Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven Elvestad

Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten - Sven Elvestad


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Kunst.« Und er nahm das zerrissene Schreiben, legte die Stücke zusammen und studierte die Schrift einige Augenblicke genau. Dann griff er zur Feder und ahmte das Schreiben genau nach vom ersten bis zum letzten Buchstaben.

      »Selbst der berühmte John Burnes, der Bankschwindler in London, von dem Sie wohl schon gehört haben,« warf er, an Asbjörn Krag gewendet, hin, »hätte dieses Schriftstück nicht besser nachahmen können.«

      Asbjörn Krag neigte den Kopf wie ein Mann, der sich überwunden fühlt, aber in seinem Herzen freute er sich darüber, wie leicht seine List gelungen war.

      Dieser Barra war ein Phantast, der seine Gegner immer unterschätzte. Darum mußte er ihn auch schließlich trotz alledem unterkriegen. Sicherlich würde Krags Kollege, der junge, tüchtige Detektiv, keine Silbe dieses Schreibens glauben, denn er kannte Krags wirkliche Handschrift ganz genau.

      »So, und jetzt stellen Sie sich auf das Verdeck und winken,« sagte Barra, »wenn nicht, blase ich Ihnen das Hirn aus!«

      »Winken – mit gebundenen Händen?« fragte Krag beinahe lustig.

      »Nein, Sie sollen freie Hand haben, da es sich doch um Ihr Leben handelt,« erwiderte Barra zuvorkommend und gab seinem Kapitän Order, den Detektiv wieder zu befreien. Dies geschah, und Asbjörn Krag fühlte die Kälte einer Revolvermündung in seinem Nacken, während ihn die zwei Banditen zwangen, mit auf das Verdeck hinaufzukommen. Er tat es mit Freuden, stellte sich aber, als fühlte er sich überwunden, und sah mit Gemütsruhe zu, wie ein Boot bemannt wurde, um sein gefälschtes Schreiben an Bord des Admiralschiffes zu bringen. Es war der Kapitän selbst, der diese gefahrvolle Mission auf sich nahm. Aber bevor er in das Boot stieg, rief er seinen Steuermann, einen vierschrötigen, stiernackigen Gesellen, und gab ihm einige Weisungen. Unterdessen wandte sich Krag Barra zu, der die ganze Zeit jede seiner Bewegungen bewachte und den Finger in einer Weise auf dem Hahn des Revolvers hielt, die Krag nicht daran zweifeln ließ, daß er ihn bei der geringsten unvorsichtigen Bewegung niederschießen würde wie einen tollen Hund.

      »Sie sollten mit Ihrem Revolver etwas vorsichtiger sein,« sagte er ruhig.

       »Darf ich ehrerbietigst fragen, warum?« fragte Barra mit einem ungeheuer liebenswürdigen Lächeln.

      »Weil man an Bord des Torpedobootes gute Ferngläser hat! Gesetzt, das Auge des Admirals fiele auf Ihren Revolver! Was würde dann geschehen?«

      »Dann würden vermutlich die kleinen Kriegsschiffe hierher steuern,« erwiderte Barra gleichgültig.

      »Nun? Und was dann?«

      »Dann wäre ich eben genötigt, Sie zu erschießen! Denken Sie, Ihre Gesellschaft bis Fredrikshavn entbehren zu müssen,« lachte er spöttisch.

      »Warten Sie nur!«

      »Das tue ich.«

      Der Kapitän hatte unterdessen seinen Steuermann instruiert, und Krag sah jetzt, wie er das Boot bestieg, während der Steuermann seinen Revolver in Empfang nahm und sich auf der anderen Seite von Asbjörn Krag aufstellte.

      »Du verstehst – bei der geringsten verdächtigen Bewegung!« rief der Kapitän noch einmal dem Steuermann zu.

      »All right,« erwiderte dieser mit einem finsteren Blick auf Asbjörn Krag, der jetzt zwischen Barra und ihm stand. Aber keiner von ihnen war doch so nahe, daß Krag ihn mit ausgestreckter Hand erreichen konnte. Als der Kapitän in das Boot gesprungen war, legten die Matrosen die Riemen aus, und gleich darauf war das Boot von einer Sturzwelle ein tüchtiges Stück von dem kleinen Dampfer fortgeschleudert. Das eine Torpedoboot dampfte langsam den Kommenden entgegen. Nach Verlauf von zehn Minuten konnten die Ruderer an der eisernen Flanke des Torpedobootes anlegen, und Krag sah den Kapitän auf das Verdeck springen. Was dort vorging, konnte er nicht sehen, die Entfernung war zu groß, auch war es noch zu dunkel.

      Krag bemerkte, daß Ingenieur Barra von der Spannung des Moments ergriffen war. Das Einzigartige und Gewagte des Spieles, das jetzt vorging, hatte also selbst auf einen so verhärteten Burschen wie den rotbärtigen Ingenieur seine Wirkung nicht verfehlt. Sollte ihm das Spiel gelingen?

      »Ah,« murmelte Barra, »ein Signal!«

      Und wirklich, aus dem Boot des Admirals wurde dem anderen Torpedoboot, das sich in der Nähe befand, signalisiert. Ein paar Minuten darauf sah Krag, wie dieses Boot nach Norden drehte und davondampfte. Dicke, schwere Rauchwolken wälzten sich aus seinem Rauchfang.

      Ingenieur Barra lächelte, und beinahe freundlich sagte er zu dem Polizisten:

      »Jetzt geht das eine Torpedoboot nach Arendal. Es sieht aus, als sollte das Ganze gelingen. Ihr Schicksal wollte nicht, daß Sie diesmal sterben.«

      »Triumphieren Sie nicht zu früh,« sagte Krag. »Sehen Sie das andere Torpedoboot. Das kommt hierher.«

      Ingenieur Barra zuckte zusammen.

      »Zum Geier,« rief er. »Was soll das heißen?«

      Das Torpedoboot dampfte langsam auf sie zu.

      »Auf dem Kommandoturm steht ein Mann in Zivil,« sagte Barra. »Er hat ein Taschentuch in der Hand.«

       »Ich bewundere Ihre Augen,« sagte der Detektiv nur. Aber er wußte, daß der Mann in Zivil sein Kollege sein mußte.

      Jetzt winkte er mit dem Taschentuch.

      »Ausgezeichnet!« rief plötzlich Barra. »Jetzt verstehe ich das Ganze. Das Boot wird nur so dicht an uns vorbeistreichen, daß ein Mann an Bord Ihnen zum Abschied winken kann. Wenn Sie dann zurückwinken, versteht man, daß alles in Ordnung ist. Winken Sie, Mann! Winken Sie! Oder Sie sind des Todes.«

      Barra rückte dem Detektiv auf den Leib und hob den Revolver in der Richtung seines Kopfes, aber so, daß man es an Bord des Torpedobootes nicht sehen konnte. Er wiederholte: »Winken Sie! Winken Sie zurück, hören Sie?«

      Krag wollte in die Tasche nach seinem Taschentuch greifen, aber Barra hielt ihn zurück.

      »Nein,« rief er, und warf ihm sein eigenes Taschentuch zu. »Hände aus der Tasche! Nehmen Sie dieses. So winken Sie doch jetzt, zum Teufel!«

      Krag war ganz ruhig. Er fühlte, daß der Augenblick der Entscheidung nahte.

      Jetzt konnte er, wenn er wollte, die Hand ausstrecken und den Ingenieur erreichen.

      »Warten Sie noch einen kleinen Augenblick,« sagte er zu Barra, »warten Sie, bis das Torpedoboot dicht an uns vorbeistreicht!«

      Ein paar stumme Sekunden vergingen.

      Nun strich das Torpedoboot in der Entfernung einer halben Kabellänge vorbei. An der Steuerkurbel stand der Polizist und winkte langsam mit seinem weißen Taschentuch.

      »Nun!« rief Barra. »Jetzt oder nie!« Der Detektiv sah, daß seine Augen vor Erregung ganz blutunterlaufen waren.

      »Jawohl,« sagte der Detektiv, »ich winke ja schon.«

      Im selben Augenblick streckte er den Arm aus. Aber nicht, um zu winken. Blitzschnell schlang er seine beiden langen Arme um den Rotbärtigen, dessen Schuß im selben Augenblick losging.

      »Hallo!« rief Krag. »Sie haben nicht getroffen, diesmal war ich Ihnen zu schnell.« Er hielt ihn mit seinen Riesenkräften fest an sich gedrückt und sorgte dafür, daß Barras Körper zwischen ihm und dem anderen Banditen war. Dieser beschützte ihn so wie ein Schild.

      Aber der Steuermann trachtete, auf die andere Seite hinüberzukommen. Er hatte den Revolver schußbereit in der Hand, Krag wußte, daß es im nächsten Augenblick um ihn geschehen sein mußte. Aber da faßte er einen blitzschnellen Entschluß. Eine heftige Kraftanstrengung und er schleuderte sich selbst und den Ingenieur über das Geländer ins Meer hinaus!

      »Teufel!« rief der Bandit an Bord und flog mit ausgestrecktem Revolver zum Geländer hin. Seine Augen leuchteten mit fanatischem Glanz. Wenn er doch den Polizisten treffen könnte!

      Dort unten im Wasser lagen die beiden und rangen miteinander – der Detektiv und der Rotbärtige, und die Wellen spritzten rings um


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