Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann
ganze Spuk ist vernichtet! Schon lauerte ich auf den günstigen Moment, wenn der Kater sich mir genug nahen würde, um ihn sicher und derb zu fassen, als eine kreischende Stimme durch die Lüfte fuhr: »Montiel! Montiel!«
Ich. Ach, Berganza! – ich merke Unrat. – Doch weiter.
Berganza. Du siehst, wie mich die Erzählung angreift; noch jetzt ist das Bild jener verhängnisvollen Nacht mir so lebhaft, als es je war, da meine Existenz – doch ich will nicht vorgreifen. –
Ich. So erzähle weiter. –
Berganza. Mein Freund! – es hört sich ganz bequem zu, aber der Erzähler keucht und schwitzt, um all die Wunder, all die seltsamen Abenteuer, von denen sein Gemüt befangen, gehörig in Worte und wohlgebaute Perioden zu fassen. – Ich fühle mich recht matt und sehne mich recht sehr nach einer wohlzubereiteten Bratwurst, meiner Lieblingsspeise; aber da das hier nun nicht zu erlangen, so muß ich nun freilich ohne alle Erquickung mein Abenteuer fortsetzen.
Ich. Ich bin begierig darauf, wiewohl ich mich eines geheimen Schauers nicht erwehren kann. Daß du sprichst, ist mir nun gar nichts Ungewöhnliches mehr, ich schaue nur immer in die Bäume, ob nicht so eine vertrackte Eidechse mit einem Menschengesicht herauslacht.
Berganza. »Montiel! Montiel!« schallte es durch die Lüfte – »Montiel! Montiel!« neben mir. Plötzlich sah ich mich umgeben von sieben riesenhaft großen, dürren alten Weibern; siebenmal glaubte ich die vermaledeite Cannizares zu sehen, und doch war es wieder keine, denn eine stets wechselnde Varietät in diesen verschrumpften Gesichtern mit den spitzigen Habichtsnasen, den grünfunkelnden Augen, den zahnlosen Mäulern, machte das Bekannteste fremd, das Fremdeste bekannt. Sie fingen einen kreischenden Gesang an, indem sie sich wilder und wilder mit wunderlichen Gebärden um den Kessel drehten, daß die rabenschwarzen Haare weit in die Lüfte flatterten und die zerrissenen Gewänder ihre gelbe ekelhafte Nacktheit kaum deckten. Der schwarze Kater schrie in den grellsten Tönen dazwischen, und indem er ganz nach Katzenart prustete und nieste, sprühten die Funken umher. Bald sprang er diesem, bald jenem Weibe an den Hals, die sich dann, indem die andern stillstanden, im Wirbel drehte und tanzend ihn an sich drückte, bis er von ihr abließ. – Nun schwoll die Kröte mehr und mehr auf, und plötzlich stürzte sie sich in den dampfenden Kessel, daß er überflutete in das Feuer, und nun gärte und zischte und knisterte und flackerte Feuer und Wasser in tausend abscheulichen Gebilden, die in Sinne beängstendem, rastlosem Wechsel hervorblitzten und verschwanden. – Da waren es seltsamliche häßliche Tiere, Menschengesichter nachäffend; da waren es Menschen, in gräßlicher Verzerrung mit der Tiergestalt kämpfend, die ineinander, durcheinander fuhren und, miteinander ringend, sich verzehrten. Und in dem dicken Schwefeldampf des lodernden Kessels tanzend, drehten sich wilder und wilder die Hexen! –
Ich. Berganza – das ist zu gräßlich – selbst deine Physiognomie – unterlasse, ich bitte dich, ein gewisses Rollen deiner übrigens geistreichen Augen. –
Berganza. Jetzt keine Unterbrechung, mein Freund! Höre lieber das geheimnisvolle grausige Hexenlied, das ich noch treu im Gedächtnis trage.
»Eulen-Mutter! Eulen-Mutter!
Eulen-Mutter hergeflogen,
Junker hat den Sohn betrogen,
Sohn muß Sohnes Mutter sühnen,
Blut in Glut ist bald erschienen.
Eulen-Mutter! Eulen-Mutter!
Eulen-Mutter hergeflogen!
Hat der rote Hahn gelogen,
Muß den Hahn der Kater würgen,
Mutter stellt den treuen Bürgen.
Eulen-Mutter! Eulen-Mutter!
Eulen-Mutter hergeflogen!
Ist im Fünf die Sieb'n gewogen.
Kobold, Salamander weichen,
Seht sie durch die Lüfte streichen.
Eulen-Mutter! Eulen-Mutter!«
So lauteten die Worte des Gesanges, den die sieben Furchtbaren abkreischten. Hoch durch die Lüfte erscholl es: »O mein Sohn Montiel, trotze dem Junker, trotze dem Junker!« – Da sprang, grimmig schnaubend und Funken prustend, der schwarze Kater auf mich zu; ich aber nahm meine Kraft zusammen, und da ich nun eine besondere Stärke und Geschicklichkeit in meinen Vordertatzen (Tatze gefällt mir viel besser als das weichliche weibliche: Hand! Könnte ich nur sagen: der Tatz, aber das verbieten eure frisierten Adelunge!) – ich wollte sagen: da ich nun eine besondere Stärke und Geschicklichkeit in meinen Vordertatzen besitze, so trat ich meinen Feind zu Boden und packte ihn mit meinem scharfen Gebiß fest, das lumpichte Raketenfeuer nicht achtend, das nun aus Nase, Auge, Maul und Ohr prasselnd emporfuhr. Da heulten und schrien im schneidenden Jammer die Hexen und warfen sich zur Erde und rissen die schlotternden Brüste blutig mit den langen Nägeln der knöchernen Finger. Ich aber ließ meinen Fang nicht fahren. – Ein Flattern – ein Brausen in der Luft. – Auf einer Eule herab kommt ein altes graues Mütterlein, ganz anders wie die übrigen gestaltet. Das verglaste Auge lacht gespenstisch in mich hinein. »Montiela!« kreischen die Sieben – ein Schlag zuckt durch meine Nerven – ich lasse den Kater los. – Ächzend und schreiend fährt er davon auf einem blutroten Lichtstrahl. Dicker Dampf umquillt mich – ich verliere Atem – Besinnung – ich sinke hin. –
Ich. Berganza, halte ein; deine Darstellung hat fürwahr ein lebhaftes Kolorit; ich sehe die Montiela – die Flügel ihrer Eule wehen mir eine gewisse schauerliche Kälte zu – ich kann nicht leugnen, daß ich mich nach deiner gänzlichen Befreiung sehne.
Berganza. Als ich wieder zur Besinnung kam, lag ich an der Erde; ich konnte keine Pfote regen, die sieben Gespenster saßen am Boden gekauert um mich herum und streichelten und drückten mich mit ihren Knochenfäusten. Meine Haare trieften von einer ekelhaften Fettigkeit, womit sie mich gesalbt hatten, und ein unbeschreibliches Gefühl durchbebte mein Inneres. Es war, als müsse ich aus meinem eignen Körper herausfahren, zuweilen sah ich mich ordentlich als ein zweiter Berganza daliegen, und das war ich wieder selbst, und der Berganza, der den andern unter den Fäusten der Hexen sah, war ich auch, und dieser bellte und knurrte den liegenden an und forderte ihn auf, doch tüchtig hineinzubeißen und mit einem kräftigen Sprunge aus dem Kreise herauszufahren – und der liegende – doch! – was ermüde ich dich mit der Beschreibung eines Zustandes, der, durch höllische Künste hervorgebracht, mich in zwei Berganzas teilte, die miteinander kämpften.
Ich. Soviel ich aus deinem frühern Leben, aus den Worten der Cannizares, aus den Umständen des Hexenkongresses abnehmen kann, war es auf nichts anders abgesehen, als dir eine andere Gestalt zu geben. Der Sohn Montiel, für den sie dich nun einmal hielten, sollte vielleicht als ein schmucker Junge erscheinen, und darum salbten sie dich mit jenem bekannten Hexenöl, das solche Verwandlungen hervorzubringen vermag.
Berganza. Du hast ganz recht geraten, denn indem die Hexen mich streichelten und drückten, sangen sie in hohlen wimmernden Tönen ein Lied, dessen Worte auf meine Verwandlung hindeuteten:
»Söhnlein! Uhu läßt grüßen,
Uhu hat Kater gebissen! –
Söhnlein, hab' wohl acht,
Mutter hat was mitgebracht.
Söhnlein, den Hund laß liegen,
Hui! – mußt den Junker betrügen,
Dreh' dich, Spuk und Graus,
Söhnlein, fahr nur fix heraus.«
Und so oft das Lied zu Ende war, schlug die Alte auf der Eule die knöchernen Fäuste klappernd zusammen, und ihr Geheul durchschnitt in wildem Jammer die Lüfte. Meine Qual wuchs mit jedem Augenblick; da krähte im nächsten Dorfe der Hahn; ein roter Schimmer durchflog den Osten, und brausend und sausend fuhr das Gesindel durch die Luft, daß in einem Moment der ganze Spuk zerstoben und verflogen war und ich einsam und entkräftet an der Heerstraße lag.
Ich. Wahrhaftig, Berganza, die Szene hat mich angegriffen, und daß du in deiner Betäubung die Hexenlieder