Globetrotter, ein unternehmerisches Abenteuer. Отсутствует
Was ist der Unterschied zwischen dem Werbe-Passagier der Swiss International Air Lines und mir? Kürzlich sah ich im Bahnhof ein grosses Plakat der Fluggesellschaft mit dem Claim «Über 100 Reiseziele weltweit», doch der Fokus lag auf dem Bild eines lässigen jungen Reisenden, der ein Flugzeug besteigt, und der Aussage: «Ich verlasse die Schweiz nicht. Ich nehme sie mit.» Der Unterschied zu mir: Wenn ich hier abfliege, will ich die Schweiz hinter mir lassen, sie sogar «vergessen». Denn ich möchte in andere Welten eintauchen, neue Länder entdecken, bisher unbekannte Völker kennenlernen, fremdartige Kulturen erleben, exotisches Essen geniessen, am Meeresstrand surfen statt im Internet, Wüsten durchqueren statt Alpwiesen, faszinierende Feste erleben statt CH-Büroalltag. Ich jedenfalls will die Schweiz nicht auf die Auslandsreise mitnehmen.
Kathmandu–Lhasa gar nicht Business-Class-like: Da Touristen nur als Gruppe unter chinesischer Aufsicht in Tibet reisen durften, liess ich mich als Individualreisender (mittels Trick) mit einer ad hoc Pseudo-Gruppe bei China Southern Airlines einchecken. Kurz nach dem Mt. Everest kam die Bordmeldung «Lhasa nicht wolkenfrei, Flug wird nach Chengdu umgeleitet». Also unvorbereitet China. Dort mussten die hundert Passagiere den ganzen Tag warten, da Hotels voll. Spät nachts bekam ich ein «Bett» ohne Leintuch, Decke oder Kopfkissen. Ohne nichts, denn alles Gepäck war im Flugzeug geblieben. Am nächsten Morgen 4 Uhr auf, 7 Uhr Abflug. Kurz vor Lhasa Umkehr, immer noch Wolken. Nachmittags wird nicht geflogen, da zu viel Wind. Am dritten Tag 4 Uhr auf, Abflug, zwei Stunden später kreisten wir über Lhasa (!), aber keine Landung. Zurück in Chengdu gab’s Passagieraufstand. Wir streikten, stiegen nicht mehr aus. Nach stundenlangen Verhandlungen mit Sprachproblemen das Wunder: Mittags wurde nochmals gestartet. Diesmal landeten wir in Lhasa – am angeblich zu windigen Nachmittag. Vier lange Flüge statt ein kurzer, drei vergeudete Tage, kontroverse chinesische Erfahrungen.
Bike Adventure Tours: Bei der Übernahme von Chris und Andi Schnellis sympathischem Unternehmen empfand ich die zeitliche und örtliche Zuspitzung der definitiven Entscheidung mit der schwer verständlichen «Stimme aus dem Dschungel» als besonders originell: Ich war in Zürich noch am Verhandeln, während André sich samt Familie in Botswana auf Safaritour befand. Er hatte vorsorglich ein Satellitentelefon mitgenommen, mit dem er auch mitten im Urwald erreichbar sein sollte. Tatsächlich musste er am entscheidenden Tag dann im Botswana-Urwald extra auf einen Hügel steigen, damit wir telefonieren, diskutieren und uns einigen konnten. Ein echt spannender Last-Minute-Entscheid; auch den haben wir nie bereut. Denn die Freude an der Sparte Mountainbiken ist uns viel wert.
Meine Schlüsselreise – auf Pump: «Nie auf Kredit leben!» ist einer meiner Grundsätze, an denen ich eisern festhalte – gültig für mich und alle. Vor allem bezüglich Reisen: nie auf Pump. Doch einmal im Leben bin ich auf Pump gereist. Das offenbare ich hier zum ersten Mal.
Anfang 1975 hörte ich, dass «Kleintibet» (Ladakh) ab Juni für den Tourismus zugänglich werde. Diese buddhistische Bergregion auf 3500 bis 6500 m Höhe in Kaschmir, zwischen dem Himalaya und der tibetischen Grenze, war bislang militärisches Sperrgebiet gewesen. Der Kaschmir-Konflikt hatte schon mehrere Kriege ausgelöst. Tibet war noch immer verschlossenes Territorium. Ladakh war ethnisch und kulturell ein Teil von Westtibet, doch auf indischem Territorium und deshalb von Maos Kulturrevolution verschont geblieben. Also ein Stück noch intaktes Tibet. Keine Fremden waren zuvor da gewesen, es war ein touristisch jungfräuliches Land. Buddhismus pur, weltabgeschieden hinter dem Himalaya, vielleicht eine Art Shangri-La? Ich musste hin, jetzt! Das war meine Chance, das spürte ich intuitiv. Die Chance meines Lebens – persönlich und beruflich.
1973/74 war Ölkrise gewesen, teilweise Rezession, im Journalismus Flaute. Ich hatte kein Geld für die Reise. Und war auch privat geknickt. Aber ich wollte das neue alte Land für mich entdecken. Brauchte wohl etwa drei Monate. Zeit hatte ich. Würde wohl ein paar Tausend Franken brauchen, auch wenn ich sehr sparsam lebte. Es musste sein, ich konnte nicht anders.
Also schrieb ich sechs Darlehensverträge über je 500 Franken, mit klaren Bedingungen, zinslos, mit genauem Rückzahlungstermin. Nach längerem Suchen fand ich in meinem Bekanntenkreis sechs Menschen, deren Namen ich auf den Verträgen eintragen konnte. Mit den 3000 Franken flog ich mit dem billigsten Aeroflot-Ticket via Moskau nach Delhi, dann überland nach Srinagar und über die noch teils verschneiten Pässe nach Leh. Später tauchte die verwegene Idee auf, mich allein in die völlig unbekannte Region Zanskar vorzuwagen.
Es wurde nicht die grösste, aber die entscheidende Reise meines Lebens. Die den grossen Durchbruch brachte, zunächst im medialen Bereich, dann noch viel intensiver in der Reisebranche. Das buddhistische Kleintibet hatte mir Erkenntnisse und einen Schlüssel gegeben, der in Zukunft Türen in mir und ausserhalb öffnete. Das hatte ich vor der Reise intuitiv gespürt.
PS: Und falls jemand auch einen «Business Class»-Aspekt darin sehen will: Die 3000-Franken-Investition, die ich dank grosszügigem Tagi-Magi-Reportage-Honorar pünktlich zurückzahlen konnte, hat sich im Lauf der Zeit in vielerlei Hinsicht gelohnt. Nicht primär, weil Ladakh ein so lohnendes Reiseziel wurde, sondern wegen den Schlüsselerlebnissen damals in den Bergen und Schluchten und Klöstern meines persönlichen Shangri-La.
Unabhängig: Die Menschen staunen, viele können es nicht begreifen, dass mein Leben funktioniert, wenn sie erfahren, dass ich immer noch kein Handy habe. Was, kein Smartphone? Nein, wirklich nicht. Es geht mir gut, und auch als Unternehmer bin ich erfolgreich. Nein, ich habe keine Angst vor der Strahlung, nein, mich reut das Geld nicht, nein, ich habe keine Sekretärin oder Bodyguards mit Handy ständig an meiner Seite, und nein, ich bin nicht im Ruhestand. Im Gegenteil: Ich arbeite immer noch für die verschiedenen Unternehmen und meine zahlreicher werdenden privaten Projekte. Und ich gehe an viele Anlässe und reise oft in die schönen Berglandschaften der Schweiz. Und alles läuft tatsächlich gut ohne das Ding. Ich will gar nicht immer erreichbar sein. Ich bin gern echt frei und unabhängig.
Und was ist auf Auslandsreisen? Kein Problem. Auch als ich vor zwei Jahren eine grossartig abenteuerliche Südostasien-Reise auf eigene Faust unternahm, die exklusivste WK-Route, nämlich mit 28 Bootsfahrten auf 14 Flüssen durch Thailand, Burma, Laos, Kambodscha und Südvietnam, organisierte ich alle Schiffs- und Bootsfahrten, Exkursionen und Unterkünfte laufend vor Ort. Ich rede einfach mit den Einheimischen. Die haben oftmals ein Handy. Ich will ja kein fixes Programm abklappern, sondern spontan organisieren und die Reise täglich mit Überraschungen bereichern lassen. Ohne ständig ans Wiederaufladen des Akkus denken zu müssen. Ich bin dann halt mal weg, und das ist okay so. Kein Geheimnis dahinter.
Es gab ein (gutes) Leben vor dem Handy und dem Computer. Ob es eines Tages ein (gutes) Leben nach dem Handy und dem Computer geben wird, ist weniger sicher.
Foto: Jeannette Engel
Herzliches Wiedersehen mit dem guten Freund Rüdiger Nehberg am 28.11.19 in Winterthur. Der einstige Bäcker-Konditor, wagemutige Reiseabenteurer und Survival-Papst Nehberg hält mit 85 Jahren noch immer faszinierende Diavorträge; ich bin seit 33 Jahren sein Veranstalter in der Schweiz. Inzwischen längst zum Menschenrechtsaktivisten geworden, rettete Nehberg die Yanomami-Indianer in Brasilien vor dem Untergang und kämpft nun zusammen mit seiner Frau Annette seit 20 Jahren mit viel Erfolg (zwei Bundesverdienstkreuze zeugen davon) gegen die weibliche Genitalverstümmelung in vielen islamischen Ländern, baute eine Krankenstation in Brasilien und eine grosse Geburtshilfeklinik in Äthiopien u.a.m. Mehr Infos zu seiner Stiftung TARGET und Hilfsmöglichkeiten: www.target-nehberg.de, [email protected]
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