Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри


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sträuben, die Herrin befiehlt's. Welchen Kranz hast du für ihn bestimmt?«

      »Den hellen, die Veilchen für mich.«

      »Den ich dir aufsetzen werde. So, da hast du dein Krönchen. Hans, was meinst du, sollte sie nicht so gemalt werden für die künftige Ahnengalerie des Hauses Thorstein als holdseligste der Ahnfrauen!«

      »Nein, Harro, nicht ganz,« erwidert Rosmarie. »Ich will ja gestehen, daß ich mir in dem Kleid gefalle. Es erfüllt meine Träume. Weißt du nicht mehr, wie ich dich als kleines Mädchen bestürmte um ein Silberkleid. Und nie sagen konnte, wie es eigentlich sein müßte. Ich möchte auch von dir gemalt sein, aber nicht für Haus Thorstein. Es wäre mir so seltsam, wenn ich mir hier begegnete, so oft ich etwa in den Saal hinaufginge. Für den Vater sollst du das Bild malen, nach Brauneck. Du weißt ja, ich hatte sie fast alle gerne und sie waren mir wert, die stillen Leute an den Wänden. Ich fühlte, sie gehören zu mir. Wenn Papa nicht da war, gehörten sie viel mehr zu mir als fast alles, was von lebendigen Menschen herumlief. Und ich möchte auch im Bilde ganz gern zu ihnen gehören. Und nun, Harro, beuge deinen stolzen Nacken, von dem Tante Helen einen solchen Eindruck bekommen hat.«

      »So, hat sie, – dann verrate ihr dieses nicht!« Und Harro ließ sich auf ein Knie nieder, und Rosmarie drückte ihm den Kranz in sein krauses Haar. Sein Kopf bekam etwas Wildschönes dadurch, und sein doch phantastischer Anzug erschien noch zu bürgerlich daneben.

      »Du mußt für Festabende einen Leibrock bekommen aus rotem Samt,« sagte Rosmarie.

      »Und Tante Ulrike wollen wir dazu einladen, wenn ich ihn zum erstenmal trage. Und nun komm, Hänschen! Aber du mußt es nicht besser haben wollen, hinunter auf deine Knie mußt du auch.«

      Hans Friedrich kniet vor der schönen Königin, und ihr zarter Rosenduft umweht ihn, und ihre Hände berühren sein Haar.

      »O Paribanu, schneide jetzt den goldenen Faden nicht ab,« seufzte er innerlich, »und laß mich jetzt nicht erwachen in der Büchsenstraße.« Ganz nahe sieht er den feingeschwungenen Mund, leicht geöffnet, daß die weißen Zähne blitzen, und den herrlichen Hals aufsteigen aus dem schneeigen Geriesel. Und es ertönt keine Ladenschelle von der Büchsenstraße, nur Harro faßt ihn bei den Schultern und sagt in seinem weichsten Ton:

      »Hänschen, weißt du, wie du aussiehst? Wie ein Bild zu den Jünglingsseelen in Schuberts Litanei, wobei ich nicht nur an die Worte, sondern mehr noch an die Musik denke. Und jetzt erkläre ich das Fest für eröffnet.«

      Und Harro dreht das Licht in der Laterne des blauen Männleins an:

      »Sieh, wie schön er uns Schweigen gebietet. Wir werden auch keinen Ton mehr von uns geben. Du, Rosmarie, setze dich in den tiefen Stuhl dort, und wenn er es gar so übermäßig schön macht, so erlaubt er mir, daß ich mich in meine Lieblingsstellung begebe. Sieh, auch dafür ist gesorgt.«

      Und er zog einen langen, schmalen Kelim vor Rosmaries Füße.

      Und zum erstenmal schweben die Töne der hehren Frau Musika durch das Goldhaus. Hans Friedrich beginnt leise und zart jene Melodie, die Harros Worte in ihm wachgerufen haben. »Ruhn in Frieden alle Seelen« ..., und das neue Haus mag wohl lauschen auf den seltsamen Weihegesang. Und seine wunderbare Kunst nimmt die Melodie auf ihre Flügel, und sie rollt dahin in mächtigen Akkorden und kehrt wieder mit holden, flehenden, unsäglich süßen Kinderstimmen und mit Engelchören und rauscht über nächtliche Wälder und einsame, weite, brennend rote Heiden, wo alte Heidenmale stehen, und spielt um verlassene Dorfkirchhöfe, wo die Kinder auf eingesunkenen Gräbern spielen und Holunderbüsche ihre weißen Dolden breiten, und wandelt durch Wälder auf sonnenfleckigen Wegen, wo das eingesunkene Kreuz am Rain liegt, halb begraben unter den todblassen Waldrosen.

      Rosmarie hat ihr veilchengeschmücktes Haupt gesenkt, und ihre feinen Hände umklammern ihr silberstarrendes Knie. Zu ihren Füßen liegt Harro lang ausgestreckt auf seinem Teppichstreifen, beide Hände unter seinem bekränzten Haupte vergraben, ganz hingegeben, seine Seele bespült von der Flut der Töne.

      Und draußen streicht der Nachtwind mit zarten, tastenden Händen um das Goldhaus, und die Sterne wandeln durch die Winternacht.

      Zweiunddreißigstes Kapitel.

       Das Traumweib

       Inhaltsverzeichnis

      Es ist Mai geworden, und im Goldhaus ist ein Fest gewesen, von dem niemand etwas vernommen hat. Keine kalten neugierigen Augen haben die junge Königin gesehen, als sie ihre Freudenschuhe anzog und sich den bräutlichen Kranz auf ihr Goldhaar drückte. Der junge Garten hat seine ersten Blüten getragen, und in diesem Jahr ist das Goldhaus wie ein Blumenkorb gewesen, auch von außen, denn vor den Südfenstern sind von den blauen Kacheln gehaltene Blumenkästen, darin die rotleuchtenden Kapuziner ihr munteres Wesen treiben, weiße und blaue Trichterwinden ihre geheimnisvollen Kelche öffnen, in die sich ein so wunderbares Licht verirrt zu haben scheint, und Geranien blühen in breiten Dolden. Märt, wenn er hinaussieht im Morgensonnenschein, und all die Blumengesichter lächeln in der blauen Luft, das hohe steile Giebeldach des Hauses und den Bergfried umkreisen die Flüge weißer Tauben, muß seinen Mund auf fast groteske Weise verziehen und verbraucht sehr viel Salzkörner.

      Im Oktober, als Rosmaries Garten am schönsten ist in seiner Spätherbstblumeneinsamkeit, besteigt einmal an einem herrlich goldenen Tag Harro seinen Braunen und reitet nach Brauneck hinüber.

      Er verliert den hellen lichten Nachmittag und erscheint dort sehr überraschend, man ist ja längst seine eiserne Tageseinteilung gewöhnt, daß ihm sein Schwiegervater mit einem ängstlichen »ist etwas Besonderes?« entgegentritt. Die Fürstin ist um diese Zeit schon ausgefahren, so führt ihn der Fürst in die Sommerstube. Dort hängt ja das Bild des Seelchens, und niemand, der dies Zimmer betritt, der nicht mit seinen Augen daran haften bliebe. Der Fürst ist darum schon ganz gewöhnt, jedem Neuhereinkommenden das Bild gewissermaßen vorzustellen: »Meine Tochter, die Gräfin Thorstein. Elf Jahre damals. Von meinem Schwiegersohn gemalt.« –

      »Harro, was bringst du, du hast so etwas Feierliches an dir?«

      »Habe ich auch. Eine große Freude für dich.«

      »Harro, ist's möglich, die Rosmarie, meine Rosmarie! Harro, ich flehe dich an, sei vorsichtig mit ihr!«

      »Wir wissen es schon länger, Vater, und haben es dir nur verheimlicht, daß du besser über die Zeit hinwegkommst. Im März, Vater.«

      Der Fürst steht auf und muß hin und her rennen und hebt mit bebenden Händen Dinge von seinem Schreibtisch auf und stellt sie wieder hin. Er muß nach dem Bilde sehen und sagen: »Meine kleine Rosmarie!«

      Und dann überfällt er Harro mit einer Flut von Ermahnungen, die Harro mit stoischer Ruhe anhört.

      Und sie haben beide ihre Not mit ihm in der folgenden Zeit. Und mit der Fürstin.

      Sie ist in einer so ausgesucht schwierigen Stimmung, die bis nach Thorstein ihre Wellen schlägt. Der Hausherr braucht wieder die gewaltigen Stiefeln, um als sicherer Mann den empörten Fluten zu trotzen. Einmal soll Rosmarie sich mehr schonen, ein andermal wird sie viel zu sehr verhätschelt. Dann wieder soll sie einen berühmten Professor konsultieren, dann wieder gar niemand sich anvertrauen.

      Die junge Frau geht mit ihrer alten Kinderhartnäckigkeit sanft und still durch alles hin. Und wenn sie schläft, hat sie ein so wunderholdes verlorenes kleines Lächeln um ihre Mundwinkel dämmern, daß ihr Mann, der es erhascht hat, nie vergißt, an das Lager zu treten, ehe sie erwacht. Und endlich muß ja der Fürst doch nach Berlin abreisen, so lange er es auch hinausgezögert hat. Die Fürstin ist nicht mehr zu halten, sie geht voraus nach Berlin, wo sie mit einem kleinen heimlichen, interessant gefährlichen Feuer spielt. Vor einem wirklich katastrophalen vierten Akt wird sie sich schon hüten. Und sie stürzt sich mit einer Atemlosigkeit in den Berliner Strudel, daß der Fürst, der ohnedies immer hinten drein ist in dem gesellschaftlichen Rennen, sie kaum noch öfters als bei den Mahlzeiten sieht. Ehe der Fürst abreist, hat Rosmarie noch ein letztes einsames


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