Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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      Ich prüfe Wrangels Verbände, und die Fürstin spielt Köchin. Wir reden über gleichgültige Dinge.

      Dann unser gemeinsames Mahl, – Wera mit einem zerkratzten Blechteller im Schoße, mit einem Holzlöffel, den Chedee geschnitzt hat …

      Auch der Hund erhält sein Teil, und gerade als die Reste der einfachen Konservensuppe ausgelöffelt sind, spitzt Wrangel die Ohren, knurrt und schleicht zur Tür.

      »Licht aus!«

      Ich werfe eine Decke über die Laternen, Wera gießt eine Kelle Wasser in die Herdglut, und ich hebe die Büchse halb zur Schulter.

      Draußen eine hastige Stimme: »He, Missu Abelsen, – – hier sein alte Tschanli …« Und dann das Kennwort. »Tschu-Wang – – Wang Ho …«

      Es kann nur der greise Kuli mit dem vertrockneten Gesicht sein. – Ich schiebe die beiden Holzriegel zurück, und der Chinese schlüpft herein, Wera zieht die Decke von den Laternen, und unser Gast verbeugt sich tief.

      »Missu Abelsen, ich nur wollen fragen, ob ich euch irgendwie helfen können …«

      Ich verriegele die Tür.

      »Bist du allein, Tschanli?«

      »Nein, Missu, am Ufer sein noch drei Wangs.«

      »Woher kennst du meinen Namen?«

      »Missu Steenpool …« – er spukt kräftig aus – »Missu Steenpool kommen zu Ölfelder und reden mit Oberingenieur … Dann er mit Hunden und zehn Kulis eilen nach Süden in großen Urwald …«

      Er grinst plötzlich …

      »Unter zehn Kulis ich sein, und ich finden Blockhaus von Tschu-Wang dreizehn früher, und als Engländer kommen, alles schon in Flammen …«

      »Recht so, Tschanli!«

      »Dann wir treffen Tiger, lange Jagd, Missu, – wir verfolgen Tiger, wir sehen dich, Missu. Du Wang sein wie wir … – Engländer nannte deinen Namen, ich gute Ohren …«

      »Setz dich, Tschanli …«

      Er bleibt bescheiden stehen. »Nicht viel Zeit, Missu … Heimlich wir weg von Jagdtrupp.«

      Auf gut Glück fragte ich: »Wo ist Fürst Zubanoff?«

      Tschanlis Schlitzaugen ruhen auf Wera. Er zaudert …

      Wera tritt dicht vor ihn hin.

      »Sprich die Wahrheit, – was es auch sei!« Aber in ihrer Stimme bebt die ungewisse Angst.

      Der alte Tschanli flüstert scheu: »Ich Chedee treffen … Chedee immer mit uns in Verbindung. Er sagen, Fürst Zubanoff nicht mehr großer Tschu-Wang, sondern nur noch Gowin großer Tschu-Wang … Fürst Zubanoff …« – wieder zögert er – »… sein … tot …«

      Wera erbleicht, aber sofort ruft sie auch:

      »Dann hat Gowin ihn ermordet.«

      Tschanlis verkniffenes Gesicht verzieht sich zu einer unklaren Grimasse.

      »Er nicht so tot sein,« sagt er leise. »Anders tot … Chedee mir nicht alles mitteilen, aber Gowin kein Mörder …«

      Wera rüttelt den Alten. »Rede!! Rede!! Was deutete Chedee an? Wenn mein Mann nicht tot ist, weshalb ist dann nun Gowin dreizehnter Tschu-Wang?! Rede!«

      Tschanli blickte sie hilflos an. »Ich nicht mehr wissen … nichts mehr … Chedee nur sagen, er sehr weite Reise vorhaben …«

      »Nach Charbin?« fragte ich mit einigem Recht.

      »Vielleicht,« nickt der Alte grübelnd.

      Ich bin zu einem Entschluß gelangt.

      »Tschanli, hat der Engländer etwa Leute nach unserem Steinhaus an der Küste geschickt?«

      »Nein, Missu …«

      »Dann werdet ihr vier uns dorthin begleiten. Es soll euer Schade nicht sein.«

      Er verbeugte sich nur. »Wir gehorchen, Missu. Du kennen Zeichen von Tschu-Wangs, du sein Tschu-Wang, wir nur Wangs.«

      Die Organisation dieses Bundes ist musterhaft. Ich habe nie einem geheimen Orden angehört, nun habe ich mich selbst zu einem der zwölf Tschu-Wangs befördert. Es ist Betrug, aber – in diesem Falle muß jedes Mittel mir recht sein. Es gilt Wera zu helfen, und Fürst Zubanoff hat mir Wera gleichsam anvertraut.

      Wir werden mit dem Schoner Sakramento in See stechen, und ich werde Charbin kennenlernen.

      10. Kapitel

       Die Spur im Sande

       Inhaltsverzeichnis

      Uns beschwert keinerlei Gepäck. Was Wera mit nach Sachalin genommen hatte, ist ein kleiner Koffer und ein gewöhnlicher Rucksack. Die Chinesen tragen sie, und Wera und ich schreiten voran, neben uns der hinkende Wrangel, hinter uns die vier schweigsamen Wangs, von denen der eine ein Mongole von ungewöhnlicher Länge ist.

      Die Nacht ist sternenklar, der Mond steht hoch, und wir meiden den kürzesten Weg zur Bucht und halten uns stets in buschreichen Tälern. Meine Begleiterin zeigt keine Neigung, Tschanlis Mitteilungen kritisch zu erörtern, aber ich habe das Gefühl, daß Wera bereits wieder bei dem häßlichen Verdacht, ihr Gatte könnte mit einem anderen Weibe in dem Blockhaus zusammengelebt haben, angelangt ist, und sich scheut, diese Gedanken vor mir zu entblößen.

      Wir schreiten mächtig aus, obwohl es mir zuweilen vor Übermüdung und Abspannung heiß über den Leib rinnt. Mein Kopf ist benommen, und es ist mir im Grunde nur lieb, daß Wera so stumm neben mir hergeht. Die kurzen Bemerkungen, die wir austauschen, beziehen sich nur auf Dinge, die dieser Nachtmarsch uns aufdrängt: Über die einzuschlagende Richtung, über das nächtliche Getier, dem wir begegnen, und auf die Möglichkeit einer Verfolgung durch Steenpool.

      Wera spricht über Steenpool nie in gehässigem Tone. Sie ist einsichtsvoll genug: Der Engländer tut nur seine Pflicht, und ein anderer an seiner Stelle wäre wohl weit rücksichtsloser vorgegangen.

      Auf den weiten Wiesen mit ihren kniehohen Grasbüscheln und dicken Moospolstern stoßen wir auf kleinere Renntiertrupps. Vielbegehrte Zobel, hier auf Sachalin mit das häufigste Wild, flitzen wie Blitze in ihre unterirdischen Baue, – ein paar Füchse traben mißmutig von einem stinkenden Aas ins Gestrüpp, und das langgezogene Geheul eines jagenden Wolfsrudels bleibt merkwürdigerweise beständig in der Nähe.

      Wrangel wird unruhig. Mitunter macht er Miene, einem flüchtenden Renn zu folgen, – auch die Wölfe stören ihn, und als gar in einem schmalen Waldstück ein brauner Bär in komischen Sätzen davoneilt und wiederholt stehen bleibt und vorsichtig zurückblickt, kann ich ihn kaum am Riemen zurückreißen.

      Nach zwei Stunden spüren wir den Salzhauch des Meeres. Der eigentümlich aromatische Duft, den die Täler Sachalins aushauchen, verschwindet und der lauere Wind des Pazifik fächelt unsere müden Gesichter.

      Die Hütte an der Bucht liegt vor uns. Wir halten im Gebüsch, und Wrangel und ich ziehen erst einmal allein auf Kundschaft aus. Über der Bucht liegt der Mondschein als silberner Streifen, und drüben das Vorgebirge grüßt mich mit vertrauten Zacken und Spitzen. Dort hatte Wassili Gowin seinen Lieblingsplatz, dort habe ich ebenso oft gesessen und über das Meer geschaut und unbestimmte Wünsche in die Ferne geschickt.

      Wrangels feine Nase ist mir auf diesem Gange bester Schutz. Im Bogen nähern wir uns der Balkentür. Der Wind hat wieder ganz feinen Seesand in langem Strich hier zur Tür aufgehäuft, Sand so fein wie Puder, Milliarden winzigster Körnchen, denen niemand es mehr ansieht, daß sie einst Felsbrocken des Urgesteins gewesen sind und nur durch die Schleifwirkung des unruhigen Meeres oder durch die gleiche des Windes zu Sand gerieben sind.

      Ich umkreise das Steinhaus. An der Rückseite hängen noch die ausgespannten Fuchsfelle. Nichts hat


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