Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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      4. Kapitel

       Im lila Salon

       Inhaltsverzeichnis

      … Die Fürstin Wera Zubanoff lag auf einem Diwan, der mit drei Bärenfellen belegt war, und rauchte eine Zigarette. Vor ihr stand ein Tischchen mit einer einfachen Teemaschine, einer Schale Gebäck und einem Aschbecher. Sie trug einen schwarzseidenen Kimono und zierliche japanische Pantoffeln über den nackten Füßen.

      »Ich danke dir, Chedee,« sagte sie zu dem verschmitzten Alten, der uns zwei Schemel hinschob und die Tür geschlossen hatte. Wrangel war mit hineingeschlüpft.

      Ich beobachtete Gowin. Seine Augen ruhten voll tödlichen Hasses auf Wera Zubanoff, sein Gesicht war aschgrau geworden, die Haut über den Backenknochen spannte sich in Falten und verzog auch den Mund. Gowin erinnerte mich an eine tückische Bulldogge. Aber Wera nahm von ihm keinerlei Notiz. Sie blickte mich flüchtig an und betrachtete meine durchweichten Schuhe.

      »Ihr nächtlicher Ausflug, Mr. Abelsen, kann drei Meter unter der Erde enden,« sagte sie kalt.

      Ich spürte unklar, daß all die Frauen, die bisher meinen Lebensweg gekreuzt hatten, im Vergleich zu der Fürstin Zubanoff harmlose Backfische gewesen waren.

      Und – Wera war dazu die schönste von allen! Noch nie hatte ich ein Antlitz von so berückendem Charme gesehen, noch nie hatten eine hohe Stirn, ein festes Kinn und ein leicht sinnlicher Mund so viel Geist und Energie verraten. Diese Frau, Zierde jedes Salons, erschien hier in den Urwäldern Sachalins wie ein Märchenwesen. – Märchenhaft war auch die Ausstattung des Zimmers, das ich vorhin allzu bescheiden als Stube bezeichnet habe. Hellila Seide bespannte die Wände, die Decke war mit blaßgrüner, sternförmig geraffter Seide verhüllt, aus einer Rosette in der Mitte hing eine wertvolle antike japanische Messinglampe herab. An den Wänden zwischen modernen Salonmöbeln aus dunklem tiefrotem Kirschbaum spendeten Messingblaker mit dicken Kerzen ein mildes Licht. Der Bodenbelag bestand aus einem einzigen großen farbenfrohen Perserteppich von wundervollem Seidenglanz, über den noch ebenso prächtige Perserbrücken gelegt waren. Nur der Armsessel aus knorrigen Wurzeln, in dem Howard Steenpool keine günstige Figur abgab, und die beiden für uns bestimmten Schemel waren echte Giljakenarbeit. –

      Der Fürstin versteckte Drohung berührte mich sehr wenig. Ich war nicht hierhergekommen, sie irgendwie zu belästigen. Sie machte sich eine völlig falsche Vorstellung von meinen Absichten.

      »Mein nächtlicher Ausflug,« erwiderte ich ebenso kühl, »hatte nicht den Zweck, Ihnen zu schaden, Fürstin. Nachdem ich mein Heim am Buchtstrand erreicht hatte, bedauerte ich bereits, nicht energischer eine restlose Klärung dieser immerhin seltsamen Vorgänge gefordert zu haben. Ich ließ mich durch Steenpool überrumpeln – leider! Ich will Ihnen restlose Offenheit schenken, verlange jedoch auch das gleiche von Ihnen. Wie ich sehe, hat Chedee es verstanden, Steenpool bei der Menschenfalle zu täuschen. Chedee gehört zu Ihnen, Fürstin, und ich – –, nun ich betrachte mich als neutral, bis erwiesen ist, daß Ihnen Unrecht geschieht.«

      Weras klare Augen wurden milder.

      »Sie sprechen als Mann. Ich habe von Ihnen auch nichts anderes erwartet, Mr. Abelsen. Ich habe zufällig Ihre im Druck erschienenen Erlebnisse in die Hände bekommen, ich spreche und lese auch leidlich deutsch, dazu sind wir Landsleute … Ich liebe Schweden über alles.«

      Sie winkte mir einladend zu, ich nahm Platz, und Chedee entfernte unaufgefordert meine Fesseln.

      Gowin oder Wassili Charbinow, Herr über Millionen, lachte schrill. Es lag unbändiger Haß auch in diesem Lachen.

      »Ein glattes Weibergesicht, und der Eber wird zahm!« spie er mir die Worte stolpernd ins Gesicht. »Schämen Sie sich, Abelsen, – Sie verdienen das vertraute Du nicht mehr!«

      »Was Sie verdienen, Gowin, weiß ich noch nicht … Ich urteile nur auf Grund untrüglicher Beweise über eine Person.«

      Das brachte ihn doch zur Besinnung. Er stieß seinen Schemel mit dem Fuß mehr in eine Ecke und setzte sich. In seinem Gesicht zeigte sich eine gewisse Verlegenheit.

      Wera Zubanoff warf Steenpool einen merkwürdigen Blick zu. »Mr. Steenpool, ich glaube, Sie werden die Partie verlieren.«

      Der kleine Herr mit dem beweglichen Gesicht zuckte die Achseln und bewegte den durch den Knebel verschlossenen Mund in recht komischer Weise.

      Ich trat für ihn ein. »Lassen Sie ihm den Knebel abnehmen, Fürstin. Jeder soll hier frei und offen reden können.«

      Chedee wartete Weras Befehl nicht ab, Steenpool holte tief Luft, beleckte sich die Lippen und verneigte sich. »Ich danke Ihnen …!« Das galt Wera und mir.

      Ich begann zu sprechen. Ich schonte Gowin nicht, mich erst recht nicht. Ich erzählte von meinen Notizen, von meiner inneren Unausgeglichenheit, erwähnte meine Bedenken gegen meine allzu schlaffe Handlungsweise und schilderte Wrangels und meinen Marsch durch den nächtlichen Wald.

      »… Daß ich den Zusammenhang dieser verworrenen Dinge nicht überschaue, Fürstin, ist erklärlich. Ich weiß nur wenig: Sie müssen hier schon lange Zeit in der Verborgenheit gelebt haben, Chedee und seine Giljaken waren Ihre Freunde und Beschützer, und Steenpool suchte wohl ebenso lange umsonst nach Ihnen, bis Sie heute früh durch einen unglücklichen Zufall in Gowins Menschenfalle versanken, aus der Steenpool Sie wehrlos herausholte, fesselte und wegschaffte. Während Steenpool uns beide, Gowin und mich, überraschte und dann mit mir sprach, hat Chedee sie befreit …«

      »… Ich befreite mich selbst,« verbesserte sie. »Im übrigen trifft das alles zu.«

      Steenpool nickte. »Es ist sehr bedauerlich, daß alles zutrifft, denn – es traf mich letzten Endes am schwersten. Es war kein Vergnügen, monatelang in einer Buschinsel in einer primitiven Hütte zu hausen und Tag für Tag die Schönheit zu suchen, die ich hier im koketten Sportanzug vermutete, nämlich Sie, Fürstin Zubanoff! – Mein Kompliment, – Ihre kleinen Morde und sonstigen Schurkereien haben Ihnen äußerlich keinen Abbruch getan, innerlich war ja an Ihnen nichts mehr zu verderben.«

      »Sie sind ein Narr,« meinte Wera ohne jede Gereiztheit. »Ihr Herren aus London mögt geniale Spitzel sein, Menschenkenner seid ihr nicht.«

      Aus Gowins Ecke kam ein schamlos gehässiges Kichern. »Bravo, Mr. Steenpool! – Ein Jammer, daß Sie sich mir nicht früher offenbarten! Wir hätten die Herrschaften, die nun hier die Sieger spielen, dorthin gebracht, wo sie nicht mehr schaden können – auch Abelsen, der vor jedem Unterrock kapituliert.«

      Ich verzichtete auf eine Erwiderung, ich sagte nur im allgemeinen: »Ich werde hören … Wir werden Gericht halten, und jeder soll zu Worte kommen.«

      Die Fürstin reichte mir ihr Zigarettenetui. Ich erkannte es, es war dasselbe, das ich bei Steenpool gesehen hatte.

      »Bitte … Es gehört mir nämlich. Steenpool beschlagnahmte es bei einer günstigen Gelegenheit,« meinte Sie sarkastisch. »Er hat eine Vorliebe für echt goldene Dinge … Vielleicht saß er deshalb auch im Zuchthaus von Battersea, Staat Neuyork, Nordamerika.«

      Der angebliche Oberinspektor schüttelte mißbilligend den Kürbis. »Wir werden hier doch ohne alle unnötigen Ausfälle verhandeln, Fürstin. Entschuldigen Sie, daß ich die kleinen Morde erwähnte, es war verfrüht, jedes zu seiner Zeit.«

      Chedee gab mir ein Zündholz, und in Steenpools Augen erwachte die Gier des Nikotinverseuchten, seine Augen hingen verlangend an dem Etui.

      »Binde ihn los, Chedee,« befahl Wera gleichmütig.

      Der kleine, äußerlich so gepflegte Londoner rieb sich die Handgelenke, strich seine Jacke glatt und griff in die Brusttasche und brachte ein Päckchen Zigaretten zum Vorschein. »Sie sind als Gegnerin fast zu vornehm, Fürstin,« sagte er merklich verlegen. »Unsereiner muß anderen Grundsätzen huldigen. Der Zweck heiligt die Mittel, und die Mittel sind zuweilen nicht gerade einwandfrei. Man tut sich außerdem auf seine Schlauheit viel zugute, und sieht


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