Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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href="#u6c487ebc-4f35-514a-a20d-de52faec43f0">14. Sankt Antonius – – Mönch!

       15. Wera wußte es …

       16. Sie kommt …

      1. Kapitel

       Die Wolfsgrube

       Inhaltsverzeichnis

      Wenn der Sturm von Südost über den Pazifik fegt und Neptuns weißbemähnte Rosse brüllend gegen den Strand anrennen, als wollten sie unsere feste Steinhütte stürmen und vernichten, verschwindet mein Gefährte Gowin regelmäßig aus dem wohnlichen Gemach und sitzt stundenlang auf der Spitze des Vorgebirges und starrt den anrollenden Wogen entgegen.

      Ich kann mich dann niemals des Gedankens erwehren, daß der Mischling Gowin, von dem ich nichts weiß und nie etwas wissen werde, von dem raubgierigen Meere irgend etwas erhofft, das als stiller Wunsch in seiner verschlossenen Seele schlummert und erst durch das Brüllen der Brandung geweckt wird.

      Gowin ist stumm. Er hat nur eine halbe Zunge. Gowin kann weder lesen noch schreiben, und selbst Chi Api wußte über ihn nichts zu sagen, als daß er ein tüchtiger Seemann und vorzüglicher Reiter und Schütze sei. –

      Gowins Lallen, als er an diesem Morgen nach dem Höllenlärm einer Sturmnacht mir die frischen Fährten des Fremden ins Gedächtnis zurückrief, ist wie das Heulen der Wölfe und das Kläffen der Füchse, wie das Schreien eines kranken Kindes und wie der dumpfe Laut des brünstigen Pumas. Mir geht dieses Lallen durch Mark und Bein, und ich beeile mich, das Frühstück zu beenden und … vielleicht den Mann abzufassen, der uns seit Wochen durch seine Spuren in Aufregung hält.

      Es sind Spuren derber Stiefel mit Hufeisen unter den Absätzen. Ich habe dreimal diese Fährte im feuchten Lehm von Bachufern genau studiert, und ich weiß, daß der Unbekannte, der nie zu erwischen ist, trotz der plumpen Stiefel einen leichten, federnden Gang hat und nach der Schrittlänge etwas kleiner als ich sein muß.

      Um diesen Fremden haben die langen Wochen, die wir ihm nachspüren, dichte Schleier des Geheimnisses gewoben. Der Mann flieht uns, und seine Schlauheit ist erfolgreicher als Gowins primitive List.

      Gowin steht mit der Büchse im Arm vor mir. Er erinnert mich in seinem Robbenfellanzug ein wenig an Coy Cala, aber er ist massiger, derber und doch von günstigem Ebenmaß. Sein braunes Gesicht mit den schief gestellten dunklen Augen, den vorspringenden Backenknochen und den dünnen, grausamen Lippen unter der flachen Nase entbehrt durchaus nicht eines gewissen brutalen Reizes. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß Frauen von besonderem Einschlag ihn besinnungslos lieben würden.

      Wir brechen auf. Heute in aller Frühe fand ich die frischen Fährten des Fremden hinter dem Waldstück, das unsere Bucht gegen das Innere der Insel Sachalin gleichsam begrenzt. Wir schreiten rüstig aus, die Sonne brennt warm hernieder, und Scharen von Rabenvögeln umkreisen drüben wie schwarze Punkte eine bestimmte Stelle.

      Ich wundere mich, daß Gowin, als wir die Spur wie stets bisher im steinigen Bett eines Baches verlieren, ohne Umweg auf den Hügel zuhält, über dem die Vögel ein Aas zu wittern scheinen.

      Und dann fällt mir ein, daß mein Gefährte, den ich nicht Freund nennen kann, obwohl Monate uns einander hätten innerlich näher bringen können, drüben eine Anzahl Wolfsgruben angelegt hat, in deren Herstellung er ein Meister ist.

      Ich ahne, daß seine neuen Gruben wohl mehr dem Fremden galten. Gowin kennt tausend Schliche und Kniffe und überrascht mich jeden Tag durch seine Vielseitigkeit.

      Meine Ahnung trügt nicht.

      Wir steigen in ein kahles weites Tal mit verstreuten Buschinseln hinab, die von Dornen, Disteln und riesigen Brombeerranken zu stachligen Hügeln umgeformt sind.

      Der Boden ist hart und steinig. Das Gras wächst nur in Büscheln, und es bedarf schon Gowins Kräfte, hier eine Grube auszuheben.

      Ich gehe voran, bis seine Faust mich packt und zurückreißt. Er stößt ein paar gräßliche Töne aus, deutet auf die Erde und verzieht den Mund zu einem hochmütig-höhnischen Grinsen.

      Gowins Fallen sind unsichtbar. Nur er versteht es, den Boden wieder so zu glätten, daß nur ein sehr scharfes Auge vielleicht wahrnehmen könnte, daß unter diesen trügerischen Steinen, Steinchen und Grasbüscheln, die anscheinend jahrelang nicht berührt worden sind, ein tiefes Loch gähnt mit einem schweren Balkendeckel, der, sobald ein Wolf, Fuchs oder gar ein Bär dort hinabgesaust ist, kunstvoll zuschlägt und ein Entkommen unmöglich macht.

      Gowins Lachen hat mich schon häufig gereizt. Es liegt eine so abgrundtiefe Verachtung westlicher Kulturmängel darin. Mein Gefährte ist Asiate, und hinter seiner Stirn schlummert der dumpfe Haß gegen den Europäer, den all die Intellektuellen des fernen Ostens gegen uns hegen. Gowin ist vielleicht noch klüger als jene Männer, die heute die Geschicke Japans und Chinas leiten, wenn er auch weder lesen noch schreiben kann.

      Jetzt übernimmt er die Führung. Er hat einen eigentümlich beschwingten Gang, er hat nichts von dem trippelnden oder schwerfälligen Schritt der Mongolen, und er hält den Kopf stets etwas zurückgeworfen, wie jemand, der auf ferne unklare Geräusche lauscht.

      Hinter einer der stachligen Buschinseln ist der Boden in quadratischer Form, etwa dreimal drei Meter, eingesunken. Ich habe nicht gewußt, daß Gowin so große Gruben angelegt hatte.

      An den Rändern sieht man noch Teile des feinen Flechtwerks aus Zweigen, das die dünne Erddecke trug.

      In der Grube sieht man nichts, denn die aus Wrackplanken gezimmerte doppelte Klapptür, besser zweiflügelige Falltür, ist zugeschlagen und obendrauf liegen all die verschiedenen Teile des mit Erde bedeckt gewesenen Flechtwerks, dazu Grasbüschel, Steine und seltsamerweise ein zerknitterter, verwitterter Filzhut, der einen Kinnriemen aus weich gegerbtem Renntierleder hat.

      Gowin weidet sich förmlich an meinem Erstaunen über diese Menschenfalle, denn Wolfsgrube wäre eine zu bescheidene Bezeichnung.

      Er legt den Zeigefinger auf die Lippen. Ich soll mich still verhalten. Seine Zeichensprache ist mir längst geläufig geworden, und seine Handbewegungen und sein ausdrucksvolles Mienenspiel erklären mir, daß der Fremde gerade diese Stelle hier in letzter Zeit häufiger passiert habe.

      Er fischt den Hut mit einem Stock von dem Plankendeckel, und wir betrachten den altgedienten Filz mit der Neugier von Menschen, die endlich von dem Unbekannten ein sichtbares Etwas erwischt haben. Der Hut besagt nichts. Es ist ein sehr feiner, weicher Filz von unbestimmtem Grau mit ein paar dunklen Flecken, die ich für Öl halte.

      Gowin legt sich lang an den Grubenrand und schiebt den Holzriegel zur Seite, der die beiden Flügel der Falltür selbsttätig versperrt hat. Der Fremde muß in der Grube stecken, und ich entsichere für alle Fälle die Büchse und rufe hinab:

      »Jeder Widerstand wäre zwecklos! Wer sind Sie?«

      Gowin nickt zufrieden. – Ich rufe nochmals.

      Die Antwort kommt von anderer Stelle. –

      Die Insel Sachalin im Ochotskischen Meer ist noch heute zum Teil unerforscht. Bis zum Jahre 1800 wußte man noch nicht einmal mit Sicherheit, ob sie nicht lediglich eine langgestreckte Halbinsel wäre. Russen und Japaner teilten sich ihren Besitz, dann wieder tauschte Japan seine Südhälfte gegen die Inselgruppe der Kurilen ein, der russisch-japanische Krieg brachte abermals eine Verschiebung der Besitzverhältnisse, und heute hat Rußlands Interesse an dem immerhin entlegenen Inselgebiet erheblich nachgelassen, da die dortige Deportiertenkolonie durch die Sowjetregierung aufgehoben worden ist. Viel ausländisches Kapital steckt in den großen industriellen Unternehmungen, Kohlenbergbau, Petroleumquellen, Fischerei, Pelztierjagd sind durch amerikanisches Kapital verseucht. Was sonst noch über Sachalin zu sagen wäre, flechte ich wohl am besten in den Gang unserer Erlebnisse ein. Unendliche Strecken der Insel, besonders die weit rauhere


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