Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven Elvestad

Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten - Sven Elvestad


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»ist das nicht die, die dort oben links von der Ziegelei liegt?«

      »Ja, das habe ich ihm auch gesagt. Aber da fragte der Herr: Nicht wahr, das ist ja diese Ziegelei, wo der Betrieb jetzt stillsteht? Ich antwortete: ja. Dann wollte er noch wissen, ob überhaupt Leute in der Ziegelei oben seien.«

      »Und es sind keine da?«

      »Nein, das habe ich ihm auch gesagt. Dann fuhr er wieder weiter.«

      »Finden Sie es nicht merkwürdig, daß er Sie so genau nach der Ziegelei ausfragte, wenn er doch in die Villa Sand wollte?«

      »Ja,« sagte der Mann, »das finde ich schon; aber ich dachte damals nicht weiter daran.«

      »Kam der Wagen bald zurück?«

      »Ja, vielleicht nach einer halben Stunde. Aber da ging ich nicht hinaus. Ich hörte ihn nur von hier.«

      »Sie können den Tag, an dem dies geschah, nicht näher angeben?«

      »Nein. Ich glaube, es wird so etwa vierzehn Tage her sein. Nicht so lange vielleicht.«

      »Danke, mehr wünschen wir nicht zu wissen.«

      Die beiden Polizeileute gingen, und der Mann begleitete sie hinaus.

      Im selben Augenblick kam ein anderer Wagen von oben herabgerollt. Auf dem Bock saß ein Polizist in Uniform, in dem Wagen lag ein unbestimmbares Bündel.

      »Was ist denn das?« fragte der Mann verwundert.

       »Das ist der Ermordete,« erwiderte Krag.

      Der Mann zuckte zusammen.

      »Ist er hier in der Nähe getötet worden?«

      »Nein, aber die Leiche wurde dort oben in der Ziegelei gefunden.«

      »Und der Mörder?«

      »Das war der Herr, der an jenem Abend hier vorbeifuhr. Da hatte er die Leiche im Wagen.«

      Der Mann starrte ihn in dumpfer Verblüffung an.

      Der Polizeichef und der Detektiv bestiegen den Wagen und fuhren in die Stadt.

      Unten im Polizeigebäude hatten sie eine letzte Konferenz.

      Der Polizeichef fragte, ob vorläufig noch etwas in der Sache zu tun sei.

      »Nein, heute abend nicht,« erwiderte Krag, »aber morgen früh, sobald der Tag anbricht, gehe ich wieder an die Arbeit.«

      »Es handelt sich also darum, das Paar im Wagen zu finden?«

      »Ja, und das wird nicht schwer sein.«

      »Sie glauben?«

      »Der Mann fühlt sich sicher. Er hat einen großen Trumpf in der Hand. Oder er glaubt, ihn zu haben. Infolgedessen würde er sich gar nicht bedenken, direkt zur Polizei zu kommen und zu sagen: ›Meine Herren, ich war es, der an jenem Abend die Straße zur Ziegelei hinauffuhr.‹«

      »Ich verstehe nicht recht,« sagte der Polizeichef.

      »Das ist auch nicht notwendig,« erwiderte der Detektiv lächelnd.

      VI.

       Der Sekretär

       Inhaltsverzeichnis

      Gegen neun Uhr am nächsten Tag fuhr Krag allein in die Ziegelei hinaus, wo er bei Tageslicht eine sorgfältige Untersuchung des ganzen Ziegelwerkes und der Umgebung vornahm.

      Es gelang ihm jedoch nicht, neue, interessante Umstände zutage zu fördern, aber er sah doch seine Annahme bestätigt, daß der Wucherer nicht in der Ziegelei ermordet worden war, sondern daß man seine Leiche hinaufgebracht hatte. In welcher Absicht, ahnte der Detektiv noch nicht.

      Krag hatte sich wohl gemerkt, was der Mann in dem kleinen Häuschen am vorigen Abend erzählt hatte: Die beiden, die an ihm vorbeifuhren, hatten nach dem Weg zur Villa Sand gefragt.

      Der Detektiv dachte: Ein Verbrecher, der alles mit dem höchsten Grad von Schlauheit und Berechnung plant, stellt sich nicht so vor dem ersten besten Menschen bloß, den er auf der Landstraße trifft. Er mußte ja wissen, daß die Leiche in der Ziegelei einmal gefunden werden würde und daß die beiden, die im Korbwägelchen hinausfuhren, dann zur Sprache kommen mußten – wie es auch als ein sehr verdächtiger Umstand ins Gewicht fallen mußte, wenn herauskam, daß die Bewohner der Villa Sand an jenem Abend keinerlei Besuch empfangen hatten.

      Der Detektiv schloß darum, daß das Paar im Korbwägelchen Bekannte in der Villa Sand hatte, und daß es ihnen wirklich an jenem Abend einen Besuch abstattete, nachdem es zuerst den Ermordeten in das Trockenhaus der Ziegelei gebracht hatte.

      In der Villa Sand mußte er also erfahren können, wer die zwei mystischen Personen im Wagen waren.

      Dieser Gedanke erschien dem Detektiv so einleuchtend, daß er sich sofort nach der Villa aufmachte, die auf einer kleinen Anhöhe in der Nähe der Ziegelei gelegen war.

      Er beschloß, zur größeren Vorsicht als Privatmann aufzutreten – als Kolporteur, Lebensversicherungsagent oder dergleichen.

      Als er über den Hof ging, bemerkte er ein kleines Korbwägelchen, das in einer Ecke stand. Er konstatierte, daß zwei Menschen und eine Leiche darin Platz finden konnten.

      Der Detektiv ging zum Hauseingang hinein und klopfte an. Ein Mädchen öffnete. Ob er den Besitzer des Hauses sprechen könne?

      Er wurde in ein Zimmer geführt, in dem ein hochgewachsener, frischer Mann, eine typische Gutsbesitzergestalt, ihm entgegenkam. Er streckte dem Detektiv liebenswürdig die Hand entgegen und rief:

      »Nein, ist das aber nett, Sie einmal zu sehen. Guten Tag, Herr Detektiv! Womit kann ich Ihnen dienen?«

       Also erkannt, dachte Krag, der keinen Augenblick die Geistesgegenwart verlor. Blitzschnell hatte er einen neuen Feldzugsplan entworfen.

      »Ja, das werde ich Ihnen sofort sagen,« sagte er, »wenn Sie mir eine Unterredung unter vier Augen gewähren wollen.«

      Der Gutsbesitzer ging an ihm vorbei in das nächste Zimmer, und Krag benützte die Gelegenheit, um rasch eine Diamantnadel aus seiner Krawatte zu ziehen. Es war eine Nadel, die er von einem englischen Parlamentsmitglied bekommen hatte, dem er einmal in Hardanger einen großen Dienst erwiesen hatte.

      »Bitte nehmen Sie Platz,« sagte der Gutsbesitzer; »ich hoffe, es ist doch nicht mit einem meiner Leute etwas vorgefallen? Oder handelt es sich vielleicht um den toten Mann unten in der Ziegelei?«

      »Nein, keineswegs,« erwiderte der Detektiv, indem er dem Gutsbesitzer gegenüber Platz nahm, »es handelt sich überhaupt um kein Verbrechen.«

      »Ihnen soll der Teufel glauben,« erwiderte der Gutsbesitzer, indem er laut auflachte, »Sie haben es faustdick hinter den Ohren.«

      Krag zuckte zusammen. Sollte er ahnen? ... Im nächsten Augenblick schob er den Gedanken wieder von sich. Das war ja gar nicht möglich.

      Er zog die Diamantnadel hervor.

      »Mein Besuch bei Ihnen betrifft diese Nadel,« sagte er; »es ist eine sehr kostbare Nadel.«

      Der Gutsbesitzer sah sie bewundernd an.

      »Ist sie gestohlen worden?« fragte er.

      »Nein, sie ist verloren.«

       »Verloren?«

      »Am Morgen des Zwölften fand man die Nadel hier unten auf dem Wege gerade vor dem kleinen Häuschen. Sie hat einen Wert von mindestens 500 Kronen. Die Nadel wurde vom Finder der Polizei übergeben. Wir haben nach dem Besitzer annonciert, aber es war uns nicht möglich, ihn ausfindig zu machen. Wir haben nun gedacht, daß es ein Fremder sein könnte, und haben genauere Untersuchungen vorgenommen. Der Mann, der das kleine Häuschen dort unten bewohnt, erzählt, daß am Abend vorher, also am Elften, draußen ein Wagen hielt, in dem


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