Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven Elvestad

Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten - Sven Elvestad


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denen hier die Rede war, so etwa 1000 Kronen an Zinsen gerechnet haben wird. Nun lebten also der Sekretär und seine Dame herrlich und in Freuden von den errafften Tausenden. Bis zum Zehnten. Da bekommt er von seinem Abteilungschef die Weisung, das Dokument wieder zurückzugeben. Es wurde für den Staatsrat am Zwölften benötigt. Was sollte er anfangen? Er versuchte Geld aufzutreiben; aber als dies nicht gelang, faßte er den gefährlichen aber doch kaltblütigen Entschluß, den Wucherer totzuschlagen. Ich mache ihm das Kompliment, daß er unter zehntausend Menschen der ist, der eine solche Untat am besten und sichersten ausführen kann.«

      Hier verbeugte sich der Sekretär ironisch und versuchte eine Bemerkung einzuwerfen.

      »Unterbrechen Sie mich nicht,« sagte Krag, »Sie werden schon noch Zeit genug zum Reden haben. Nun – nun brütet der Sekretär einen sehr schlauen Plan aus. Einen der schlauesten und gefährlichsten, die mir noch in meiner Praxis untergekommen sind. Er bedenkt jeden kleinen Umstand und arbeitet schon im vorhinein allem entgegen, was zu seiner Entdeckung und Festnahme führen könnte. Er weihte sein – hm – seine Braut in den Plan ein, und sie ist gewissenlos und geldgierig genug, darauf einzugehen. Unterbrechen Sie mich nicht! ... Fürs erste schickt er also seine Braut zu dem alten Perückenmacher in der Grönlandstraße und läßt sie dort ein Perücke kaufen, die so genau als möglich dem roten Haar des Wucherers Jaerven entspricht. Dann schreibt er dem Wucherer ein Briefchen – das Briefchen nämlich, das wir bei der Untersuchung in seiner Wohnung gefunden haben. Es lautete, soviel ich mich erinnere: ›Treffen Sie mich um acht Uhr in der Höhle. Nehmen Sie den kleinen Blauen mit!‹ Mit der Höhle, diesem Studentenausdruck, meint er natürlich seine Junggesellenwohnung. Selbst der schlaue Wucherer geht sofort in die Falle, und wer hätte es nicht getan, meine Herren? Aber der Sekretär arbeitet auch weiter sicher und mit Berechnung. Er sagt sich, daß die Leiche nach dem Verbrechen fortgeschafft werden muß. Also begibt er sich am Nachmittag – bevor er mit Jaerven zusammentreffen soll – zu seinem Bekannten, dem Besitzer der Villa Sand. Hier leiht er sich unter einem Vorwand ein Pferd und ein Korbwägelchen aus und fährt damit in seine Wohnung. Unterdessen hat er seine Wirtschafterin fortgeschickt – bis nach Sandviken hinaus – um dort etwas zu besorgen. Er ist also allein, d. h. mit der Varietédame. Wie das Verbrechen begangen wurde, kann man sich denken. Er hat vermutlich den Kopf des Wucherers mit einem Hammer zerschmettert und ihm dann einen der stahlblauen Handschuhe der Dame in die Hand gesteckt, natürlich um auf falsche Fährte zu bringen. Er hat dann die Leiche in seinen Teppich gerollt, sie mit Hilfe der Dame in den Hof hinuntergebracht und ist damit zur Ziegelei hinaufgefahren. Den Teppich hat er später beiseitegeschafft und verkauft.

      Sowie die Leiche in das Trockenhaus der Ziegelei gelegt war – alles dies trug sich an einem Abend zu, bei Dunkelheit – ist er wieder in die Wohnung gefahren, so rasch das Pferd nur laufen konnte. Der Wächter am Wege erzählte ja, daß er den Wagen verhältnismäßig bald zurückkommen hörte.

      Aber jetzt kommen wir zu dem genialen Zug des Verbrechens: Der Sekretär hat den Hut des Wucherers und seinen alten fadenscheinigen Rock behalten. In einer bestimmten Absicht nämlich. Nun mußte die Varietédame weiterspielen. Sie verkleidete sich als Mann, zog die rote Perücke über ihr rabenschwarzes Haar, legte Jaervens Rock und Hut an und begab sich in dessen Wohnung, wo sie die Nacht schlief. Sie kam natürlich mit den Schlüsseln des Wucherers hinein, die ja auch bei der Leiche nicht gefunden wurden, als man diese im Trockenhause der Ziegelei entdeckte. Unterdessen brachte der Sekretär den Wagen so rasch zurück, daß er noch den Zug nach dem Süden erreichen konnte. Die Dame hielt sich den ganzen folgenden Tag in Jaervens Zimmer aus, untersuchte seine Schlupfwinkel und sprengte das kleine Geheimfach in seiner eisernen Kasse, zu der sie ja, wie gesagt, die Schlüssel hatte. Da haben Sie den Grund, meine Herren, weshalb Jaerven am Zwölften nicht aufmachte, niemand empfangen wollte, auf keine Fragen von draußen antwortete und das Schlüsselloch verdeckte, als jemand hineinsehen wollte. Erst bei Einbruch der Dunkelheit verließ die Dame die Wohnung in Jaervens alten Kleidern und mit seinem Hut. Niemand faßte Verdacht. Am Achtzehnten kehrte der Sekretär wieder zurück, und nun wähnte er sich ganz sicher. Am Elften war er aus der Stadt abgereist, und am Zwölften war doch Jaerven von Zeugen in seiner Wohnung gesehen worden. So hängt die Sache zusammen.«

      Der Sekretär war immer bleicher geworden, je weiter die Erzählung des Detektivs vorschritt; aber er war doch bestrebt, seinen Mut und seine Fassung zu bewahren.

      Der Polizeichef war stark bewegt.

      »Und das können Sie alles beweisen?« fragte er.

      »Ja,« erwiderte Krag, »denn wir haben Jaervens Rock und Hut beim Sekretär gefunden– in seiner Garderobe, und wir haben Jaervens Schlüsselbund im Boudoir der Varietédame gefunden.«

       »Ich leugne alles,« rief der Sekretär. »Ich bin das Opfer eines schändlichen Komplotts!«

      Der Polizeichef tat, als ob er den Ausruf nicht gehört hätte.

      »Ja, es muß sich alles so verhalten,, wie Sie es erklärt haben,« sagte er zu dem Detektiv gewendet; »nur eines möchte ich Sie noch fragen.«

      »Was denn?«

      »Warum mußte denn die Dame, als sie in der Wohnung des Wucherers war, die Kasse durchaus so genau untersuchen?«

      »Sie vergessen die Quittung,« erwiderte Krag.

      »Die Quittung?«

      »Ja, Sekretär Ström hat natürlich eine Quittung über den Empfang von 10nbsp;000 Kronen ausgestellt –«

      Ein Schrei ertönte.

      Die Chansonette griff sich mit der Hand an die Brust, so als ob sie erstickt.

      »Wasser« flüsterte sie

      Ein Polizist eilte mit einem Glas Wasser herbei, das sie zitternd an die Lippen führte.

      Krag sah mißtrauisch zu.

      Doch als sie eben trinken will, schlägt er plötzlich an das Glas, so daß es klirrend zu Boden fällt. Gleichzeitig umklammert er fest ihre rechte Hand und entwindet ihr etwas.

      Es ist ein kleines zerknülltes Papier.

      Er glättet es und liest es.

      »Habe ich es nicht gedacht!« ruft er. »Hier haben wir die Quittung. Sie wollte sie verschlucken.«

       Der Sekretär sieht die Dame an und murmelt höhnisch:

      »Weiber!«

      Der Polizeichef las das Papier ebenfalls. Es war die Quittung des Sekretärs Ström über den Empfang von 9000 Kronen gegen Garantie eines näher bezeichneten Staatsdokumentes, des »kleinen Blauen«. Der Betrag sollte bis zum Dreizehnten bezahlt werden.

      Der Sekretär war leichenblaß geworden. Seine Augen brannten mit einem unheimlichen Glanze.

      »Gestehen Sie jetzt,« fragte Krag, »daß Sie es waren, der den Wucherer erschlagen hat?«

      Mit einem letzten Rest seines eleganten Auftretens geht der Sekretär auf den Detektiv zu und verbeugt sich.

      »Ja,« erwiderte er ernst, aber doch noch immer höhnisch, »ich gestehe. Sie sind wirklich mit Ihren Schachfiguren feiner gezogen, Herr Detektiv.«

      *

      Drei Wochen darauf wurde Sekretär Ström verhört, verurteilt und lebenslänglich in die Strafanstalt Äkershus gesperrt.

      Der Mann im Monde

       I. Die ersten Anzeichen

       II. Die blauen Lichter

       III. Die Jagd beginnt

       IV.


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