Gaunerinnen. Jana Denole Яна Деноль

Gaunerinnen - Jana Denole Яна Деноль


Скачать книгу
der Hauptstadt!“

      Bei diesen Worten fiel dem angeblichen Brautvater das Sektglas aus den Fingern. Das Mütterchen mit seiner Neigung zum Alkohol starrte voll Bedauern auf den Boden, wo die prickelnde Flüssigkeit zerrann. Den Ereignissen um sich herum schenkte sie keine Aufmerksamkeit.

      „So war das nicht abgemacht“, begehrte jetzt der „Papa“ auf. „Mit solchen Hauptstadtschönheiten habe ich nie geschlafen. Pfui!“

      Da kapierte Natalja, dass es um einen Skandal nicht herumgekommen würde und schrie:

      „Das Brautpaar soll sich küssen! Küssen!“ Sie gab den Musikanten ein Handzeichen, dass sie spielen sollten. Der Vater schenkte sich ein Glas Wodka ein, trank es auf einen Zug aus, beruhigte sich wieder und begann eine Unterhaltung mit dem Schweizer. Dabei kannte er nur zwei Wörter auf Englisch: „Yes, yes.“

      Jedes Mal, wenn sich die Freundinnen an diesen Vorfall erinnerten, lachten sie lange und erzählten einander sämtliche Details aufs Neue. Und sie hatten jede Menge solcher Geschichten. Natalja lernte andere Mitglieder ihrer lustigen Gesellschaft kennen. Bei einer guten Flasche Wein war es keine Sünde, sich über Onkel Wowa, den Leiter des Friedhofs, lustig zu machen. Und wer war der Leiter des Friedhofs? Natürlich der Wächter. Ein witziger Typ. Er murrte ständig, regte sich auf.

      „Ich hab es satt, für euch Gotteslästerinnen Löcher zu buddeln! Ihr beerdigt Leute wie am Fließband! Schämen solltet ihr euch!“

      „Die Särge sind doch alle leer, Onkel Wowa!“

      „Gott sei Dank, dass sie leer sind!“

      Aber beim Anblick eines 100-Dollar-Scheins veränderte er sich rasant, seine Stimme und Körperhaltung bekamen die Würde eines Mannes, der Geld in frei konvertierbarer Währung besitzt. Dann sagte er:

      „Ihr macht alles richtig! Sie haben es verdient! Geschieht ihnen recht, diesen alten Perverslingen! Sie kommen hierher, holen unsere jungen Mädchen weg und machen mit ihnen weiß Gott was! Dort in diesem Amerika!“

      Sie lachten über ihn bis zum Umfallen. In Wirklichkeit mochte er das Begräbnistheater, das die Mädchen erfunden hatten. Dabei konnte man sich ordentlich die Kehle anfeuchten, fürstlich essen und etwas mit nach Hause nehmen. Dafür hatte er ein paar große Tragetaschen parat. Das einzige, worüber sich Onkel Wowa beschwerte, waren die Klageweiber. Er sagte:

      „Wegen der Weiber, die für Geld weinen, kriege ich noch einen Herzinfarkt. Ich heule ja selber mit und beweine die leeren Särge. Sie jammern einfach so traurig! Schlampen! Es zerreißt einem die Seele! Ich weiß noch, wie sogar ein Kunde von euch, ein Deutscher, Drecksnazi, feuchte Augen bekam! Und ich habe auch noch ein slawisches Herz! Das wird das Gejammer nicht mehr lange ertragen! Und wenn ich sterbe, wer soll euch dann für die paar Groschen Löcher buddeln?“

      Die Freundinnen lachten so laut, dass es auf dem ganzen Friedhof zu hören war.

      Natalja sollte bald ihr Studium beenden. Saweli war froh darüber und konnte es kaum erwarten, seine unbegabte Studentin in nächster Zukunft loszuwerden. Die Situation an der Universität war für ihn ungünstig und seine Muse hatte ihn enttäuscht.

      „Geistloses, billiges Miststück“, dachte er. „Und ich bin ein alter Trottel!“ Manchmal kam ihm der Gedanke, dass er wegen Überschreitung seiner Befugnisse im Gefängnis landen könnte. „Dank mir hatte sie ja immer die besten Noten. Werden ihre Kenntnisse geprüft, kommt sofort heraus, dass ich ein alter Wüstling und ein korruptes Schwein bin. Diese blonde Studentin mit ihren rosigen Brustwarzen war offensichtlich unfähig, einen Hochschulabschluss zu erwerben. Und drogenabhängig war sie außerdem!“

      Einmal hatte er sie auf der Toilette mit Amphetamin ertappt. Danach verlor er das Interesse an Natalja, begann sich sogar vor ihr zu scheuen und sie zu meiden.

      Sie wiederum erklärte ihm, sie könne unter dieser Droge schneller lesen.

      „Lesen allein reicht nicht, um sich Wissen anzueignen! Du musst den Sinn verstehen! Um dich mit einem Text auseinanderzusetzen, musst du vollkommen nüchtern sein! Aber du verstehst gar nicht, worum es sich handelt“, hatte der Dekan sie einmal angefahren.

      Worauf er eine Antwort bekam, die zu hören er mehr als alles andere im Leben fürchtete:

      „Schatz, sieh es ein. Ich muss mein Studium abschließen, koste was es wolle! Und du hilfst mir dabei! Sonst müsste ich doch einmal deine Frau kennenlernen und bei einer Tasse Tee ein nettes, aber ganz bestimmt langes Gespräch mit ihr führen.“

      Er wusste, dass sie zu dieser Gemeinheit sehr wohl fähig war. Und er wollte auf keinen Fall seine Familie verlieren, die für ihn letztendlich eine Art Rückendeckung war. Sein Haus empfand er als eine Art Tempel der Ruhe.

      Vielleicht würde ihm seine Frau den Seitensprung verzeihen, aber wahrscheinlich würde sie ihn nie mehr in Ruhe lassen. Er bekäme garantiert Vorwürfe zu hören und würde ständig überwacht. Wenn seine gescheite Frau auch nur den kleinsten Anlass zu einem Verdacht fände, würde sie sicher noch interessante Dinge entdecken. Er war nun einmal nicht der frömmste und treuste Ehemann.

      Natalja hatte wohl ein bisschen Mitleid mit ihm, aber er ließ ihr keine Wahl. Sie musste sie den Langweiler unter Druck setzen und beschenkte ihn mit den verschiedensten Sachen – mit Schweizer Schokolade, Käse, fruchtigen Likören, allerlei Delikatessen, die sie von den Ausländern erhielt. Außerdem lutschte sie sein schlaffes Glied einmal in der Woche, nach Stundenplan, wie sie es auch in den vergangenen Jahren immer getan hatte.

      „Meiner Meinung nach ist das mehr als ein guter Preis für ein Diplom! Ich habe den alten Langweiler viel zu sehr verwöhnt!“

      Saweli beschwerte sich im Prinzip auch nicht, er hatte nur Angst, seine Stelle zu verlieren, bevor er in den Ruhestand ging.

      Endlich hatten die Mädchen genug Geld zusammengespart, um sich Autos leisten zu können!

      Was für eine Freude! Und stolz waren sie ebenfalls! Die beiden parkten jetzt ganz souverän ihre gleich aussehenden schwarzen Lexus-Offroader vor der Uni. Das Leben auf den eigenen vier Rädern war noch cooler als vorher! Für sie schien es geradezu Geld zu regnen. Mit solchen Schlitten konnten sie überall und mit allen Kontakte knüpfen. Sie schlossen Verträge mit Hotels, Restaurants, Shops, machten überall Gewinn, waren von vielen Ausländern umgeben. Sie hatten Spaß und amüsierten sich.

      „Das nenne ich einen Job!“, sagte Nata. „Das reinste Kinderspiel!“

      Die Freundinnen kauften für das Geld der Kunden verschiedene Waren ein und gaben sie am nächsten Tag zurück. Auf diese Weise wanderten Hunderte von Dollar in ihre Taschen.

      Stella war eine leidenschaftliche Person mit einer besonderen Vorliebe für Spielbanken. Sie spielte manchmal betrunken, setzte das ganze Geld auf Rouge und Noir und verlor ständig.

      Natalja legte jeden Groschen auf die Seite. Sie hatte gemischte Gefühle hinsichtlich der Verluste ihrer Freundin und Rivalin. Es war ihr selbst nicht klar, ob sie ihr Freude bereiteten oder doch eher Missfallen erregten. Aber nach einem verlorenen Spiel endete Stellas Abend gewöhnlich mit einer angenehmen Bekanntschaft. Das schmeichelte ihr und ärgerte ihre Freundin.

      Ihre Beziehung mit Sergej ging letzten Endes in die Brüche. Als er erfuhr, dass sie Männer ausnahm, stellte er eine Bedingung:

      „Entweder ich oder dein Job.“

      Damit verurteilte er sich selbst zum Leiden. Stella trauerte einige Monate, aber dann wurden ihre Gefühle von der Vernunft besiegt. Es war noch zu früh, eine Familie zu gründen. Außerdem war der wichtigste Grund ihrer Gefühle für Sergej die Tatsache, dass er die Schlampe an den Heizkörper gefesselt hatte. Als Mann passte er kaum zu ihr. Er war ein eifersüchtiger Typ, der davon träumte, sie zu Hause bei Kindern und Eintopf einzusperren.

      „Nein! Das lasse ich nicht zu! Ich werde ein bisschen leiden, und danach wird alles gut.“

      Sie mochte Männer von höherem Niveau, die reich, beredt und weit gereist waren. Gewöhnlich traf sie solche Männer im Kasino. Stella hielt sich für wohlhabend, aber sie wusste von ihrem Hang, mit Geld leichtsinnig umzugehen. „Geld heckt Geld“, war ihr Motto. Das war eine Tatsache des Lebens, so oder so.

      Natalja


Скачать книгу