Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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      13. Kapitel

       Schüsse in der Nacht

       Inhaltsverzeichnis

      Dunkle Glut stieg ihr in die Wangen, beschämt löste sie sich aus meinen Armen, senkte den Kopf …

      »Olaf, was müssen Sie von mir denken!«

      Ich hatte noch ihre Hände umklammert …

      »Ich denke, daß du mich liebst, Wera …«

      Sie riß sich los …

      »Mein Gott, – nur das nicht …! – Olaf, vergessen Sie meine Schwäche, – ich bin nicht frei, ich …«

      »… ich vergesse nichts, Wera, – nie! Wie sollte ich?!«

      Sie wandte sich langsam weg.

      »Sie müssen vergessen! Es darf nicht sein. – Wollen Sie mir auch das noch aufbürden?!«

      Sie war so hilflos, so ganz Weib … Der Widerstreit ihrer Empfindungen rührte mich.

      »Ich bin so froh, daß ich Sie gefunden habe,« – so fanden wir uns auch in den bisherigen trügerischen kameradschaftlichen Ton zurück.

      Aber – vergessen?! Wera, wie töricht bist du doch! Vergessen, wenn du mich so geküßt hast! …

      … Dann saßen wir nebeneinander, Wera erzählte … Sie war erst aufgewacht, als ihr einer der Chinesen die Kehle im Zelte zudrückte und ein zweiter sie emporhob. Die Schufte hatten die Zeltbahn hinten zerschnitten, der eine hatte Wera dann vor sich in den Sattel genommen, und die Angst vor uns hatte die Banditen bis hierher getrieben. Hier machten sie halt, ahnten nicht, daß ihre Gefangene bereits die Pistole in der Hand hatte. Das Ende waren vier rasche unerwartete Schüsse gewesen …

      »… Mein Gewissen ist frei,« sagte Wera mit der alten Energie, und ihre Züge waren hart und erbarmungslos … »Aus den gemeinen Redensarten der Schurken erkannte ich, was mir drohte. Es gab keinen anderen Ausweg für mich …«

      »Wer wird Ihnen Vorwürfe machen?!« Ich blickte mich nach den Gäulen um. »Haben Sie die Satteltaschen durchsucht?! Wir sollten etwas essen …«

      »Und Sie sollten schlafen, Olaf … Sie sehen miserabel aus … Übrigens weiß ich nun aus den Gesprächen der vier, daß wir im ganzen sechszehn von diesem Gesindel hinter uns haben. Man hatte unsere Spur verloren, und diese vier waren nur ausgeschickt, die Fährte zu suchen. Wo der Haupttrupp steckt, weiß ich nicht.«

      Ich war müde, nein, wie zerschlagen. Nun kam erst die Abspannung. Ich erhob mich, ich taumelte, Wrangel schlief längst zusammengerollt wie ein Wollbündel, mein Gaul hatte sich in das hohe Gras gelegt, Wera hatte ihm eine Decke übergeworfen.

      Ich untersuchte die Waffen der Toten, die Wera neben sich gesammelt hatte. Die Gewehre waren nicht viel wert, die unmodernen Revolver erst recht nicht. Die Läufe hatten Rostflecken, die Schlösser klapperten.

      Von diesem Hügel hatte man weite Fernsicht. Die Wüste war unverdächtig. Friedlich grasten drüben Hirsche – jene Art ohne Geweih, die in der Gobi so häufig anzutreffen ist. Ich sah hier die ersten Wildkamele, es waren acht Tiere, plumper als das Zugkamel, dichter im Haar. Nirgends eine Jurte, ein Reiter oder eine Rauchsäule.

      Wir sammelten dürres Holz. Die Toten hatten kleine Teekessel mit sich geführt, leider auch nur den fragwürdigen billigen Ziegeltee, der, zu Platten zusammenpreßt, so leicht alle möglichen Gerüche anzieht. Aber Hartbrotpakete und drei Büchsen Reis verhalfen uns doch zu einer stärkenden Mahlzeit.

      Wir sprachen nicht viel. Eine gewisse Verlegenheit blieb zwischen uns, und Weras Augen mieden die meinen.

      Kaum hatte ich mich dann im Schatten niedergelegt, als ich auch schon einschlief. Die Sonne brannte heiß, obwohl es erst sieben Uhr morgens war. Ein feiner zarter Dunst hatte die Steppe zuletzt überzogen, der reichliche Tau erzeugte die schwachen Nebel, die später wieder verschwanden.

      Ich schlief. Ich hatte zwei treue Wächter, und meine Träume gaukelten mir ein Glück vor, das niemals Wirklichkeit werden konnte.

      Mittags weckte Wera mich. Steenpool und Gupa mit unseren Packpferden nahten von Osten her, es gab eine lärmende, freudige Begrüßung, und Steenpool konnte sich die Frage nicht verkneifen, wie es Mr. und Mrs. Smith derweil ergangen sei, wobei er vielsagend schmunzelte.

      Wera wandte sich errötend ab, ich wurde grob und meinte, wir hätten jetzt wohl an anderes zu denken, das Dutzend Banditen, das hier immer noch irgendwo umherstrolche, lasse es geraten erscheinen, schleunigst wieder aufzubrechen.

      Wir brachen auf. Gupa ritt als Späher weit voraus, wir wichen wieder einigen Jurten und einem größeren Zeltlager im Bogen aus und sahen gegen Abend die bläulichen Gipfel des Chingan-Gebirges vor uns. Gupa hatte nachmittags eine kleine Karawane nach der Lage des Dorfes Choto ausgefragt, und wir hatten uns weit nördlicher halten müssen. Die Gegend war hier bereits bedeutend baumreicher, einzelne Wasserläufe, kleine Tümpel, sehr hohes Gras und kegelförmige, vollständig kahle Felshügel gaben der Landschaft das kennzeichnende Gepräge des Übergangs zum Gebirge. Die Dauersiedlungen nahmen gleichfalls zu, und Jurten mit Lehmziegelunterbau, ganze Lehmhäuser, Stallungen und eingezäunte Weiden zwangen uns nicht nur zu weiten Umwegen, sondern auch zu doppelter Vorsicht.

      Choto sollte in einem Tale mit schroffen Wänden liegen, dicht daneben, hatte der Karawanenführer erklärt, gab es einen größeren See und einen alten Tempel ans der Glanzzeit des geeinten Mongolenreiches.

      Wir mußten dem Ziele ziemlich nahe sein, und Gupa schlug vor, erst einmal die Sache in einem großen Gebüsch abzuwarten.

      Wera war wieder sehr still geworden, Steenpool schwatzte wie immer allerlei scheinbar ungereimtes Zeug, in dem noch der scharf geschliffene Witz dieses kleinen eigenartigen Vertreters Oldenglands stets geistreich aufleuchtete. Wir saßen nebeneinander, Gupa hielt vor den Büschen Wache, und ich … wünschte mich tausend Meilen weg.

      Ich zweifelte nicht daran, daß wir die Gesuchten in Choto vorfinden würden, zumindest ganz in der Nähe. Ich hatte den Gefährten längst von der Chiffredepesche Mitteilung gemacht, die ich auf der Diktaphonwalze entdeckt hatte, und wenn dort auch Charbin als Treffpunkt angegeben gewesen war, so hatte dies gegenüber Gupas Feststellungen in Charbin nichts zu bedeuten. Der Fürst, Gowin und Chedee mußten in Choto sein. Zu welchem Zweck, – die Frage blieb offen.

      Wera hatte mit Dank eine von Steenpools Zigaretten angenommen. Der Oberinspektor erzählte eigene Erlebnisse, und er war ein glänzender Erzähler. Ich begriff, daß sein Beruf ihn vollkommen fesselte und befriedigte.

      Plötzlich fragte die Fürstin ihn: »Glauben Sie, daß der Wang-Bund Waffen einschmuggeln läßt?«

      Es war schon dunkel, aber mir entging Steenpools peinlich überraschte Miene doch nicht.

      »Wie kommen Sie denn darauf, Fürstin?«

      »Das ist keine Antwort,« meinte sie etwas gereizt. »Mir fiel soeben ein, daß Iwan (sie nannte ihn nie mehr Witscha) in Angora öfters mit einem Belgier verhandelte, der, wie ich zufällig erfuhr, Vertreter einer Waffenfabrik sein sollte.«

      Steenpool räusperte sich. Das Thema war ihm unangenehm. »Hm, Sie denken an das Wort »Sendung« in der Depesche … Nun, unsere Gedanken begegnen sich, Fürstin. Ich habe längst daran gedacht, und ich vermute, daß ihr Gatte, mag er auch als dreizehnter Tschu-Wang zurückgetreten sein, doch noch für die Übernahme dieser Sendung notwendig ist.«

      Wera fragte weiter: »Und wenn nun das Dutzend chinesischer Banditen hiervon Kenntnis hätte, wenn sie vor uns in Choto einträfen?!«

      Steenpool lachte. »Ein Gowin hat mehr Spione, als diese chinesischen Halsabschneider, die der General Fangsoleng besoldet …«

      »Wenn dem so wäre, hätte man uns wohl in Charbin rechtzeitiger gewarnt,« sagte Wera düsteren Tones. »Ich fürchte, wir alle überschätzen die Macht der Wangs. Gowin redete da soviel von tausenden


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