Globetrotter, ein unternehmerisches Abenteuer. Отсутствует
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Foto: Christian Lanz
Walo Kamm möchte einerseits die Erde gut kennenlernen und sie andererseits auch beschützen vor Ausbeutung.
Hindernislauf: Vom Hippietraum zum unternehmerischen Gesamtkunstwerk
Von Walo Kamm
Was war denn eigentlich mein Traum, wenn ich schon kein Reisebüro sein wollte? Ein Forum, eine Informationsstelle und eine Begegnungsstätte für echte Weltenbummler! Mit meiner Erfahrung in fast 100 Ländern hatte ich Freude an der Möglichkeit, dank meiner umfassenden Reisekompetenz den vielen Ratsuchenden helfen zu können – zuvor als Journalist, nun als Reise- und manchmal auch Lebensberater. Wie manchem «Verzweifelten» konnte ich ungeachtet widriger Umstände auf wundersame Weise doch noch zum ersehnten Visum verhelfen! Dafür erhielt ich von Kundinnen recht oft einen selbst gebackenen Kuchen oder Ähnliches – romantische Anfangsjahre!
«Alternativ» leben und reisen war das erste Gebot der 1970er-Jahre. Tatsächlich hatte ich in meinen anfänglichen Visionen primär die bärtigen Langzeit-Backpacker und barfüssigen Hippiefrauen als Kundschaft im Auge, also wunderte sich niemand über den gelegentlichen Cannabisduft in der Büroluft. Doch schon bald wurden sie von Sannyasins in orangefarbenen Gewändern abgelöst, die in Scharen nach Poona flogen, um im aufstrebenden Ashram von Bhagwan Sri Rajneesh sich der Meditation, der Konfrontation (mit sich selber) und der Liebe hinzugeben.
«Anders als anders» hiess die Devise in den 1980ern. Das zog erstaunlicherweise ebenso viele Normalos, Lehrer, Akademiker und Banker an – letztere zogen manchmal ihre Krawatten vor der Bürotür noch rasch aus (und fragten drinnen schüchtern, ob sie auch Du sagen dürften). Inzwischen hatte ich die Globetrotter-Dienstleistungspalette Schritt um Schritt, Jahr um Jahr zu mehr Vielfalt erweitert. Der Globetrotter-Reiseservice, anfangs bloss auf Geheimtipps-Beratung und Graumarkt-Flugtickets fokussiert, bot nun auch Sprachaufenthalte, Mietwagen, Camper, Unterkünfte, Velo- und Bahnreisen, soziale Freiwilligenarbeit, massgeschneiderte Trekkings, Versicherungen, Visa-Service etc. an.
Das «Reisebüro wider Willen» platzte in Zürich, Bern und Basel schon bald aus allen Nähten – Luzern, St. Gallen und Winterthur hatte ich bereits in der Pipeline. Überall wurde Globetrotter zur Begegnungsstätte von Reisefans jeglicher Couleur. Die grossen Anschlagbretter überquollen mit Hunderten von Zetteln von Suchenden und Anbietenden. Ich veranstaltete gesellige Clubabende sowie öffentliche Diavorträge mit renommierten Referenten. Als Erster verkaufte resp. verschenkte ich die neuartigen alternativen Reisehandbücher und Landkarten. Punkto Reise- und Outdoor-Ausrüstung arbeitete ich mit den Kollegen von Transa zusammen.
Das Globetrotter-Magazin mit dem innovativen Konzept – die Inhalte von der Leserschaft geschrieben – entwickelte sich rasant und wurde zur Kultzeitschrift. Durch die kostenlosen Privatannoncen fanden im Lauf der Jahre Tausende Reisefans ihre Reisegefährten – oder auch gleich ihre Lebenspartner. Ich brachte viele lehrreiche Diskussionen in Gang über Sinn und Zweck des Reisens, klärte über «Hartes und Sanftes Reisen» auf und arbeitete mit wichtigen Entwicklungshilfe-Organisationen und NGOs zusammen.
Schade, dass mein Schnauf damals nicht auch für die im Urkonzept erträumten Travel-info-Cafeterias und die reisemedizinische Abteilung inkl. Impfungen reichte. Immerhin wurde und wird in unseren Beratungs-Lounges der Kundschaft gern ein Kaffee, Tee oder anderes Getränk angeboten, dazu die speziellen Gesundheitsinfos. Und für die Mitarbeitenden ist ganz nebenbei eine einzigartige Unternehmenskultur entstanden, die allen Beteiligten nützt und Freude macht.
Dabei wäre mein grandioses Projekt, von dem ich sonst niemandem erzählte, schon in den Anfangsjahren einige Male beinahe gescheitert. Das erste Mal schon 1976, als der damalige Reise- und Transportriese Danzas mir den Namen «Globetrotter» verbieten wollte – siehe separate Story weiter hinten.
Ab 1978 war ich so fasziniert vom psychosozial-spirituellen Experiment von Bhagwan Sri Rajneesh (später Osho), das ich schon seit 1972 mit Interesse verfolgt hatte, dass ich damit liebäugelte, in der Schweiz alles liegenzulassen und auch nach Poona zu gehen wie so viele meiner Freunde. Doch bei Globetrotter standen die Kunden zeitweise Schlange, und ich wollte all jene, die sich an mich wandten, nicht enttäuschen. Der süsse Duft des Erfolgs …
Im holprigen Aufwärtstrend gab es auch Tiefpunkte. 1979/80 ereignete sich das persönliche Horror-Ereignis, als ich von einem «oberschlauen» Mitarbeiter vorsätzlich reingelegt wurde – kurz beschrieben im Kapitel «Outdoor und Transa».
1980/81 konnte ich mich meinem wild laufenden Start-up nicht voll, das heisst, nicht immer zu 150 Prozent widmen: In Zürich brach die Jugendrevolte aus und zog sich lange hin. In der 1968er-Bewegung war ich nur «halb» dabei gewesen, doch nun holte ich meinen Bedarf an Protest gegen das verkalkte Bürgertum samt eingerostetem Amtsschimmel nach und kämpfte mich als Wutbürger tapfer durch viele Tränengasschwaden. «Züri brännt» war auch für mich das Leitwort jener Jahre. Den Schaden an etlichen Luxusschaufenstern, die zu Bruch gingen, habe ich dann später via Zürichs saftige Steuerrechnungen hundertfach überkompensiert … «Damals» aber finanzierte ich Partys der Kämpfenden und die Revoluzzer-Zeitungen Brächise alias «Eisbrecher», die Vorläufer der WoZ (Die Wochenzeitung), die bis heute erfolgreich unterwegs ist. Und ich fragte mich, ob ich nicht lieber – wenn auch verspätet – meinem Jugendidol Che Guevara nacheifern und das mühsame Geschäftsleben als Reiseunternehmer mit Buchhaltungspflicht sein lassen sollte. Inzwischen weiss man, wofür ich mich entschied.
Am brenzligsten aber war es schon 1977, als mein temporärer Kompagnon (Dr. phil.) Roger Baud zwei Kollegen ins Velokellerbüro mitbrachte und die drei Herren mir ins Gewissen redeten: «Walter, du bist zwar ein netter Kerl, aber ein Anfänger und Aussenseiter, ohne Erfahrung und nicht dynamisch-aktiv. Allein wirst du nie auf einen grünen Zweig kommen. Deshalb unser Vorschlag: Wir machen das zusammen, denn wir haben das Know-how und die Erfahrung, da wir alle drei jahrelang beim SSR (Schweizerischer Studentenreisedienst) gearbeitet haben: Urs Frey als studierter Ökonom und Geschäftsführer, Max Laube und Roger Baud als Organisatoren und Reiseleiter. Wir teilen den Globetrotter Club durch vier, jeder bekommt 25 Prozent – dann hat das Projekt eine Zukunft. Andernfalls werden wir selber ähnliche Reiseunternehmen gründen, und du wirst versauern, was doch sehr traurig wäre. Wir erwarten deinen Entscheid, deine Zustimmung bis morgen.» Ich war überrumpelt und hatte eine unruhige Nacht. Meine Antwort am nächsten Tag: «Ich mache mit dem Globetrotter Club allein weiter und wünsche euch viel Glück.»
Darauf gründete Urs Frey die Flugreisefirmen Travac und Vista, hatte damit sehr viel Erfolg und wurde reich, starb dann relativ früh. Roger Baud machte das Sindbad Reiseforum und veranstaltete Abenteuer-Kulturreisen mit meinen Globetrotter Club-Kunden, musste aber nach einigen Jahren mangels Erfolg aufgeben. Max Laube gründete Travelking alias Kingtravel und ging damit pleite, gründete dann Maxtours und ging damit pleite, gründete dann Fly Away – zum Schluss eine weitere Pleite. Mein vielbelächelter Globetrotter Club entwickelte sich rasch zum Globetrotter Travel Service und später zur Globetrotter Group mit 265 Millionen Franken Jahresumsatz, also eines der grössten Reiseunternehmen der Schweiz für Outgoing-Tourismus.
Und natürlich gab es auch immer wieder Ereignisse, die mir vorübergehend eine Missstimmung brachten. Eines Nachts brachen in Zürich eigene Mitarbeitende in die Filiale ein, weil bei Arbeitsschluss in der Kasse eine Rekordsumme Bargeld lag – das wie üblich im Nachttresor der Bank hätte deponiert werden sollen; doch die Versuchung war zu gross. Dann, in der legendären «Platzspitz-Zeit», gab es ein paar unschöne Drögeler-Ereignisse. Sehr unerfreulich war auch jeder einzelne Fall der 20 Mitarbeitenden, die – meist mit einer übergrossen Ladung geklauter