Edgar Wallace-Krimis: 78 Titel in einem Band. Edgar Wallace
für Sie haben. – Heute jedenfalls noch nicht«, setzte er bedeutungsvoll hinzu. »Sie haben schon drei Warnungen von uns erhalten, und heute sind wir gekommen, um Ihnen die letzte Warnung persönlich zu überbringen.«
Black hatte seine Fassung allmählich wiedergewonnen.
»Warum zeigen Sie mich denn nicht an, wenn Sie glauben, daß ich unrecht tue?« fragte er wütend.
»Das werden wir auch noch tun, wenn die Zeit dazu gekommen ist«, war die höfliche Antwort. »Aber ich warne Sie persönlich, Black. Sie haben jetzt die äußerste Grenze erreicht.«
Der Oberst war kein Feigling. Mit einem Fluch zog er plötzlich seinen Revolver und sprang auf die maskierten Männer zu.
Sofort ging das Licht aus, und Frank wurde von ein paar kräftigen Händen gepackt und fortgezogen.
Eine Tür schlug hinter ihm zu, dann taumelte er die Treppe hinunter in den Hausflur. Schnell wurden ihm die Handschellen abgenommen. Die Haustür öffnete sich – sein Führer mußte mit der Örtlichkeit des Hauses auf das genaueste vertraut sein. Schließlich fand sich Frank etwas verwirrt und bestürzt auf der Straße. Zwei Herren in Gesellschaftskleidung standen neben ihm.
Sie trugen noch ihre Masken, aber sonst unterschieden sie sich durch nichts von anderen Menschen.
»Sie müssen dort hinuntergehen, Mr. Fellowe«, sagte der eine und zeigte in die Richtung des Victoria-Bahnhofs.
Frank zögerte, er hätte gar zu gern das Ende dieses Abenteuers miterlebt. Wo mochten die beiden anderen sein? Warum waren sie noch zurückgeblieben? Was machten sie noch in dem Hause?
Seine Befreier mußten wohl seine Gedanken erraten haben.
»Unsere Freunde befinden sich in Sicherheit«, sagte der eine. »Machen Sie sich keine Sorgen um sie. Sie tun uns einen großen Gefallen, wenn Sie jetzt schnell fortgehen.«
Nachdem er sich bedankt hatte, schritt Frank Fellowe rasch die Straße hinunter. Einmal sah er sich noch um, aber die beiden Männer waren bereits in der Dunkelheit verschwunden.
6
Oberst Black war in einer sonderbar gereizten Stimmung. Er wußte nicht recht, was er von diesen Ereignissen halten sollte. Einerseits war er wütend über den Vorfall, auf der anderen Seite mußte er darüber lachen.
Diese geheimnisvollen Männer, die über ihn zu Gericht sitzen wollten, hatten seine Papiere und Geschäftsbücher durchstöbert. Sie waren aus dem Nichts gekommen und wieder ins Nichts verschwunden, sie hatten ihn beunruhigt – ihm einen furchtbaren Schrecken eingejagt, wenn er ehrlich sein sollte. Aber für gewisse Charaktere ist Mut in erster Linie eine Frage der Beleuchtung. Black war im hellen Morgensonnenschein wieder kühn geworden, denn er hatte die Überzeugung, daß sie nichts Greifbares gegen ihn hatten entdecken können.
Er saß in seinem Hausmantel am Frühstückstisch; Sir Isaac Tramber leistete ihm Gesellschaft.
Oberst Black liebte die guten Dinge des Lebens, vor allem die Annehmlichkeiten der modernen Technik und delikate Speisen. Der Tisch war reich gedeckt.
Sir Isaac lebte einfacher. Ein Cognac mit Sodawasser und ein Apfel bildeten sein ganzes Frühstück.
»Was ist denn eigentlich los?« brummte er schlecht gelaunt. Er war in der letzten Nacht spät zur Ruhe gekommen und hatte schlecht geschlafen.
Black schob ihm einen Brief über den Tisch zu.
»Was halten Sie davon? Hier ist ein niederträchtiger Brief von der Firma Tangye – die Leute wollen zehntausend Pfund von uns haben und schreiben, daß sie mich in der Öffentlichkeit als vertragsbrüchig brandmarken wollen, wenn sie die Summe nicht umgehend erhalten.«
»Dann zahlen Sie doch«, erwiderte Sir Isaac müde.
Der Oberst lachte auf.
»Reden Sie doch kein dummes Zeug! Woher soll ich denn plötzlich zehntausend Pfund nehmen? Ich bin nahezu bankrott, das wissen Sie doch, Tramber. Wir sind beide in derselben Lage. Auf dem Papier habe ich ein Vermögen von zwei Millionen Pfund, aber ich glaube kaum, daß ich auch nur ein paar Tausend Pfund auftreiben könnte, selbst wenn ich es versuchte.«
Sir Isaac schob seinen Teller zurück.
»Sie sprechen doch nicht etwa im Ernst?« fragte er brüsk.
»Meinen Sie wegen des Geldes?«
»Ja. Ich hätte eben beinahe einen Schlaganfall bekommen. Mein lieber Freund, wir säßen aber ganz elend in der Patsche, wenn uns gerade jetzt das Geld ausgehen sollte.«
Black lächelte.
»Das ist ja gerade das, was passiert ist. Aber ob wir nun in der Klemme sind oder nicht, wir müssen der Situation ins Auge sehen. Ich habe mein Bankkonto überzogen; im Hause habe ich ungefähr hundert Pfund, und ich vermute, daß Sie etwa ebensoviel bei sich haben.«
»Ich habe nicht einmal hundert Schilling.«
»Unsere Spesen sind ungeheuer«, fuhr Black fort. »Sie wissen, wie sich alles summiert. Wir haben ein oder zwei Geschäfte in Aussicht, aber außerdem nichts. Wenn wir nur die Fusion der großen Eisenhütten im Norden zustande brächten! Dann hätten wir Geld in Hülle und Fülle und könnten beide Schecks über Hunderttausende von Pfund ausstellen.«
»Können Sie denn in der City kein Geld auftreiben?«
Der Oberst schlug die Spitze eines gekochten Eis ab, ohne zu antworten. Tramber kannte die Lage dort genausogut wie er selbst.
»Hm«, meinte Sir Isaac schließlich, »aber irgendwie müssen wir doch jetzt Geld beschaffen.«
»Wie steht es denn mit Ihrem Freund?«
Die Frage klang gleichgültig, war aber wohlüberlegt.
»Welchem Freund?« Sir Isaac lachte heiser. »Allerdings – ich habe nicht so viele Freunde, daß es notwendig wäre, einen genauer zu bezeichnen. Sie meinen natürlich Lord Verlond?«
Black nickte.
»Verlond ist der einzige Mann auf der Welt, den ich nicht um Geld angehen darf.«
»Er besitzt doch aber ein großes Vermögen«, sagte Black spöttisch.
»Das stimmt«, erwiderte Sir Isaac grimmig. »Und womöglich muß er mir noch einmal sein Geld hinterlassen.«
»Hat er keinen Erben?« fragte der Oberst interessiert.
»Früher war einer vorhanden – ein Neffe, der hoch hinauswollte. Aber der lief von zu Hause fort, und man nimmt an, daß er auf einer Ranch in Texas ums Leben gekommen ist. Auf jeden Fall beabsichtigt Lord Verlond, ihn für tot erklären zu lassen.«
»Das war allerdings ein Schicksalsschlag für den alten Mann.«
Diese Äußerung schien Sir Isaac zu belustigen, denn er lehnte sich zurück und lachte laut auf.
»Was sagen Sie da – ein Schicksalsschlag? Er hat seinen Neffen gehaßt wie die Pest! Lord Verlond entstammt der jüngeren Linie, und der Junge war ein wirklicher Verlond. Deshalb haßte ihn doch der Alte so sehr. Ich bin überzeugt, daß er ihm das Leben zur Hölle gemacht hat. Er ließ ihn immer am Wochenende zu sich kommen, um ihn zu schikanieren, bis der junge Mensch schließlich verzweifelte, seine geringen Ersparnisse nahm und auf und davon ging.
Einige Freunde seiner Familie haben nachgeforscht, wo er geblieben war, aber der Alte hat sich nicht im geringsten um ihn gekümmert. Die anderen haben ihm dann eine Stelle in einer Druckerei in London verschafft. Schließlich wanderte er nach Amerika aus.
Ein paar interessierte Leute haben seine Spur verfolgt. Er ging nach Texas und kam auf eine ziemlich verwahrloste