Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel

Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch - Walther Kabel


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recht. – Nicht nur ein Zeichen war’s. Das hatte ich bald heraus. Die Art, wie die Papierkugel in einer Distel festgeklemmt war, legte mir nahe, das Stück Zeitung sauber glatt zu streichen. Es war vollständig durchfettet. – Weshalb wohl? – Nun – um es im Falle eines Regengusses vor dem Aufweichen zu schützen. – Das weitere war sehr einfach. Ich bemerkte sofort, daß in dem Leitartikel zehn Wörter mit Bleistift nicht allzu auffällig unterstrichen waren. Nacheinander gelesen lauteten diese ins Deutsche aus dem Holländischen übertragen folgendermaßen:

      „Versammlung nicht gefunden. Empfang alles vorbereitet zu finden bei befreundeten.“

      So, mein Alter, nun kannst Du Dein Licht leuchten lassen. Denn diese Sätze, zweimal zu drei und einmal zu vier Wörtern abgeteilt, verraten im einzelnen und als Ganzes so allerlei: Bitte – beginne!“

      Wenn man bereits anderthalb Jahre Privatsekretär und Gehilfe eines Harald Harst ist, lernt man allmählich doch so einiges. Ich erwiderte daher. „Der erste Satz bezieht sich vielleicht auf ein verfehltes Rendezvous. – Empfang alles vorbereitet – hm, darüber bin ich mir nicht klar, ehrlich gesagt. Der letzte Satz aber ist wohl so zu ergänzen, daß der Hersteller dieser Papierkugelmitteilung sich bei befreundeten Leuten aufhält.“

      Harst nickte zerstreut. „Die Hauptsachen fehlen, lieber Schraut. Aber mit Deinen Ergänzungen bin ich einverstanden. – Ich will nun meine Ansicht über diese Mitteilung zum besten geben. Du weißt, daß zwischen Palperlon und seinem Vertrauten Morrisson einmal in einem von Magda Knork teilweise belauschten Gespräch die Worte „Okirupu“ und „großer Fetisch“ wiederholt genannt wurden. Dieses Gespräch soll vor etwa sieben Monaten stattgefunden haben. Da nun Palperlon persönlich dem Generalkonsul hier in Südafrika nicht aufgelauert haben kann, denn er weilte, wie uns bekannt, zu derselben Zeit in Berlin, dürfte Morrisson bei dem Anschlage auf Johannes Knork beteiligt gewesen sein. Ich brauche gerade Dir wohl nicht näher zu erklären, weshalb ich hier einen Anschlag vermute. Es sollte eben zugleich mit Knork auch die Skizze der Muwuru-Mine verschwinden, damit Palperlon dann als einziger deren genaue Lage kannte. Morrisson wird also hier den Generalkonsul entweder beiseite geschafft haben oder aber ihn irgendwo gefangen halten. Offen gestanden: ich fürchte das erstere! Palperlon tut ja nie halbe Arbeit. Tote sprechen nicht mehr! Danach handelt er. – Morrisson ist dann hiergeblieben, um Palperlon zu erwarten, der ja noch in Europa so allerlei gewinnbringende Geschäfte vorhatte, an denen wir gleichsam als Gegenpartei mitwirkten. Ich erinnere nur an den Fall des „ewigen Juden“, den sogenannten „Seher von Lissabon!“ Und Morrisson hat meiner Meinung die Papierkugel für Palperlon vorbereitet, mit dem er vielleicht in Johannesburg – daher die Buren-Post – zusammentreffen wollte, wo sie sich aber aus irgend einem Grunde verfehlt haben mögen. – Nun noch der mittelste Satz: „Empfang alles vorbereitet.“ Ob sich dies nicht auf uns bezieht, mein Alter? Ob Palperlon nicht damit gerechnet hat, ich könnte mich auch in seine hiesigen Geschäfte einmischen?! Ob er nicht vielleicht Morrisson eine chiffriere Kabeldepesche mit einer Anweisung für unseren „Empfang“ gesandt haben mag? – Du wirst zugeben, geben, daß sehr vieles für die Richtigkeit dieser Kombinationen spricht und daß schließlich mit den „Befreundeten“ recht gut der Fetischpriester Okirupu gemeint sein kann. Jedenfalls hatte ich, nachdem ich diese Mitteilung derart ausgelegt hatte, allen Grund, überaus vorsichtig zu sein. Deshalb zeigte ich Dir auch soeben die Papierkugel nur ganz flüchtig. Es ist nicht ausgeschlossen, daß jemand uns vom anderen Ufer aus beobachtet.“

      Ich konnte Harst nur beipflichten, erklärte dann aber noch: „Diese merkwürdige Art, Palperlon eine Mitteilung zugehen zu lassen, erscheint mir – wie soll ich sagen – etwas – gekünstelt.“

      „Sehr richtig. Dieses Gekünstelte ist auch das, was mich stört. Ebenso die Tatsache, daß Palperlon, für den doch die Papierkugel bestimmt war, noch nicht hier gewesen sein kann. Sonst hätte ja die Papierkugel nicht mehr in der Distel gelegen.“ Er ließ abermals die Augen mißtrauisch über die Brücke und das jenseitige Ufer hingleiten. „Lieber Alter – ich kann nicht behaupten, daß ich mich angesichts dieser Rätselbrücke besonders wohlfühle,“ meinte er dann. „Im Gegenteil, ich wünschte, wir hätten Sululand erst wieder hinter uns! Ich bin noch nie –“

      Von rechts her war plötzlich ein gellender Schrei erklungen, ein so schriller, heller Angstruf, daß unsere Köpfe mit einem Ruck herumflogen.

      Ich muß hier über die Örtlichkeit noch hinzufügen, daß sich rechter Hand von uns eine mit dichtem Gebüsch bewachsene Berghalde hinanzog und daß wir selbst etwas links von der Felszunge standen, während wir nach Osten zu durch ein hohes Distel- und Dornengestrüpp gedeckt waren.

      Das, was wir nun miterlebten, war so aufregend, ereignete sich so urplötzlich, daß selbst Harst, dem es doch wahrlich nicht an Geistesgegenwart fehlt, minutenlang wie gelähmt am selben Platze verharrte.

      Aus dem Gebüsch der Berghalde brach ein junges Negerweib hervor, deren knallroter Kattunrock von Dornen völlig zerfetzt war. Wie eine Wahnsinnige raste sie auf die Brücke zu, sprang mit großen Sätzen über die Unebenheiten des Felsens und stieß noch mehrmals dieselben durchdringenden Angstrufe aus.

      Sie hatte etwa die Mitte der Brücke, also die platte Spitze des Pfeilers erreicht, als wir einen ausgewachsenen Leopard bemerkten, der in beinahe gemächlichen Sprüngen, – so, als wüßte er, daß ihm die Beute nicht entgehen könnte, hinter dem Weibe dreinlief. Erst als das Raubtier nun ebenfalls über die Brücke hinwegsetzte, riß Harst die Pistole aus der Tasche und folgte der Bestie. Ich blieb dicht hinter ihm. Blindlings rannte ich weiter; sah, wie Harst von der Felszunge, die über die Pfeilerplattform ein Stück hinwegragte, auf den Pfeiler hinabsprang; war nun selbst am Ende der Felszunge angelangt.

      Ich wollte mich nach hinten zurückwerfen. Ich hatte jedoch bereits das Gleichgewicht verloren. Ich – stürzte hinab in das Felsloch, das plötzlich dort gähnte, wo die Pfeilerplattform fraglos noch soeben, als das Negerweib und der Leopard diese Stelle passiert hatten, einen sicheren Absprung gestattet hatte.

      Im Fallen sah ich noch, daß Harst vor mir in der Dunkelheit dieses Schachtes verschwand. Dann prallte ich mit der Stirn gegen eine Felskante und wurde bewußtlos.

      Zum Glück war meine Verletzung nicht schwer. Ich kam bald wieder zu mir. Als ich die Augen öffnete, traf mich sofort ein greller Lichtschein. Er rührte von Harsts Taschenlampe her. Sofort vernahm ich auch Harsts Stimme:

      „Wie geht’s, mein Alter? Du hast Pech gehabt. Zu unserem Empfang war hier eine Streu aus Zweigen, Blättern und Moos bereit. Ich fiel ganz weich.“

      Ich hob die schweren Lider abermals. Harst saß neben mir mit untergeschlagen Beinen und – rauchte eine Mirakulum.

      „Liege ganz still und erhole Dich erst,“ meinte er. „Du warst immerhin eine halbe Stunde ohne Bewußtsein. – Wo wir uns befinden, weißt Du: im Innern des natürlichen Brückenpfeilers! – Wir kennen jetzt also das Geheimnis der Rätselbrücke und manches andere noch. Wir sind also wirklich den Leuten auf den Leim gegangen. Wer konnte aber auch mit einem solchen Trick rechnen?!“

      Mein Kopf schmerzte noch zu sehr, als daß ich diese Sätze Harsts sofort hätte verarbeiten können. Ich verhielt mich regungslos und zergliederte ganz langsam Harsts Worte, fand darin schließlich so viel Unklares, daß ich leise fragte:

      „Was meinst Du mit – Trick?“

      „Oh – die Negerin und den zahmen Jagdleopard, der das Weib so ohne besonderen Eifer verfolgte. – Begreifst Du nun, wie raffiniert die Bande es angestellt hat, meine Vorsicht zu schanden zu machen?!“

      Ich schaute ihn an und sah, daß er lächelnd den Rauch der Zigarette von sich blies.

      „Du – Du lachst – in einer solchen Lage!?“ meinte ich ganz verdutzt.

      „Gewiß. Nichts ist scheußlicher, als das Gefühl, einer Gefahr gegenüberzustehen und doch nicht eründen zu können, wie sie sich äußern wird. So erging es mir vor der Brücke. Nun weiß ich, was Palperlon und Konsorten uns zugedacht hatten. Nun – sehe ich in allem vollständig klar.“ Eine kleine Pause. Dann ganz leise: „Mein lieber Schraut, Palperlon ist wirklich ein Mensch, der eine Verbrecherschule


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