenblass und in kaltem Schweiß gebadet, um sich ungesehen von seiner Mutter, einsam und in der entsprechenden Dunkelheit in dem hinteren Teile der Küche zu erholen. Obgleich diese hier genau zitierten kindlichen Heldentaten Madame Thorpe unbekannt waren, so gab es doch viele andere ähnliche, die sie kannte. Die warnende Erinnerung an diese ließ jetzt die arme Dame in einem Zustande atemloser Aufregung und Unruhe nach der zweiten Treppe eilen.
Zack hatte jedoch die Rasiermesser nicht gefunden, denn sie waren alle eingeschlossen, wie Herr Thorpe vorher gesagt hatte, aber dessen ungeachtet hatte er im Ankleidezimmer ein Mittel entdeckt, großes Unheil im Hause anzurichten, an das sein Vater sicher nicht gedacht hatte. Da sich Stoßen, Stampfen, Kreischen, Schluchzen und Stühle zerschlagen als ganz ohnmächtige Mittel zu seiner Befreiung erwiesen, stellte der junge Herr plötzlich sein Verfahren ein, sah sich ringsherum im Zimmer um, bemerkte den Hahn, welcher seines Vaters Badewanne mit Wasser versorgte, und beschloss sogleich, das Haus unter Wasser zu setzen. Er hatte das Wasser in die Wanne gelassen, sie bis an den Rand gefüllt und wartete sehnsüchtig, auf einen Stuhl hingestreckt, dass sie überfließen sollte – als seine Mutter die Türe aufschloss und in das Zimmer trat.
»O, du unartiges, gottloses, heftiges Kind«, schrie Madame Thorpe, erschrocken über diesen Anblick, tat aber sogleich der drohenden Sintflut Einhalt und zwar aus Gründen der Vorsicht, die mit der Decke des Empfangszimmers in Verbindung standen. »Oh, Zack, Zack! Was wirst Du noch tun! Was würde Dein Vater sagen, wenn er dies sähe? Du gottloses Kind, ich schäme mich Dich anzusehen!«
In der Tat bot Zack in diesem Augenblicke ein hinreichend entmutigendes Schauspiel für die Augen einer Mutter dar. Da stand der junge kleine Teufel störrisch und aufrecht auf seinem Stuhle, seine Schultern aus seinem Kittel ein- und auszuckend und seine Hände in unbewusster Nachahmung der Lieblingsstellung des ersten Napoleon hinter sich haltend. Sein blondes Haar hing wirr um seine Stirn, seine Lippen waren geschwollen, seine Nase gerötet, und aus seinen glänzenden blauen Augen sah offen unheilvoller Trotz heraus. Nachdem Madame Thorpe ihren Sohn eine Minute lang in stummer Verzweiflung angeblickt hatte, nahm sie ihn vom Stuhle.
»Hast Du Deine Aufgabe gelernt, Du gottloser Knabe?« frug sie.
»Nein«, antwortete Zack entschlossen.
»Dann komm mit mir an den Tisch, Dein Papa will sie Dir überhören. Komm hierher und lerne Deine Aufgabe sogleich!«
»Nein, ich will nicht«, erwiderte Zack und klammerte sich mit beiden Händen fest an die nassen Seitenwände der Wanne.
Es war ein Glück für den sechsjährigen Trotzkopf, dass er diese Worte nur an seine Mutter richtete.
Madame Thorpe strafte ihn wegen dieser Äußerung nicht, wie es ihr Mann oder Vater getan hätten, aber sie ergriff für den gegenwärtigen Fall das richtige Mittel.
»Sieh mich an Zack«, sagte sie, zur Wanne zurückgehend und sich neben ihn auf den Stuhl setzend, »ich habe Dir etwas zu sagen.«
Der Knabe gehorchte sogleich, er war in seiner schlechtesten Laune niemals abgeneigt, jedem offen in das Gesicht zu sehen. Seine Mutter öffnete ihre Lippen, hielt plötzlich inne, zögerte und schloss dann den ersten Satz ihrer Strafpredigt auf die höchst komische Weise dadurch, dass sie das ihr zunächst hängende Handtuch herunterriss und Zack nach dem Waschbecken fortführte.
Die einfache Tatsache war, dass Madame Thorpe im Geheimen eitel auf ihr Kind war. Sie hatte schon lange jede andere moralische Schwäche, nur diese nicht, besiegt, – von allen Eitelkeiten die schönste, von allen menschlichen Fehlern sicherlich